Samstag, 27. Februar 2010

Mein tägliches Dilemma, II. Teil: Die Flut der Themen

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Am 16.2.2010 habe ich unter dem Titel "Mein tägliches Dilemma" launig von meinen Entscheidungsschwierigkeiten berichtet, aus der Flut von Nachrichten mich für ein Thema für meinen blog zu entscheiden, denn mehr überfordert mich im Regelfall - und wer soll und will das auch alles lesen?? Dabei hatte ich meine "Lesefrüchte" vom 15.2. im Auge und von ihnen bereits ein Manuskript vorbereitet, das ich aber in den Folgetagen nicht mehr vernünftig ausarbeiten konnte. Das habe ich jetzt nachgeholt! Die Themen sind alle noch mehr oder weniger aktuell, und so kann ich exemplarisch einmal meine "Herausgeberprobleme" aufzeigen.

Dies waren für mich die interessantesten Themen des Tages:

1. Guido Westerwelles Aussagen über die "sozialistischen Züge" der Debatte um die Hartz-IV-Sätze, kombiniert mit seiner Warnung vor "spätrömischer Dekadenz" werden bekannt. Ich finde, mit Verlaub, seine Aussagen derart zum K., dass sie mich provozieren, sozusagen "in Notwehr" bösere Worte zu produzieren, als ich sie zuletzt von mir gewohnt war. Denn eigentlich befinde ich mich auf dem Weg, über Ereignisse und Zeitgenossen milder zu urteilen und versöhnlicher zu sein, als es mir früher gelungen war. Ein Rückfall, dabei weiß ich, dass Kampfgefühle und Groll mir persönlich nicht gut tun. Andere fühlten sich offenbar ähnlich "angemacht": Frank-Walter Steinmeier soll gesagt haben, die Äußerungen des Vizekanzlers zum Thema würden "von Tag zu Tag unerträglicher und zynischer". (MOZ, 15.2.2010)

2. Aus der Schweiz wird uns Rache angedroht für den Ankauf der CDs mit den Daten über Steuersünder. Der Nationalrat Alfred Heer droht (nach entsprechenen Gesetzesänderungen) mit der Veröffentlichung von Daten deutscher Politiker und Richter, die in der Schweiz Konten und Stiftungen unterhalten sollen, auf die sie ihr unversteuertes Geld gerettet haben. Ob er denkt, dass jetzt die Landesregierungen in Deutschland in Panik geraten und nichts mehr gegen die Steuersünder unternehmen werden? Irgendwie könnte das auch Stoff fürs Kabarett oder eine schöne Satire sein: Wurden nach der Wende (teilweise) Staatsbedienstete und Politiker "gegauckt", um ihre reine Weste gegenüber der Stasi nachzuweisen, könnte man jetzt ja damit anfangen, Politiker zu "schwyzern", um ihre Freiheit von Steuersünden zu überprüfen. Im Gegensatz zu IM-Tätigkeiten, die ihren Tätern "nur" als moralische Sünden angekreidet werden konnten, zwar mit erheblichen Konsequenzen für ihre jeweiligen Karrieren, aber ohne strafrechtliche Relevanz, könnten die Steuerhinterziehungen ja auch juristisch verfolgt werden... Eine interessante Frage, ob unsere Parlamente dann schrumpfen würden bzw. mancher Nachrücker plötzlich doch noch eine späte Chance bekäme??? Aber wer wird so Böses denken, es sei denn, er ist der Sketche-Schreiber für ein Kabarett und auf der Suche nach einem neuen Gag... (MOZ, 15.2.2010)

3. Abseits der "großen Politik" war für mich als Psychologen die eher beiläufige Nachricht "auf den hinteren Seiten" interessant, man habe jetzt in Amerika das Gen entdeckt, das Schuld am Stottern sei. Das entlaste viele betroffene Eltern von Schuldgefühlen, denn an Fehlern in der Erziehung könne es dann ja nicht mehr liegen ... Für die Propagandisten der Erbtheorie ein weiterer Etappensieg beim Vormarsch der Biologie in Bereiche, die früher Psychologie und Pädagogik beherrscht hatten. Auf den ersten Blick scheint es jedenfalls so, denn in den Medien werden neue Erkenntnisse meistens in einer Weise vermittelt, dass "der normale Sterbliche" immer mehr an die Wirkung der Vererbung glauben muss - oder darf.

Dagegen haben einschlägige Forscher aus dem Bereich der Neurowissenschaften, die aufgrund ihres weiteren geistigen Horizonts auch in der Lage sind, die Erkenntnisse ihrer Disziplin in größere Zusammenhänge einzuordnen, längst festgestellt, dass Gene nur dann "eingeschaltet" werden, wenn entsprechende Umwelteinflüsse sie dazu veranlassen. Also existiert zumindestens eine Wechselwirkung zwischen beiden Ursachenkomponenten. Ohne "Biologie" richtet die Umwelt wahrscheinlich nichts an, während die "Biologie" vermutlich nur dann wirksam werden kann, wenn sie von der Umwelt "eingeschaltet" wird. "Schuld" sind also immer beide gemeinsam.

Ich finde, der (von den Forschungsergebnissen her nicht gerechtfertigte) Wunsch, frei von Verantwortung für bestimmte Entwicklungen zu sein, weil sie ja "in der Natur des Menschen" lägen, ist ziemlich typisch für unsere Zeit und die in ihr bevorzugten Forschungsparadigmen. Es ist nicht gerade eine glänzende Periode für die Anerkennung des Blickwinkels von Tiefenpsychologie und den psychologischen Richtungen, die biographische/lebensgeschichtliche Forschungen in den Mittelpunkt des Interesses stellen - und damit auch die eigene Verantwortlichkeit und Veränderbarkeit. (MOZ, 15.2.2010)

4. Ebenfalls am 15.2. veröffentlicht, aber von völlig anderer Qualität: Ich lese in der MOZ eine Buchbesprechung unter dem Titel "Verbrechen auf allen Seiten - Norman Davies sieht in 'Die große Katastrophe' das Stalin-Regime keinen Deut besser als das Dritte Reich". Dieser Historiker hat gerade ein 800-Seiten-Werk über den Zweiten Weltkrieg veröffentlicht. Neue Fakten standen ihm wohl nicht zur Verfügung, aber er hat sich um eine Gesamtschau bemüht, die Einseitigkeiten vermeidet und alle "Akteure" neutral miteinander vergleicht. Die für uns Nachgeborenen kaum fassbaren Sünden und Abgründe des Hitler-Naziregimes werden dadurch nicht verringert, aber die Sünden der anderen Mächte, speziell der Stalin-Sowjetunion und des Mussolini-Italiens, die sich für ihre Macht-Bedürfnisse geschickt in die Handlungen "eingeklinkt" hatten, erhalten ihren angemessenen Stellenwert.

Der Zweite Weltkrieg lässt mich nicht los. Ich werde wohl bis zu meinem Ende darüber weiter rätseln, wie die Menschen in Deutschland mit der Katastrophe umgehen konnten. Heimat futsch, eine Welt von Ruinen, Millionen Söhne und Väter für einen Aberwitz geopfert, viele Mütter, Kinder und Alte in der Zivilbevölkerung ebenso, und alles für einen Verbrecher und seine Schergen, nichts, gar nichts für die "Nation" und die Kultur außer großer Schmach. Bewunderungswürdig, wie meine Elterngeneration trotzdem weitergemacht hat! (Wahrscheinlich mit einem "Augen zu und durch!") Ich bin ihr dankbar dafür, denn ich lebe gern, aber das Entsetzen über all die Taten und vorsätzlichen Täter (auf allen Seiten!!) dieser Zeit wird mich immer begleiten.

