Donnerstag, 30. Dezember 2010

Sir Elton John junior

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Anfang Dezember habe ich hier auf meinem blog von einer 64jährigen Schweizerin berichtet, die aufgrund einer Eizellenspende ein Kind zur Welt gebracht hat ("Gott spielen", 8.12.2010).

Irgendwie liegt die folgende Nachricht (t-online, 28.12.2010) auf der gleichen Linie, dem Überschreiten bisheriger Grenzen, die durch unsere menschliche Existenz gezogen sind, sich aber mit heutigen biologischen und sozialen "Tricks" ausmanövrieren zu lassen scheinen (wenn man die Spätfolgen ausklammert):

Sir Elton John im Vaterglück

Sie sind Papa: Sir Elton John und sein Mann David Furnish sind Väter geworden - das berichtet das US-Magazin UsMagazine.com in New York. Demnach wurde der kleine Zachary Jackson Levon Furnish-John am 25. Dezember im US-Staat Kalifornien von einer Leihmutter zur Welt gebracht.

Das Gewicht des Jungen betrug 3580 Gramm. "Wir sind in diesem speziellen Moment überwältigt von Glück und Freude", erklärte das schwule britische Paar in einer gemeinsamen Mitteilung. "Zachary ist gesund und ihm geht es gut, wir sind sehr stolze und glückliche Eltern." Für das seit 2005 verheiratete Paar ist es das erste Kind.

Ein Sprecher von John (63) und Furnish (48) erklärte, dass die beiden das Privatleben der Leihmutter strikt schützen und keine Details über die mit ihr getroffenen Vereinbarungen bekanntgeben werden. Wer von den beiden der biologische Vater ist, teilte das Magazin nicht mit.

Wenn die beiden Sehnsucht nach einem Kind gehabt hätten und eine gute soziale Tat tun wollten, so hätten sie in dieser Welt sicherlich viele Gelegenheiten gefunden, dies zu verwirklichen. So haben sie sich aber wie die Schweizerin auf die mit ihr gemeinsame Ebene begeben, "Gott" zu spielen und etwas zu verwirklichen, was nicht wirklich geht, denn es reicht über die normale Form einer Adoption weit hinaus.

Ich spreche mich dabei nicht gegen Ehen zwischen homosexuellen Männern oder lesbischen Frauen aus. Es ist aber eine Sondersituation und nur durch "Mogelei" lässt sich diesen Beziehungen ein eigenes Kind hinzufügen. Gut, ich gehöre nicht zu diesem Personenkreis und kenne vielleicht die verzehrenden Gefühle nach einer Erweiterung der Beziehung um ein Kind nicht. Aber zu jedem Leben gehört manchmal auch ein Verzicht, wenn die existentiellen Bedingungen es gebieten. Ein Überschreiten mit Kunstmitteln kostet immer auch einen Preis. Und den wird irgendwann in diesem Fall wahrscheinlich Zachary Jackson Levon Furnish-John zahlen: Was für ein Identitätsgefühl wird er einmal herausbilden? An seine Kindheit werden ihn tüchtige Ammen und Kinderfrauen erinnern, die ihn großgezogen haben, oder wollen Elton und David selbst seine Windeln wechseln? Nach allem meinen Wissen über Menschen, die als Kleinkind adoptiert wurden, ohne sie rechtzeitig aufzuklären, dass sie nicht bei ihren leiblichen Eltern/Mutter aufgewachsen sind, bleibt in ihrem Leben ein dunkles Geheimnis. Und irgendwann wird es gelüftet werden müssen oder sich eine Auflösung ereignen. Dann treibt es sie umher herauszufinden, wer denn ihre biologischen Eltern sind und warum diese sie nicht großziehen konnten oder wollten. Ein schweres Schicksal! Das Kind der beiden Männer wird sich früh dieser Problematik stellen müssen. Ich wünsche ihm sehr, dass es eine guten Weg dabei finden kann.

Lieblingszitate CLII: Über die Stille

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Die einzige Offenbarung ist die Stille.

Laotse


Dies ist die dritte Aussage aus der am 28.12.2010 begonnenen "Triologie"!

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Lieblingszitate CLI: Die längste Reise ...

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Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.

Laotse

Tao Te King, aus Vers 64


Das ist die zweite Kostprobe meiner geistigen "Eroberungen" aus dem Dahlemer Museum ! (Vgl. meinen blog v. 28.12.2010)

Dienstag, 28. Dezember 2010

Lieblingszitate CL: Vom Anfangen

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Der Mann, der den Berg abtrug, war derselbe, der anfing, kleine Steine wegzutragen.

