Samstag, 2. Mai 2009

Bernhard Schlink: Der Vorleser


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Gestern haben meine Frau und ich den Film nach Bernhard Schlinks Roman „Der Vorleser“ angesehen. Ein Drama um unsere Deutsche Vergangenheit, Schuld, Mit-Schuld (?), Sühne, ganz am Rande auch: ein Hauch von Vergebung, dann sehr viel an familiären Verstrickungen und ganz viel Schweigen …

Das Schweigen der Hauptpersonen ist fast unerträglich und zerstört ihr eigenes Leben und bürdet die weitere Verarbeitung den Nachgeborenen auf. Das erinnert mich an die zerstörerische Kraft von „Familiengeheimnissen“, die ihre unheimliche Wirkung solange tun können, bis jemand den Mut aufbringt, sie auszusprechen und dadurch eine Bearbeitung, vielleicht Trauer, vielleicht Sühne, zu ermöglichen. Jedenfalls ist keine wirkliche persönliche Weiterentwicklung möglich, solange das Geheimnis als Gift wirkt.

Hanna, die ehemalige KZ-Aufseherin, scheint fast mehr unter ihrer Scham über ihren totgeschwiegenen Analphabetismus zu leiden als unter Schuldgefühlen für ihre schreckliche Vergangenheit in der SS. Sie zieht Michael, ihren jugendlichen Geliebten, der für die nächste Generation steht, in diesen Strudel hinein. Dieser hat durch seine denkwürdige Familienkonstellation auch nicht gelernt, Probleme vertrauensvoll zu besprechen und Lösungen zu suchen und wird der nächste, dessen Leben aus der Bahn gerät und der außerstande ist, eine Beziehung dauerhaft zu gestalten und seiner Tochter gerecht zu werden. Sie ist die zunächst letzte in der Kette. Der Film zeigt sie noch als Persönlichkeit unfertig, etwas orientierungslos, im Zweifel über ihren Vater und in Befürchtungen um eine Mitschuld an ihren gemeinsamen Kommunikationsproblemen. Ausgerechnet diese arme Tochter hat sich Michael ausgewählt, um ihr sein Leben zu beichten …

Die Psychoanalytiker lassen grüßen … Ich finde das Verhalten von Michael gegenüber seiner Tochter verantwortungslos, da er vorher keinerlei Anstalten trifft, sich zunächst aus eigener Kraft zu stabilisieren.

Viele weitere Ideen gehen mir noch durch den Kopf. Es ist ja ein großes Thema geworden (mit Filmen und vielen Buchveröffentlichungen), dass heutige Enkel die Probleme ihrer Großeltern aus der Nazi-Zeit aufdecken und bearbeiten, um eine Chance dafür zu bekommen, dass die unselige Vergangenheit nicht weitere Generationen vergiftet. Und ich denke an Bert Hellinger, der als seine Form von Friedensarbeit aufgefasst hat, mit Hilfe seiner Methode von Familienaufstellungen Opfer und Täter der schrecklichen Vergangenheit zusammenzubringen, da sich das Schicksal der Betroffenen durch diese Taten untrennbar verbunden habe. (Ein Ansatz, der unter den Nachgeborenen der Opfer vielleicht nur wenig Freunde hat, aber auch ein Jesus Christus ist ohne Pontius Pilatus und die römischen Soldaten, die ihn ans Kreuz nagelten, nicht denkbar.)

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