(MOZ, 15.2.2010. Buchbesprechung von: Norman Davies: Die große Katastrophe. Europa im Krieg 1939-1945. München 2009.)

5. Noch einmal ein ganz anderes Thema, das aber auch zu meinen "Hobby-Interessen" gehört: Männer! Offenbar hat gerade in Düsseldorf ein Kongress stattgefunden, über den die MOZ unter dem Titel "Das gefährdete Geschlecht" berichtete. Ich zitiere der Einfacheit wegen einfach eine Passage dieses Artikels:

Düsseldorf (dpa) Männer in Deutschland sterben fünf Jahre jünger als Frauen, begehen dreimal so häufig Selbstmord, und Jungen sind die eindeutig schlechteren Schüler. Vielfach fehlten den Söhnen in den Familien "emotional präsente Väter" und in Kindergärten und Schulen verständnisvolle männliche Erzieher, kritisierte der Düsseldorfer Psychoanalytiker Prof. Matthias Franz. "Es ist höchste Zeit, die kollektive Verleugnung dieser Problemzusammenhänge aufzubrechen", forderte der Experte vom Institut für Psychosomatische Medizin der Universität Düsseldorf. Rund 350 Wissenschaftler diskutieren in dieser Woche über den "gefährdeten Mann". (MOZ, 15.2.2010)

Dem ist (leider) wenig hinzuzufügen. In meinem blog über Frauen- und Männerkultur vom vergangenen Donnerstag klingt aber dieselbe "Melodie" an.

6. Das waren noch nicht alle Themen, die an diesem Tag in der Zeitung standen und mich bewegten. Ich langweile aber wahrscheinlich langsam meine Leser. Deshalb führe ich Weiteres nur noch als Aufzählung an:
  • Der Streit um die Gesundheitsprämie und die Entsolidarisierung in Deutschland
  • Dresden und die Gegendemonstration gegen den "braunen Aufmarsch": Warum wird sie so schlechtgemacht?
7. Das stand zwar (noch) nicht in der Zeitung, dafür aber auf meinem Terminplan und war mindestens ebenso beschreibungswürdig: Am 15. 2. hielt Marianne Birthler in der Berliner Urania einen Vortrag über "Das Ende der Stasi und der Umgang mit ihren Akten" im Rahmen der Urania-Reihe "20 Jahre Mauerfall".

Vielleicht ist es meinenLesern jetzt verständlicher, warum ich am 16.2. nur eine allgemeine, vergleichsweise nichtssagende Glosse geschrieben habe. Es war einfach zuviel! Stoff für einen ganzen Monat! Aber ich bin dankbar dafür, alles miterleben zu können und hoffe auf noch viele Jahre mit einem wachen Geist, der mir meine eigenen Gedanken zu den vielen Botschaften ermöglicht.

Noch einmal André Shepherd

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In meinem heutigen blog über die 25.000 US-Deserteure aus dem Irak berichtete ich von dem Interview mit André Shepherd. Er hat in Deutschland einen Asylantrag gestellt, da er in den USA mit einer langjährigen Bestrafung rechnen müsste.

Wer ihn dabei unterstützen möchte, kann einen Aufruf an die Bundesregierung mit unterzeichnen, der von der "Connection e.V. - Internationale Arbeit für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure" organisiert wird.

Es geht ganz leicht über den folgenden Link im Internet: http://www.connection-ev.de/aktion-usa.php !

25.000 Deserteure.

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25.000 amerikanische Soldaten sind seit Beginn des Irak-Krieges desertiert! Ein Aderlass der Armee in Divisionenstärke! Es hat mich fast umgehauen, von dieser Zahl zu hören. Nie hätte ich die Zahl für so hoch gehalten, aber meine Überraschung (und Verärgerung!) hatte noch einen anderen Grund: Haben Sie jemals von diesem eindrucksvollen Phänomen in irgendeiner Zeitung, Fernsehen, Rundfunk oder anderen Medien gehört?? Offensichtlich besteht ein großes Bedürfnis einschlägiger Kreise, diese Zahl nicht "an die große Glocke zu hängen". Wie stünden die USA da, ebenso die anderen Länder, die Soldaten in den Irak entsenden, wenn der Weltöffentlichkeit bewusst würde, wieviele Soldaten schon "mit den Füßen darüber abgestimmt" haben, ob sie in diesem endlosen Konflkt selbst verheizt werden wollen oder schlimmstenfalls bei ihren Kampfeinsätzen auch Zivilisten töten?

Die nächste Front ist nicht weit entfernt: Auch der "Moloch" Afghanistan frisst zunehmend mehr Menschen, denen wahrscheinlich völlig gleichgültig ist, wie die große Politik diesen Konflikt benennt, ob es schon ein "Krieg" ist oder irgendein "Zwischenzustand", tot ist tot ... Und in diesem Zusammenhang wird die Frage ja auch für uns Deutsche hochaktuell, denn gestern hat der Bundestag den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan in neuer Form gebilligt. Die LINKE hat dagegen protestiert und wurde aufgrund ihrer unüblichen Form von Demonstration von der Sitzung ausgeschlossen. Pazifistische Positionen waren in unserem Vaterland schon immer unbeliebt, gut, dass immer noch Menschen daran erinnern, dass es auch diese Möglichkeit gibt!

Ich verdanke meine Information der neuen Ausgabe des Publik-Forums 4/10 v. 26.2.2010, das in seiner Jugend-Beilage "Provo" diesen Tabu-Bruch beging. Hierin wird der 31jährige André Shepherd interviewt, der vor drei Jahren desertierte und jetzt in Deutschland politisches Asyl beantragt hat. In den USA würde er hoch bestraft.

Ich zitiere einige Aussagen aus dem Interview:

André, was waren die Gründe für Deine Desertion?: Ganz einfach, ich wollte nicht länger daran mitwirken, unschuldige Menschen, also die Zivilbevölkerung im Irak, zu töten. Wir einfachen Soldaten wurden und werden bewusst manipuliert und benutzt in diesem Krieg. Ich musste das alles beenden, weil ich mich geschämt habe für mich selbst und für mein Land. Wir Soldaten und Soldatinnen wurden in der Öffentlichkeit immer als die Wächter der Freiheit dargestellt. Aber ich fand heraus, dass wir von unseren Offizieren belogen wurden, und deshalb fühlte ich mich schuldig am Sterben vieler Menschen.
(Quelle: "ich will keine unschuldigen menschen töten - André ist aus dem Irakkrieg abgehauen - und nun hat er keine Heimat mehr". In: PROVO. Nr. 1/2010, S. 6 - 7. Zitat S. 6.)