Konfuzius


Diese Weisheit verdanke ich - wie schon das vorhergehende Märchenzitat - indirekt ebenfalls meinem kleinen Sohn, der als begeisterter Museumsfreund mich dazu brachte, mit ihm in Berlin-Dahlem ins Völkerkundemuseum zu gehen. Und dort gab es einen wunderbaren Museumsladen mit schönen Spruch-Postkarten, bei denen ich nicht widerstehen konnte... Dies ist eine Kostprobe davon!

Kleine Lebensweisheiten VI - Der tröstliche Morgen

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Der Morgen ist klüger als der Abend.

Das fand ich mehrfach als Aussage in einem russischen Märchenbuch, aus dem ich z.Zt. meinem Sohn abends vor dem Einschlafen vorlese. Wie tröstlich und aufbauend, wenn abends der Kopf müde und schwer ist! (Da meine Kondition als alter Dino nachlässt, ist das mittlerweile eine häufige Kombination.)

(Aus: Russische Märchen. Übersetzt von Hilde Angarowa. Mit einem Vorwort von E. Pomeranzewa. - Moskau: Vlg. Progress o.J.)

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Weihnachten - nur ein Zitat?

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Es gab eine Phase in meinem Leben, da war ich sehr puristisch: Nur was einer kritisch-historischen Überprüfung standhielt, fand ich akzeptabel. Und die "Leben-Jesu-Forschung" hatte herausgefunden, dass nur wenige der im Neuen Testament geschilderten Ereignisse historisch korrekt wiedergegeben sind. Wie sollte so etwas die Grundlage einer Glaubenslehre sein können?

Heute bin ich nicht gläubiger geworden, gegenüber biblischen Texten aber viel toleranter und anerkennender und kann sie in ihrer Funktion, die keine kritische Geschichtsschreibung, sondern Tendenzliteratur ist, eher verstehen und akzeptieren.

Allerdings war es mit den Texten über Weihnachten ohnehin schon immer etwas anderes für mich als mit denjenigen über das österliche Geschehen und Pfingsten, die mir auch heute noch sehr fremd geblieben sind. Denn welche Wortgewalt spricht aus dem Lukas-Text! Weltliteratur in der Übersetzung von Martin Luther!!

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. [...]

Wie oft habe ich diesen Text seit meiner Kindheit gehört, auch selbst schon vorgelesen, fast rezitiert, denn er gehört zu den wenigen, die ich immer noch nahezu vollständig auswendig kann. Dazu die alten Weihnachtslieder, in denen es tatsächlich noch um Christi Geburt geht, nicht der rührselige Kitsch, der mit dem 19. Jahrhundert in die Welt kam!

Welch ein Ereignis, wenn die Engel auf dem Felde den verängstigten Hirten ihre frohe Botschaft überbringen! Als älterer Gymnasiast sang ich im Kirchenchor die h-moll-Messe von Bach mit. Ein Chorsatz ist der Verkündigung der Engel gewidmet, wenn auch im lateinischen Text. Er ist mir nie mehr aus dem Kopf gegangen:

Et in terra pax hominibus bonae voluntatis!

Weihnachten - ein Symbol für die Chance eines Neubeginns, denn für welch ein anderes Ereignis soll sonst die Geburt eines Kindes stehen? Für die Verheißung von Frieden für alle Menschen, so wie es die Engel der Geschichte verkünden. Und die Aussage, dass es um ganz einfache Menschen geht, die hier eine entscheidende Rolle für das Heil der Welt spielen, keine Fürsten, keine Vertreter weltlicher Macht, ohne Prunk und ohne Reichtum. Ein wunderbares Bild! Auch für mich, dem sonst christliche Theologie fern ist. Und welch ein Auftrag für alle Menschen dieser Erde! Durchaus "kompatibel" mit den ethischen Forderungen und Bildern anderer Religionen und Lehren!

Da macht es mir nichts, dass nach heutigem Verständnis weder Jahr noch Ort der Geburt Christi gesichert sind (wahrscheinlich kam Jesus nie in seinem Leben nach Bethlehem) und dass die "Jungfrauengeburt", die soviel theologischen Streit (mit gefährlichen Konsequenzen für Häretiker, die sie ablehnten) hervorgerufen hat, wahrscheinlich nur auf einem Übersetzungsfehler ins Griechische beruht. Das schmälert in meinen Augen die Sinnhaftigkeit des Bildes der Geburt Christi in keiner Weise.

Lukas war eben auch schon ein "Mann des Zitats", der weniger der Historie verpflichtet war, stattdessen aber in seinem Text, ganz tendenziös, den Auftrag sah, alle Verheißungen der Propheten der jüdischen Tradition zusammenzuführen und zu zeigen, dass sie auf Jesus als Christus zuträfen. Und nach dieser Tradition musste der Heiland der Welt, der Messias, in Bethlehem geboren werden, "um die Schrift zu erfüllen!" Seine Leser werden es so erwartet haben, nicht aber ein historisch abgesichertes Dokument.

Welche anderen zahlreichen "Anleihen" an damals gängige Vorstellungen von Mythen und Göttern im Judentum, bei den Völkern im vorderen Orient und in der hellenistisch geprägten Kultur im Mittelmeerraum in den Bibeltext eingeflossen sein mögen, darüber informiert das folgende Buch sehr trefflich:

Martin Koschorke: Jesus war nie in Bethlehem. 3. Aufl. - Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgemeinschaft 2008.

Kurz dazu ein Zitat aus dem Klappentext:

"Martin Koschorke, Theologe und Soziologe, stellt allgemeinverständlich und lebendig dar, warum die Geschehnisse so und nicht anders erzählt wurden. Damit führt er den Leser ins Innere der Weihnachtsgeschichte und zeigt, dass die emotionale und spirituelle Wahrheit manchmal anders aussieht als die historische. Koschorke hilft, die ursprünglichen Intentionen der biblischen Texte besser zu verstehen." [Text leicht angepasst von J.L.]

Mir hat in diesem Jahr die Beschäftigung mit der Weihnachtsgeschichte unter diesem Blickwinkel dazu geholfen, nicht mehr nur einäugig auf die historischen Fakten zu sehen, sondern mich gleichzeitig auch für die Rezeptionsgeschichte der biblischen Texte zu interessieren, was mein Bild ungemein erweitert.

Ich habe noch einen weiteren Gewährsmann gefunden, der mir die Augen für diese Sichtweise geöffnet hat. Ebenfalls ein sehr empfehlenswerter (und viel kürzerer) Text:

Christoph Levin: Wie aus dem Jesus von Nazareth der Christus von Bethlehem wurde. Die Weihnachtsgeschichte mit den Augen eines Alttestamentlers gelesen. - In: Weihnachten. Publik-Forum EXTRA 6/09. S. 10 - 13.





Meine Weihnachtsgrüße

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Ich wünsche allen meinen Leserinnen und Lesern ein schönes Weihnachtsfest! Denjenigen, denen es glaubensmäßig noch etwas bedeutet, möge es auch ein gesegnetes Weihnachten sein! Den anderen eine Zeit, in der neben all dem Trubel auch Gelegenheit zum Besinnen bleibt und für Gedanken an die Menschen in der Nähe, die Ihnen etwas bedeuten.

Traditionell verschicken meine Frau und ich vor Weihnachten einen Brief an Verwandte und Freunde, den wir mit einem Foto unserer Familie auf "aktuellem Stand" und einer nachdenklichen Geschichte zu Weihnachten schmücken. In diesem Jahr haben wir dafür den Text von den "Löffeln" ausgewählt, den ich auch schon einmal in meinem blog veröffentlicht hatte (12. Oktober 2010). Die Geschichte ist aber so schön, dass ich sie noch einmal anfügen möchte:


Die Löffel

Ein Rabbi kommt zu Gott: "Herr, ich möchte die Hölle sehen und auch den Himmel." "Nimm Elia als Führer", spricht der Schöpfer, "er wird dir beides zeigen."

Der Prophet nimmt den Rabbi bei der Hand. Er führt ihn in einen großen Raum. Ringsum Menschen mit langen Löffeln. In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf. Aber die Menschen sehen mager aus, blaß, elend. Kein Wunder: Ihre Löffel sind zu lang. Sie können sie nicht zum Munde führen. Das herrliche Essen ist nicht zu genießen.

Die beiden gehen hinaus. "Welch seltsamer Raum war das ?" fragt der Rabbi den Propheten. "Die Hölle", lautet die Antwort.

Sie betreten einen zweiten Raum. Alles genau wie im ersten. Ringsum Menschen mit langen Löffeln. In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf. Aber - ein Unterschied zu dem ersten Raum: Diese Menschen sehen gesund aus, gut genährt, glücklich.

"Wie kommt das?" - Der Rabbi schaut genau hin. Da sieht er den Grund: Diese Menschen schieben sich die Löffel gegenseitig in den Mund. Sie geben einander zu essen. Da weiß der Rabbi, wo er ist.