Freitag, 26. Februar 2010

Lieblingszitate CVI

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Die Raben
fliegen in Schwärmen.
Der Adler
fliegt allein.


aus dem Film "Jenseits der Stille"

Das sind die Worte des Musiklehrers, mit denen er die hoch talentierte Lara tröstet, die von ihren Mitschülern als Außenseiterin behandelt wird. Sie haben keinen Sinn für ihr tolles Klarinettespiel und schon garnicht für die besonderen Belastungen, die für sie durch die Fürsorge für ihre taubstummen Eltern entstehen.

Einer meiner liebsten Filme! Ich habe ihn sehr oft gesehen, weil ich ihn unter verschiedenen Fragestellungen gerne im Unterricht gezeigt habe. Wahrscheinlich ist es wie mit einem guten Buch: Der Film wurde mir nie langweilig, vielmehr konnte ich erst allmählich verschiedene Feinheiten entdecken, die mir beim einmaligen Sehen völlig verborgen geblieben wären.

[In meiner Sammlung von Zitaten seit 1998]

Donnerstag, 25. Februar 2010

Frauenkultur: !!! - Männerkultur: Fehlanzeige !?

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Im Sozialausschuss meiner Heimatgemeinde stellte heute unsere Gleichstellungsbeauftragte das Fürstenwalder Kulturprogramm anlässlich der 20. Brandenburgischen Frauenwoche vor. Ein bunter Korb verschiedenartigster Angebote von Lesungen, Konzerten, Feiern, Fortbildungen. Für jede etwas. Ihr Etat reiche kaum, weil in diesem Jahr so viele Angebote an sie herangetragen worden seien wie nie zuvor. Für Männer würde sie gern auch etwas organisieren, aber da gäbe es keinerlei Nachfragen...

"Die Kultur" ist lexikalisch ein weiblicher Begriff. Also haben es unsere Altvorderen wohl auch schon gewusst, dass die "Männerherrschaft" nur eine Überkompensation tatsächlicher maskuliner Schwäche ist, denn offenbar sind uns die Damen weit überlegen. Alle neueren Studien belegen die Überlegenheit von Mädchen bei den Schulerfolgen, älter werden die Damen dann schließlich auch noch im Schnitt, was bleibt da den Männern noch an Möglichkeiten besonderer Leistungen, wo sie noch nicht einmal Kinder kriegen können? Gefühle zeigen und kommunizieren gelingt ihnen auch nur viel schlechter; spätestens seit "Caveman" ist bekannt, dass uns arme maskuline Geschöpfe solche Defizite schon seit Urzeiten begleiten. Das ganze Patriarchat war wohl nur ein Versuch, von dieser durchgängigen Unterlegenheit abzulenken und so zu tun als ob ...

Aber im Ernst: Die Frauenbewegung der letzten Jahrzehnte hatte ein festes Ziel und hat etwas bewegt, auch wenn es immer noch viele Ungerechtigkeiten im Vergleich zu Männern gibt und Alice Schwarzer heute nicht mehr den Ton angibt. Frauen haben dazugewonnen und gestalten unsere Gesellschaft zunehmend, Männer stehen in einem Abwehrkampf gegenüber wiedersprüchlichsten Anforderungen und haben bisher kein rechtes Bild dafür entwickelt, welchen Beitrag sie dauerhaft in unserer Kultur leisten wollen und was ihnen dabei guttut.

Lernt von den Frauen! Sie sind uns ein gutes Stück voraus!

Wäre das nicht ein tolles Projekt: Männerwochen!?

Mittwoch, 24. Februar 2010

Arrogante Kotzbrocken

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Kaum habe ich in meinem letzten blog-Beitrag über die niveaulosen Entgleisungen eines Guido Westerwelle berichten müssen, wurden meine Erlebnisse jetzt vom Brandenburgischen Innenminister Rainer Speer fast noch „getoppt“. Aber unflätige Ausfälle von Politikern gegen Gruppen in unserer Gesellschaft, die dann erst einmal „nackt“ dastehen und sich nur mühsam gegen die Schlagzeilen in den Zeitungen wehren können, haben in unserem Land ja Tradition. Da kommt es auf den Wahrheitsgehalt der Beschuldigungen nicht an; einmal in der Welt, finden sich garantiert Leute, die sie weiter verbreiten.


Ich denke da an die unrühmlichen „faulen Säcke“ von Gerhard Schröder, mit denen er alle Lehrer in unserem Lande verunglimpflichte. Guido Westerwelles drohende „Dekadenz der Unterschicht“, die faul und bequem ohne Gegenleistung ihre staatlichen Wohltaten verprasst, wenn unsere Gesellschaft nicht endlich die Daumenschrauben fester anzieht, ist intellektuell eine „Schmalspurleistung“ und lässt eine ausreichende kulturgeschichtliche (und Herzens-) Bildung vermissen. Das erinnert mich an die Aufregungen um den Fall eines Sozialhilfeempfängers, der seinerzeit auf Staatskosten in Florida „weilte“. (Genauere Recherchen zeigten damals, dass er dort unter sehr bescheidenen Verhältnissen lebte und den deutschen Steuerzahler keinen Pfennig mehr kostete als hierzulande … Aber diskriminiert war er erst einmal.)


Rainer Speer musste sich auf einer Gewerkschaftsveranstaltung „seiner“ Polizeitruppe heftige Kritik an seinen „Reform“plänen gefallen lassen. (Er hatte zuvor der von ihm geführten Landespolizei eine viel zu geringe Effizienz vorgeworfen und will den Personalbestand in den kommenden 10 Jahren kräftig "abspecken". Der Öffentliche Dienst als größter Arbeitsplatzvernichter im Lande ...) Wenn die Quellenangaben stimmen, hat er in der Versammlung durch seine Kommentare kräftig „zurückgetreten“; im Fußball folgt darauf Platzverweis und Sperre, Politiker dürfen das wohl. Und „spaßig“ sollte diese Ironie wohl auch noch sein. Wirkliche Souveränität dürfte anders aussehen…


Herr Speer hat mich so erzürnt, dass ich einen Leserbrief an unsere Regionalzeitung geschrieben habe, den ich im Anschluss zitiere:



MOZ-Redaktion: Leserbriefe


Zu ihrer Berichterstattung über Innenminister Rainer Speer v. 22.11.10


Sehr geehrte Damen und Herren,

am Montag berichteten Sie vom Auftritt Rainer Speers beim Landesdelegiertentag der GdP in Potsdam und der herben Kritik, die ihm dort an seinen Einsparplänen bei der Brandenburger Polizei entgegengebracht wurde. Sie bleiben dabei sehr höflich und vorsichtig in der Abfassung Ihres Berichts. Offenbar war auf dieser Versammlung aber „noch mehr Feuer“ im Spiel, wenn man den Zitaten Glauben schenken mag, die der Tagesspiegel am 21.2. von derselben Veranstaltung veröffentlicht hat. Ich zitiere von diesem „starken Tobak“:


Zu Beginn der Veranstaltung hatte die GdP mit einem Protestzug humpelnder Rentner-Polizisten, teils mit Krücken, teils im Rollstuhl, gegen die Sparpläne protestiert. Speer beeindruckte das nicht: “Wer so aussieht, hat etwas falsch gemacht im Leben“, sagte er. „Oder er hat zu viel auf Gewerkschaftskongressen gefeiert.“ (TSP v. 21.2.10, S. 16)


Der SPD wurde einmal Gewerkschaftsnähe nachgesagt. Diese Aussage eines SPD-Ministers hingegen ist infam und eine Beleidigung jedes Gewerkschaftsmitglieds, egal aus welcher Gewerkschaft er stammen mag! Herr Speer scheint sich um den Ehrentitel „süffisantester Kotzbrocken des Jahres“ zu bewerben, mit guten Chancen, solange er sich nicht für diese ehrenrührige Entgleisung entschuldigt.


Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Lüder , Fürstenwalde, am 23.2.2010

Freitag, 19. Februar 2010

Herr Westerwelle und die Dekadenz

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Was soll man noch zu Herrn Westerwelle sagen? Ich finde seine Argumente hinsichtlich des Sozialismus und der Dekadenz in unserem Lande so abstrus, dass sich eigentlich jeglicher Kommentar erübrigt. Gleichzeitig erobert er wieder einmal durch seine die Gesellschaft spaltenden Aussagen die Schlagzeilen der Medien. Ob er wirklich dafür zusätzliche Freunde und Unterstützung gewinnt? Vielleicht fällt es aber - gerade vor den nächsten Landtagswahlen - auch zunehmend Menschen auf, welche "dünnen Bretter" er dabei neben allen demagogischen Beiklängen bohrt.

Soviel Bildung habe ich doch in meiner Schulzeit noch mitbekommen, dass ich mich daran erinnere, dass "Dekadenz" immer eine Eigenschaft der führenden Oberschicht war, die durch ihre Freude an amüsanteren Seiten des Lebens die Fähigkeit verlor, das Staatswesen "in Schuss" zu halten und vernünftig zu regieren. Für die Ermöglichung des ausschweifenden Genusses der "Oberen Zehntausend" mussten dann immer ihre Sklaven, Heloten oder wer auch immer sonst die Kärrnerarbeit leistete, besonders buckeln und schuften. Die "Dekadenz" in der Lebensweise der Unterschicht zu sehen (wer hat sonst HARTZ IV ??), ist sowohl abgeschmackt als auch unter diesem sprachhistorischen Gesichtspunkt abenteuerlich. Mehr als eine "5" wäre das in meiner Schulzeit im Geschichtsunterricht kaum geworden ... Ich würde mich solcher "dünnen Bretter" schämen ... (Aber ich eigne mich auch nicht als Politiker ...)

Lieblingszitate CV

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Zwischendurch ein kleines Zitat als Gruß an meinen blog und alle Leserinnen und Leser!



Mit meinen Büchern

führe ich die meisten Gespräche.


Seneca


Gefunden in: Kurt Franz: Lesen macht stark. dtv junior 7919.

(In meiner Sammlung seit dem 10.11.1980.)

Dienstag, 16. Februar 2010

Mein tägliches Dilemma

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Ich habe heute Zeitung gelesen.

Schön, aber was soll daran ein Dilemma sein, abgesehen von der Tatsache, dass meistens in Zeitungen viele unerfreuliche Nachrichten stehen, ich also in meinem Leseinteresse durchaus gefährdet bin, in eine schlechte Stimmungslage zu geraten?

Nein, da bin ich "abgehärtet", es hängt ausschließlich mit meinem blog zusammen. Seitdem ich mich in ihm äußern kann und gerne etwas schreibe, geistert beim Zeitungslesen automatisch immer ein Gedanke als Begleiter in meinem Kopf herum: Über welche der vielen Nachrichten könnte ich einen eigenen Kommentar verfassen?

Das ist dann zumeist eine solche Fülle, dass ich immer vor einem Berg von Anregungen stehe und nicht weiss, was ich davon auswählen soll. Ein Problem ist zusätzlich, dass die Aktualität mancher Themen schnell schwindet; wenn ich nicht "zupacke", langweile ich Tage oder Wochen später sicherlich potentielle Leserinnen und Leser. Außerdem will mit der nächsten Zeitung bereits der nächste Berg wieder bestiegen werden...

Am 28.2.2010 habe ich diese allgemeinen Aussagen noch mit den konkreten Nachrichten "unterlegt", die mich bei der Abfassung dieses blogs so beschäftigt haben. Vgl. den II. Teil!

Montag, 15. Februar 2010

Heiner Geißler und Attac

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Mein nächster blog-Eintrag über Heiner Geißler ist eine unmittelbare Ergänzung des vorvorhergehenden über den Attac-Kongress von 2009. Ich bin dabei immer noch über mich selbst überrascht. Aber auch ich kann offensichtlich noch lernen! Ich hätte früher nämlich niemals gedacht, dass ich so eindeutig die Aussagen eines CDU-Politikers unterstützen und wirklich gut finden könnte, denn ich habe mich Zeit meines Lebens in "linkeren Gefilden" angesiedelt gefühlt. Und dann auch noch Aussagen von einem Heiner Geißler, der in früheren Jahren gegen politische Gegener "kräftig im Austeilen" war und überhaupt nicht zu meinen Freunden zählte. Aber offenbar gehört er zu der Garde älterer CDU-Sozialminister, die, wie auch Norbert Blüm, ihr Amt seinerzeit mit hohen ethischen Ansprüchen verbunden haben und die "Neuerungen" der letzten Jahre nicht mehr gutheißen mögen. Vermutlich, weil sie Anhänger der katholischen Soziallehre sind, eine hohe ethische Messlatte!

So ergreife ich bei derart geäußerten Argumenten die ausgestreckte Hand, schlage ein und nehme die folgenden Äußerungen von Heiner Geißler in den Schatz der Aussagen besonderer Autoren auf, von denen ich lerne und die ich anderen anempfehle!


Weltethos

Für die internationalen politischen und ökonomischen Beziehungen sind wichtige Voraussetzungen vorhanden. Wie schon Hans Küng mit seinem Projekt Weltethos nachgewiesen hat, gibt es in allen Religionen der Welt ethische Grundprinzipien, die auch von den interkulturellen philosophischen Bewegungen geteilt werden. Sie kommen zum Beispiel in der Weltethoserklärung des Parlaments der Weltreligionen und der Erd-Charta zum Ausdruck. Es gibt eine ethische und multikulturelle Weltgesellschaft. Ihre Mitglieder sind Christen, Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten, Animisten, aber auch Atheisten - also die Bürgerinnen und Bürger der fünf Kontinente, die sich unabhängig von ihrer Hautfarbe und ihrer Religion auf ein gemeinsames Programm der Humanität einigen können - zumindest auf die goldene Regel: "Gibt es ein Wort, das ein ganzes Leben lang als Richtschnur des Handelns dienen kann?" wurde Konfuzius gefragt. Seine Antwort war: "Das ist Gegenseitigkeit (chinesisch: shu)." Gegenseitige Rücksichtnahme ist die goldene Regel für das Zusammenleben der Menschen. "Was du selbst nicht wünschest, das tue auch nicht anderen." Jesus hat es positiv gesagt: "Alles was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut auch ihnen."