RUSSISCHES MÄRCHEN

gefunden in: Lektüre zwischen den Jahren. Vom Glück. Ausgewählt von Gottfried Honnefelder. - Frankfurt a.M. : Suhrkamp 1985.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

"Euroland wird abgebrannt"

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Unter diesem treffenden Titel fand ich in der neuesten Ausgabe von Ver.di Publik (Nr. 12/2010 v. Dez. 2010) eine kämpferische Analyse des Ver.di-Wirtschaftsexperten Dierk Hirschel. Einiges habe ich durch ihn besser verstanden.

Ich füge ein ausführliches Zitat an:

Untertitel 1: Die Staatsfinanzierung muss von den Kapitalmärkten entkoppelt werden

Untertitel 2: Mit Steuergeld gerettete Banken bestimmen den Preis, zu dem sich Staaten frisches Kapital leihen können

[...]

Kein Wunder also, dass Merkel, Sarkozy und Währungshüter Trichet den Iren das 85 Milliarden schwere Rettungspaket geradezu aufdrängten. Es geht um viel. Die Zukunft der gemeinsamen Währung steht auf dem Spiel. Wenn ein Mitgliedsstaat Pleite geht, wird sehr schnell auch den anderen Schuldenstaaten der Geldhahn abgedreht. Darin ist der Euro Geschichte. Die jüngsten Hilfen für Griechenland und Irland kaufen aber nur Zeit. Die wirklichen Ursachen der Krise des Eurolandes werden nicht angegangen.

Die Staatsfinanzen hängen weiter am Tropf der Kapitalmärkte. Deswegen werben die Staatenlenker verzweifelt um das Vertrauen der Märkte. Ein Stück aus dem Tollhaus. Mit Steuergeld gerettete Banken und Versicherungen bestimmen den Preis, zu dem sich Staaten frisches Kapital leihen können. Rating-Agenturen, die vor der Krise für Schrottpapiere Bestnoten vergaben, urteilen heute über die Kreditwürdigkeit Madrids, Dublins oder Athens. Finanzinvestoren, die noch kürzlich Spareinlagen in den Geisterstädten der Costa del Sol versenkten, sollen jetzt die europäischen Kassenwarte disziplinieren. Die Politik befindet sich noch immer in Geiselhaft der Finanzmärkte. Soll die griechisch-irische Tragödie nicht schon bald in Lissabon und Madrid neu aufgeführt werden, dann muss die Staatsfinanzierung von den Kapitalmärkten entkoppelt werden. Wie in den USA, Großbritannien und Japan sollten sich die Euroländer zukünftig direkt über die Zentralbank finanzieren können. Dann würden sie zum EZB-Leitzins Staatsanleihen ausgeben, die von einer neu zu gründenden Bank für öffentliche Anleihen angekauft und bei der Zentralbank hinterlegt würden. Wenn die Spekulanten nicht mehr mit den öffentlichen Finanzen spielen könnten, macht es auch Sinn, über Umschuldung zu reden.

Damit aber nicht genug. Die Eurokrise hat auch realwirtschaftliche Wurzeln. Der Euroclub ist tief gespalten. In der Belle Etage wohnen hoch wettbewerbsfähige Deutsche, Holländer und Österreicher. Im Keller hausen Spanier, Griechen, Italiener und Portugiesen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Euroländer driftet immer weiter auseinander. Die Starken exportieren Waren und Kapital, die Schwachen versinken im Schuldenmeer. Um aus den Schulden herauszuwachsen, braucht es in den Überschussländern -insbesondere in Deutschland - höhere Löhne und mehr öffentliche Investitionen. Gleichzeitig dürfen die Schuldnerländer nicht weiter ihren Gürtel enger schnallen. Ohne einen solchen politischen Kurswechsel ist das Euroland bald abgebrannt.

[Hervorhebungen von J. L. ]

Samstag, 11. Dezember 2010

Pardon, Herr Sarrazin, aber Sie sind ein Flegel!

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Die neueste Botschaft über Herrn Sarrazin (t-online.de vom 10.12.2010) besagt, dass er Frau Käßmann in einem taz-Interview verspottet hat. Sie habe wohl beim Lesen seines Buches zu tief ins Glas geschaut und deshalb nicht alles verstanden. Impertinent und frech! Irgendwie eines erwachsenen Mannes nicht würdig, deshalb der "Flegel", eine Beschreibung eher für pubertierende Knaben, die sich auf diese Weise Geltung zu verschaffen suchen. Hat der Sarrazin doch eigentlich gar nicht mehr nötig, bei all den vielen Tantiemen, die ihm sein Buch eingebracht hat...