Allerdings müssen die Völker der Welt, vor allem ihre politischen Führer, noch einen Schritt weitergehen, nämlich die menschliche Würde uneingeschränkt anerkennen und schützen. Nur dann ist ein Fundament vorhanden für gemeinsames politisches Handeln. Es genügt nicht, den Schutz der Menschenwürde und der daraus resultierenden Menschenrechte verbal anzuerkennen, sondern die Menschenrechte müssen in den Gesetzen der Staaten als unmittelbar geltendes Recht verankert werden. Das ist ein großes Ziel, aber was in Europa, dem in der Weltgeschichte am schlimmsten von Hass und Unterdrückung zerrissenen Kontinent, gelungen ist, kann auch auf der ganzen Erde durchgesetzt werden. Jedenfalls darf dieses Postulat nicht weggeworfen werden. Hinzu kommt, dass alle Staaten und ihre Einwohner gegenüber zukünftigen Generationen für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen verantwortlich sind.

Globaler Marshallplan für die Millennium-Entwicklungsziele

Eine neue Weltpolitik ist unausweichlich. Die Folgen der unregulierten Globalisierung sind wachsende Armut, Verteilungskonflikte zwischen Nord und Süd, Flüchtlingsbewegungen, kulturelle Konflikte, eine Zunahme des Terrorismus, Kriege und Umweltkatastrophen. Die negativen Folgen treffen die überwiegende Mehrheit der Menschen, vor allem in der südlichen Erdhälfte mit ihren Megastädten, was aber auf den Norden zurückwirkt. Es gibt daher keine Alternative zu einem verbesserten und für alle Staaten verbindlichen globalen Rahmen für die Weltwirtschaft. In diesem Rahmen müssen die ökonomischen Entwicklungen in Einklang gebracht werden mit den Erfordernissen der Umwelt, der humanen Grundrechte und der kulturellen Vielfalt auf dieser Erde. Die Voraussetzung hierfür ist ein hohes Maß an Toleranz und ein gemeinsamer Lernprozess von Nord und Süd, der in einen fairen globalen Vertrag münden muss.

[...]

(farbliche Hervorhebungen von Jürgen Lüder)

Die mehr praktischen Ausführungen für die Möglichkeiten einer Umsetzung lese man selbst im Attac-Kongress-Bericht nach! Die von mir zitierten Passagen sind entnommen dem Beitrag von Heiner Geißler aus dem Schluss-Forum des Kongresses v. 6. bis 8. März 2009 in Berlin:

Heiner Geißler: Die Utopie einer neuen Weltwirtschaftsordnung. - In: Robert P. Brenner, Daniela Dahn, Friedhelm Hengsbach, Saskia Sassen u.a.: Kapitalismus am Ende? Attac: Analysen und Alternativen. - Hamburg: VSA-Vlg. 2009. S. 231 - 234. Zitat S. 231 - 232.

Reminiszenzen: Abschied vom Fach "Psychologie"

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Es ist kein neues Thema, darum habe ich es unter die Überschrift "Reminiszenzen" gestellt. Für Abschiede entwickle ich mich ansonsten z.Zt. zum Experten, es muss wohl mit meinem Alter und meiner jetzigen Rolle in der Gesellschaft zusammenhängen...

Der konkrete Abschied war mein Austritt aus dem Verband der Psychologielehrerinnen und Lehrer, denn nach meinem Abschied von der Schule habe ich in einschlägigen Verbänden und ihren unumgänglichen Mitgliedsbeiträgen keinen Sinn mehr für mich gesehen, irgendwie aber auch sehr schade... In meinem Abschiedsbrief habe ich aber noch einmal zu meiner Psychologie-Lehrer-Sitation an meiner früheren Fachschule Stellung bezogen und den m.E. unsinnigen "Reformen" in diesem Bereich, die uns "von oben" ohne Rücksprachen (ich bin - trotz langjähriger Erfahrungen - niemals in diesem Zusammenhang zu einer beratenden Kommission eingeladen worden) aufgezwungen wurden. Ich zitiere aus meinem eigenen Brief (v. 10.1.2009):

[...]

Seit Sept 2008 bin ich aus dem aktiven Schuldienst ausgeschieden. [...] Ich beende deshalb meine Mitgliedschaft [...]

Falls es jedoch irgendwann einmal die Möglichkeit/Notwendigkeit geben sollte, für die Existenzberechtigung des Faches "Psychologie" einzutreten, könnten sie weiterhin mit mir rechnen! In meiner Sonderform von Schule ("Fachschule für Sozialwesen") wurde "Psychologie" bereits vor Jahren im Zuge der "Reformen" um die Lernfelddidaktik abgeschafft und als eine der "Früchte" in die große "Fruchtmarmelade" des jetzigen Unterrichts eingerührt. Ohne klare Verortung und Qualifizierung der einschlägigen Lehrkräfte m.E. eine deutliche Verschlechterung für die Vermittlung weiterhin bedeutsamer psychologischer Inhalte.

[...]

(farbliche Hervorhebung durch den Autor.)

Keine Konsequenzen aus der Finanzkrise

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Bereits in meinen Beiträgen vom 1.2.2010 und 26.1.2010 habe ich beklagt, wie die Finanzkrise von Politik und Wirtschaft mehr oder weniger sang- und klanglos "ad acta" gelegt worden ist, kein Hahn mehr danach kräht und das große Weh - und - Ach in der Bevölkerung erst dann einsetzen wird, wenn der Finanzminister die vermutlich unausweichlichen Streichungen durchführen wird, um die immensen Kosten der Bankenrettung zu bezahlen. Es müsste schon ein Wunder geschehen, wenn diese "Umschichtungen" zu Gunsten des notleidenden (und mittlerweile wieder horrende Gewinne einfahrenden) Finanzwesens nicht zu Lasten des Sozial-, Bildungs- und Kulturetats gingen!

Das Gedächtnis der Menschen ist kurz, außerdem hat dieses Thema keine große Medienpräsenz mehr, welcher Schalk würde da böse sein und einen Zusammenhang mit anderen Interessen behaupten?

Vor knapp einem Jahr hatte Attac in Berlin v. 6. bis 8. März 2009 einen großen Kongress zu diesem Themenkreis veranstaltet. Ich habe gerade noch einmal den Band mit allen Vorträgen und Diskussionen in die Hand genommen.

Damals wie heute ist die Abschluss-Erklärung des Kongresses sowohl visionär als auch noch nicht eingelöst. Ich möchte einen Auszug daraus in meinem blog zitieren:

Ein Systemwandel ist nötig. Hin zu einer demokratischen Ökonomie, die am Wohl aller orientiert ist; die Mensch und Umwelt ins Zentrum stellt und nicht den Profit... Eine solidarische Gesellschaft entsteht nur durch Druck von unten. Den müssen Menschen auf allen Erdteilen gemeinsam entfalten. Nur in einer breiten Koalition von Bewegungen, Gewerkschaften, Sozialverbänden, NGOs, Kirchen und vielen anderen lassen sich tatsächliche Veränderungen erkämpfen... Lasst uns gemeinsam die Krise zur Chance für eine andere Welt machen!

(Zitiert aus dem Vorspann des Buches: Robert P. Brenner, Daniela Dahn, Friedhelm Hengsbach, Saskia Sassen u.a.: Kapitalismus am Ende? Attac: Analysen und Alternativen. - Hamburg: VSA-Vlg. 2009.)

Sonntag, 14. Februar 2010

Noch einmal: Erika Steinbach

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Ganz frisch nach meiner heutigen Zeitungslektüre unseres hiesigen Reklame-Blättchens "Märkischer Sonntag", das etwas aus dem Rahmen fällt, denn anders als ähnliche Blätter enthält es sogar auf den ersten beiden Seiten einen politischen Teil (14.2.2010):

Als "Zitat der Woche" steht dort auf S. 2:

"Union und FDP haben sich erpressen lassen. Im Alleingang hat Frau Steinbach ein parlamentarisch verabschiedetes Gesetzt gekippt."

(SPD-Fraktionsschef Frank-Walter Steinmeier zum Kompromiss im Streit um die
Vertriebenenstiftung)

Freitag, 12. Februar 2010

Lieblingszitate CIV

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Starker Tobak, kräftige Worte! Diese Aufforderung hat Albert Einstein in einem Aufruf an die "liebe Nachwelt" gerichtet. Offensichtlich weiter aktuell!!!


Wenn ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger sein werdet, als wir sind bzw. gewesen sind, so soll euch der Teufel holen.


Gefunden in dem Beitrag von Ulrich Schnabel über Albert Einstein in: ZEIT Geschichte. Sonderbeilage zu Nr. 47/November 2009. Vordenker, Vorbilder, Visionäre. 50 Deutsche von gestern für die Welt von morgen. S. 16.

Freitag, 5. Februar 2010

Lieblingszitate CIII

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Aber das Glück


Das Glück ist kein Flugzeug,

hat keinen Fahrplan,

keinen Lufthafen.

Ein großer Vogel,

der einen kleinen

auf seine Fittiche nimmt.

Irgendwo.


Hilde Domin



Aus: „Poesie-Kiste“, Rowohlt –Vlg., gefunden in Cosmopolitan 7/1982


[In meiner Sammlung seit dem 26.12.1982]

Mittwoch, 3. Februar 2010

Hans-Jochen Jaschke schreibt über Erika Steinbach

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In meinem letzten blog habe ich mich zu Erika Steinbach und ihren m. E. peinlichen Bemühungen geäußert, in ungebührlicher Weise Einfluss auf die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" zu nehmen. Ich möchte meine Argumentation untermauern durch Aussagen des Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke, selbst Mitglied im Stiftungsrat, der in der ZEIT 3/2010 v. 14.1.2010 eine Stellungnahme zu den aktuellen Vorkommnissen veröffentlicht hat. Ich zitiere Auszüge aus seinem Artikel:

Nicht in meinem Namen

Erika Steinbach schadet der Idee der Versöhnung - dabei hat sie kein Recht, für alle Vertriebenen zu sprechen

Ich protestiere. Die junge Idee einer Versöhnung der Erinnerung an Flucht und Vertreibung, einer Heilung des Gedächtnisses im Herzen Europas hat keine Entwicklungschancen, wenn Macht und Interessen nach ihr greifen wollen, wenn sie dem Wind von Stimmungen und Misstrauen ausgesetzt bleibt. Ich protestiere: als Bürger, als Schlesier, als Mensch in kirchlicher Verantwortung. Diese Idee, verkörpert in der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" braucht Schutz. Wir müssen Schaden von ihr abwenden. [...] Was sollen wir von politisch handelnden Personen halten, wenn sie öffentlich Bedingungen stellen, wie es Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, kürzlich getan hat? Wenn sie Druck aufbauen um die Idee der Versöhnung herum und im eigenen Sinne Einfluss nehmen wollen auf ihre Verwirklichung? [...]

Ich war ein vierjähriger Junge, als meine Mutter, 32-jährig, mich in Beuthen, Oberschlesien, an die Hand nahm, weg von der nahenden Front, auf der Flucht vor den Russen. [...] Bis heute bin ich natürlich Schlesier. Die alte Heimat habe ich wiederholt besucht. Ich sehe, wie die Menschen dort leben. Ich freue mich über das wachsende Europa mit vielen unterschiedlichen Heimaten. Vertriebenenverbände haben für uns nie eine größere Rolle gespielt. Sie haben ihre Verdienste. [...] Aber ihre Politik muss ich als Vertriebener nicht unbedingt teilen. Verbände sind nicht die gewählten Volksvertreter, auch nicht die Interessenvertreter der Vertriebenen als solche, auch nicht all ihrer Mitglieder. [...]

Die vielen Millionen Opfer von "Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen" (so die Satzung der Stiftung) haben ein Recht auf Erinnerung. Über die Opfer des Naziterrors in deutschem Namen, über die Opfer des menschenmordenden Kommunismus darf nicht eine brutale Walze der Entwicklung hinwegrollen. Jeder, jede Einzelne, alle gemeinsam - wir dürfen unsere Geschichte nicht verlieren. Sie gibt uns Würde und Wert: unserem Lieben und Leiden, unserem verantwortlichen Handeln, unserem beschämenden Versagen. Heilung muss heißen: das Schweigen, alle Redeverbote brechen. Heilung heißt: der Wahrheit die Ehre geben, und zwar auf allen Seiten. [...]

Keine Seite darf in Verdacht stehen, der anderen ihre Geschichte nehmen zu wollen. [...] Aber auch die anderen mögen begreifen: Das bittere Unrecht an Millionen von Deutschen - einmalig in der Geschichte - wird nicht dadurch zu Recht, dass es eine Folge deutscher Untaten war, dass es nach ihnen geschehen ist. Ein Raum des Respekts und des Vertrauens braucht den Geist der Freiheit und Unabhängigkeit. Trauen wir der Wahrheit, die sich durchsetzen wird, wenn sich wahrhaftige, kluge, sachkundige Persönlichkeiten auf allen Seiten ihrer annehmen.

Und die Politik?

Kluge Politik mit Diskretion und Augenmaß ist gefragt. Schrille Töne, versuchter Druck, Rechthaberei können nur weiteren Schaden anrichten. [...] Frau Steinbach muss wissen, dass ihr Name, warum auch immer, Anlass zu Verhärtungen und Frontbildungen gibt. Er macht die Akzeptanz der jungen Idee unerträglich schwer. Frau Steinbach möge Größe zeigen und sich zurücknehmen. So gibt sie den Weg für neues Leben frei. [farbliche Hervorhebung durch J.L.]

Eitelkeiten alternder berühmter Männer - Fortsetzungen in der Damenwelt

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Am 13.11.09 habe ich einen blog-Beitrag mit dem Titel "Eitelkeiten alternder berühmter Männer" verfasst und bezog mich dabei speziell auf Nicolas Sarkozy (als "Mauerspecht"), Thilo Sarrazin und Peter Sloterdijk, die es seinerzeit (und weiterhin mit großem Erfolg!) geschafft hatten, mit ihren z.T. etwas "schrägen" Aussagen die Schlagzeilen und die Feuilletons zu beherrschen. Wenn Berühmtheit mit Bekanntheit gleichzusetzen ist (mit Sicherheit hingegen nicht mit überragenden Leistungen für die Allgemeinheit), so haben diese Herren vortrefflich an ihrem Ruhm gestrickt...

Ich will mich aber nicht sexistischer Tendenzen schmähen lassen! Auch Damen in ähnlichen Altersgruppen können sehr ehrgeizig und ruhmessüchtig sein. Wie anders soll man sonst das Verhalten von Erika Steinbach interpretieren? Ginge es ihr und ihrem "Bund der Vertriebenen" bei der Errichtung der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" vorrangig wirklich um die Sache, nämlich um die Bearbeitung des unsäglichen Leids im Gefolge des II.Weltkriegs für die Zivilbevölkerungen aller betroffenen Länder, um die Entstehung einer Erinnerungskultur für dieses traumatisierende Geschehen auf allen Seiten und besonders um alles das, was Versöhnung zwischen den Betroffenen und mittlerweile auch den späteren Generationen möglich macht, dann würde sie ihre Person nicht so wichtig nehmen, könnte "ins zweite Glied zurücktreten" und müsste nicht weiterhin um Machtpositionen pokern und kungeln. Was sie stattdessen praktiziert, bietet einen beschämenden Anblick auf Machthunger, besonders im Hinblick auf die damit gezeigte fehlende Bereitschaft zur Versöhnlichkeit, die das Ansehen unseres Landes im (nicht nur östlichen) Ausland in Misskredit bringt. Peinlich!!




Ich habe auch ein persönliches Anliegen, mich bei diesem Thema zu engagieren: Die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" wäre ebenfalls ein Ort des Gedenkens für all das Leid, das meiner Familie widerfahren ist. Ich denke dabei besonders an meinen kurz nach Kriegsende in Berlin verhungerten Großvater und an meine tapfere Mutter, die mit zwei Kindern und ihren Eltern 1945 wochenlang "unterwegs" war und offensichtlich Traumatisches miterleben musste. Aber wer war damals nicht traumatisiert!? Ich hatte das große Glück, erst 1947 geboren zu werden, habe aber alles Vergangene irgendwie "mitgeerbt", insbesondere die Entwurzelung meiner Eltern und ihr offensichtliches Gefühl, in der neuen Heimat fremd zu sein. Ich erinnere mich, wie meine Mutter in meiner Kindheit immer wieder Szenen der Flucht erzählte, mit leuchtenden Augen, so dass ich als Kind den falschen Eindruck gewann, alles sei eher ein Abenteuer gewesen. Einige Jahrzehnte klüger, weiss ich aber mittlerweile, dass traumatisierten Menschen immer wieder die immer gleichen Szenen in den Sinn kommen, ohne erkennbare Verarbeitung.

Von ihrer Biografie her ist Frau Steinbachs Situation nicht sehr verschieden von der meiner Familie und insbesondere der meines älteren Bruders, der nach dem Umzug meiner Eltern 1939 im damaligen Landsberg/Warthe (dem heutigen Gorzow Wiecepolsci) geboren wurde. Er hat dadurch zwar dort die prägenden ersten Lebensjahre verbracht, Landberg war aber nur eine kurze Zeit seine "Heimat" und die meiner Eltern, ganz im Gegensatz zu Familien, deren Vorfahren schon über Generationen in dem Ort gelebt hatten, von dem aus sie ihre Flucht antreten mussten. An den für alle gleichen Schrecken der Flucht ändert das nichts, aber bei den alt eingesessenen Familien können natürlich ganz andere Familientraditionen und Besitztümer mitbetroffen sein.

Wie unterschiedlich ist aber unser Umgang mit der Vergangenheit! Frau Steinbach engagierte sich in der Politik und in Vertriebenenorganisationen und brachte sich noch 1990 gegenüber den Polen in den Verdacht, "revanchistische Positionen" zu vertreten, als sie im Bundestag gegen die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze stimmte. Mein Bruder und ich hingegen bewunderten die Ostpolitik Willy Brandts und seine große Geste im Warschauer Ghetto. Wir fuhren bereits in den 7oer Jahren mehrmals mit einer Studentengruppe nach Polen und erlebten eine freundliche Aufnahme dort. Gelebte Versöhnung! Ich werde diese Eindrücke nie vergessen!

Das derzeitige "Theater" stellt alle derartigen Errungenschaften wieder in Frage und konterkariert ein verständnisvolles, im besten Falle vielleicht irgendwann sogar freundschaftliches Miteinander der Menschen in den verschiedenen Ländern Europas. Erika Steinbachs Blick scheint in die Vergangenheit gerichtet zu sein, nicht in die Zukunft.

Dienstag, 2. Februar 2010

Spielend gesund bleiben

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Dass das Spielen für Kinder ganz wesentliche entwicklungsfördernde Funktionen hat, ist in Psychologie und Pädagogik schon "ein alter Hut". Dass es aber auch für Erwachsene sehr bedeutsam sein kann, dürfte eher eine neue - sehr sympathische!! - Entdeckung sein.

Darüber berichtete Anna Gielas in einem der letzten Hefte von Psychologie Heute im Jahr 2009 (leider habe ich "gefuscht" und mir die genauere Quelle nicht notiert) in dem Artikel:

Spiel mal wieder!
Erwachsene, die das Spielen für sich wiederentdecken,
können dem Burn-out entgehen

Spielen hat allerdings bei Erwachsenen weniger mit Lernprozessen wie bei den Kindern als vielmehr mit einer verbesserten Stressbewältigung im Alltag zu tun. Der Amerikaner Marc Bekoff schlägt dafür Spielformen vor, denen allen gemeinsam ist, kreativ zu sein, keine üblichen festen Regeln einhalten zu müssen und Spaß zu empfinden, sei es nun im Bewegungsbereich, z.B. beim Tanzen, beim kreativen Herstellen irgendeines Objekts oder bei einer lustigen Beschäftigung mit Freunden.

Das erinnert mich dann allerdings an das schöne Thema "Muße", über das ich in meinem blog bereits einen eigenen Artikel "aus früheren Jahren" veröffentlicht habe (Eintrag vom 23. Juni 2009: "Reminiszenzen - Erziehung zur Mußefähigkeit" ), also insofern doch "ein alter Hut"! Egal, Hauptsache es wirkt!

Noch als wörtliches Zitat der letzte Absatz des vorgestellten Artikels von A. Gielas:

Wer nach wie vor nicht weiß, welcher Spielart er nachgehen soll, für den hat Brown einen weiteren Tipp: Man solle sich an seine Lieblingsspiele aus der Kindheit erinnern und sie an heutige Gegebenheiten anpassen. So können sie erneut zu einem unterhaltsamen Zeitvertreib werden. "Es kommt nicht darauf an, wie man spielt, sondern dass man überhaupt spielt", betont Bekoff. "Denn die Energie und Motivation, die man aus den Spielen schöpft, sind wertvolle Ressourcen für die Herausforderungen des Alltags." [Hervorhebung von J.L.]

Na, dann spielt mal schön!!


www.sanktionsmoratorium.de

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Hinter dieser website verbirgt sich eine Aktion zugunsten von Hartz-IV-Empfängern, die von der Arbeitsagentur oft schon wegen kleinerer Probleme Sanktionen ausgesprochen bekommen, d.h. Straf-Kürzungen ihrer eh' schon sehr bescheidenen Zahlungen.

Die "üblichen Verdächtigten", d.h. kritische Künstler und Intellektuelle, Linke und Gewerkschafter haben bisher diesen Aufruf unterstützt, der schon seit Monaten im Netz steht. Aber für eine Unterstützung ist es nie zu spät! Meine Unterschrift vom 29.1.2010 war die 17.216.!

Zur Erläuterung zitiere ich eine Kurznachricht aus ver.di Publik (8/9 v. 2009).

Sanktionen aussetzen

Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske gehört ebenso wie der Kabarettist Dieter Hildebrandt, der Musiker Sebastian Krumbiegel (Die Prinzen), der Journalist Günter Wallraff und der Schriftsteller Günter Grass zu den Erstunterzeichner/innen eines Aufrufs, in dem sie sich für ein Aussetzen des Sanktionsparagrafen bei Arbeitslosengeld-II-Bezieher/innen einsetzen. Sie fordern, dass das Existenzminimum nicht angetastet werden dürfe.

Auf www.sanktionsmoratorium gibt es weitere Hinweise und Begründungen! Unterschreiben sicherlich sehr sinnvoll!!

Montag, 1. Februar 2010

Das Bankentribunal von attac im April in Berlin!

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In meinem blog v. 26.1.10 habe ich bereits einen Ver.di-Text zum Thema "fehlende Aufarfbeitung des Finanz-Crashs" ("Die Zocker sollen zahlen!") weitergeleitet und mich dabei über das verstummte öffentliche Interesse an der "Jahrhundertkrise" mokiert. Heute möchte ich das Thema erneut aufgreifen, und zwar im Hinblick auf eine geplante Veranstaltung von attac im April in Berlin:

Da Politik und Öffentlichkeit stumm sind, soll in einer symbolischen Form die fehlende öffentliche Untersuchung und mögliche Verurteilung von Verantwortlichen nachgeholt werden, und zwar im

Bankentribunal. Von Räubern, Rettern und Renditen. 9. - 11. April 2010 in Berlin (www.attac.de/bankentribunal).

Im attac-Rundbrief 01/10 schreibt als Begründung für diese Veranstaltung Werner Rügemer:

Die Banken haben einen globalen Bankrott hingelegt. Sie verursachen die Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen, sie stürzen weltweit Menschen ins Elend. So haben sie sogar in der "freien Marktwirtschaft" eigentlich ihr Existenzrecht verwirkt. Sie müssten auf dem Müllplatz der Geschichte verschwinden. Aber sie machen nach einer kurzen Schamfrist weiter wie bisher - mit der Komplizenschaft der Regierungen. Gemeinsam bluten sie die Staatshaushalte noch weiter aus und bereiten renditegierig die nächsten Krisen vor. Die Brandstifter spielen Feuerwehr und halten die Lunte an das nächste Feuer.

Wir haben beschlossen, endlich öffentlich zu sagen: Nein! Nicht weiter so! Im Namen der Mehrheit der Menschen nehmen wir uns das Recht, die Banken und Regierungen vor ein freies und demokratisches Tribunal zu bringen. Vom 9. bis 11. April 2010 klagen wir in der Berliner Volksbühne Verantwortliche an, die stellvertretend für viele weitere Akteure und Mitläufer stehen. [...]

Die Anklagen lauten: Entwicklung und gesetztliche Zulassung krisenverursachender Finanzpraktiken, organisierte Geheimhaltung; Verletzung der Aufsichtspflicht; Deckung von Betrug; Desinformation der Öffentlichkeit; Unterlaufen der Haushaltshoheit des Parlaments; Erpressung und gezielte Verschuldung des Staates; Zerstörung der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen; Vorbereitung der nächsten Krise. [...]

Wir laden die Zivilgesellschaft ein, öffentlich klarzustellen: Es gibt Alternativen zum herrschenden Bankensystem.

Dinosaurier: solche und solche

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Als ich mich bei der Namensgebung meines blogs auf die Dinosaurier stützte, hatte ich zwar eine ausgestorbene Spezies im Auge, aber als symbolischen Vergleich für den Verlust einer Lebenskultur. Diesen begleite ich mit Wehmut und leichter Trauer, immer noch in der Hoffnung, dass einige "dinosaurische", also "altmodische" Wertvorstellungen, doch noch eine Renaissance und Wiederbelebung erleben könnten.

Natürlich habe ich damit das Bild des Dinosauriers als Ausdruck für positive, leider entschwindende Lebenskräfte nicht gepachtet. Es gibt Leute, die meinem Bild viel weniger schmeichelhafte Züge verleihen, so dass es eher als Wohltat erscheint, wenn Dinosaurier endlich verschwinden ...

Ich denke da an das Interview aus dem neuesten attac-Rundbrief (Nr. 01/10, darin S.2), in dem Peter Wahl, eines der Gründungsmitglieder des Netzwerks, eine Stellungnahme zum zehnjährigen Jubiläum von attac-Deutschland abgibt. Gemessen an den Problemlagen hätten wir ein verlorenes Jahrzehnt hinter uns, zu dessen besonderen Merkmalen "die Ära des Dinosauriers George Bush" gehöre. Nicht schmeichelhaft für meine Spezies, aber in dieser Zuschreibung muss ich ihm leider Recht geben ...

Aber wie gesagt, es gibt solche und solche, und niemand hat heutzutage mehr eine Deutungshoheit und die alleinigen Rechte über einen vieldeutigen Begriff ...

Weisheit

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Weisheit - das war für mich früher eine so weit entfernte Eigenschaft/Fähigkeit, dass ich mich mit diesem Thema kaum auseinandergesetzt habe. Jenseits unerreichbaren Ruhms und Ehre erscheint es mir aber zunehmend als ein erstrebenswerter Zustand. (Allein der Bezug zu Ruhm und Ehre zeigt aber wohl doch, dass dies ein Bereich ist, bei dem ich noch einiges zu erlernen habe...) Immerhin beschäftige ich mich jetzt aber mit dieser Fragestellung.

Da kam mir der folgende kleine Text gerade recht, den ich hier wörtlich wiedergeben möchte.
Es handelt sich um die Ankündigung einer Sonderausgabe des Publik-Forums:


Weisheit

Das denkende Herz

Weisheit hat mit Lebenserfahrung zu tun. Ursprünglich bedeutet das Wort weise: klug, wissend, lebenserfahren. Aber Lebensalter allein macht nicht weise. Man kann sich viel Wissen aneignen in einem langen Leben und doch dumm bleiben. Man kann forschen, kämpfen, analysieren, ins äußerste Weltall vordringen, der Weise wird am Ende doch mehr sehen, tiefer sehen, weiter, sogar im Sitzen. Woran mag das liegen?

Zwei Grundhaltungen, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, machen Weisheit aus: ein Stück Abstand zum Leben und zugleich ein tiefes Einvernehmen.

Gefunden in: Publik-Forum 2/2010 v. 29.1.2010. S. 31. Angekündigt wird dort das Publik-Forum EXTRA "Weisheit" mit einer größeren Zahl einschlägiger Artikel.

Lieblingszitate CII

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[Über das Alter]

Vom Standpunkt der Jugend aus gesehen, ist das Leben eine unendliche Zukunft; vom Standpunkt des Alters aus, eine sehr kurze Vergangenheit ... Man muss alt geworden sein, also lange gelebt haben, um zu erkennen, wie kurz das Leben ist.

Gottfried Keller


aus Gottfried Kellers Tagebuch, zit. in einer Buchbspr. v. Anne Fredriksen in DIE ZEIT 24/85.

[In meiner Sammlung seit dem 8.6.1985.]

Lieblingszitate CI

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Was ein Alter im Sitzen sieht,
kann ein Junger nicht einmal im Stehen erblicken.

Nigerianisches Sprichwort

Gefunden im Publik-Forum 2/2010 v. 29.1.2010. S. 31.