Aber vielleicht ist er es sich selbst schuldig, denn bei allen Äußerungen bzw. Beleidigungen von ihm aus der letzten Vergangenheit (ich meine nicht unbedingt sein Buch, aber seine kessen Worte aus Interviews) bleibt er offenbar seinen inneren Richtlinien treu: Sie strotzen vor Arroganz gegenüber Schwächeren und zeigen, was ich früher einmal als "schizoide Züge" zu benennen gelernt habe: Er hat offenbar einen messerscharfen Verstand für das, was anderen weh tun könnte, weil es so schön "unter die Gürtellinie" geht, und wendet es auch sehr gerne an, während bei anderen Menschen, von etwas mehr Empathie geprägt, gerade diese Erkenntnisse eher Mitgefühl und die Bereitschaft zum Unterstützen hervorrufen würden. Und daneben verfügt er offensichtlich über eine tüchtige Portion Mittelpunktstreben: Er muss wohl seine Sonderrolle immer mal wieder in Erinnerung rufen, damit die Öffentlichkeit ihn nicht vergisst. Marketing für sein Buch oder schlicht die Tatsache, dass niemand so leicht heraus kann aus seiner Haut?

Ob seine große Fan-Gemeinde auch einen Blick für diese Seite ihres Helden hat? Mögen seine Thesen viel in Bewegung gebracht haben, allein schon durch die Tatsache, dass er es "den da oben" gehörig gezeigt hat und nicht kuscht (grundsätzlich sehe ich das als positive Eigenschaften!), aber als ethisches Vorbild eignet er sich wahrlich nicht.

Freitag, 10. Dezember 2010

Der Kniefall


Vierzig Jahre ist es her, dass Willy Brandt in Warschau vor dem Denkmal des Ghetto-Aufstandes niederkniete. Ein berühmtes Bild! Und eine große Geste, wie ich mich an keine zweite in meiner Lebenszeit erinnern kann. Ein Angebot von Versöhnlichkeit und Frieden angesichts einer ungeheuren nationalen Schuld, zu der sich dieser Politiker in Demut vor aller Welt bekennt. Das werde ich ihm nie vergessen!

(Vergessen hätte ich natürlich diesen Jahrestag. Den nötigen Hinweis fand ich in der Berliner Ztg. v. 4.12.2010 in dem Artikel von Jens Mattern: Demutsgeste für die Versöhnung. Vor 40 Jahren ehrte Willy Brandt in Warschau die Opfer der deutschen Gewaltherrschaft.)

Noch einmal: Irland wird kaputt gespart

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Bereits am 30.11.10 habe ich einen blog-Beitrag zu diesem Thema veröffentlicht, seinerzeit unter dem Titel "Erst Griechenland, jetzt Irland, dann ?". Es handelte sich dabei um Auszüge aus dem Attac-Rundbrief v. 26.11.2010.

Heute möchte ich dies noch ergänzen, diesmal um die Interpretation, die Ver.di diesen Vorgängen gibt. (Aus: ver.di Wirtschaftspolitik aktuell Nr. 24 v. Dezember 2010; als Email bei mir eingegangen am 3.12.2010. Abrufbar unter wipo.verdi.de.)



WIPO.VERDI.DE : … und jetzt Irland …


Ein Rettungspaket nach dem anderen – nach den Griechen sind jetzt die Iren dran. Immer das gleiche Spiel: Die Finanzkrise reißt den Staat in den finanziellen Abgrund, und die Mehrheit der Bevölkerung soll es ausbaden.

Irland galt bis zur Krise als ein Musterland: der keltische Tiger. Von angeblicher Misswirtschaft können Merkel und Co. nicht fabulieren, wie es bei Griechenland so bequem war. Irland ist in Schieflage, weil die Regierung versucht die maroden Banken zu retten. Und dabei Reiche und die Verursacher der Krise schont. Die extrem niedrigen Steuern auf Unternehmensgewinne werden nicht erhöht.

Der Rettungsschirm der EU dient nicht den Iren. „Wir haben den Iren das Geld aufgezwungen um Deutschland vor dem Bankrott eines Teils seines Bankensektors zu bewahren“, schreibt die Financial Times Deutschland. Denn die Rettung Irlands rettet vor allem deutsche und andere ausländische Großbanken, die sich in Irland verspekuliert haben.

100.000 Menschen demonstrierten am Wochenende in Irland gegen höhere Studiengebühren, Lohnkürzungen, Stellenabbau und Steuererhöhungen. Mit Recht: Die Kürzungspolitik ist ungerecht, vertieft und verlängert die Krise. Das hilft weder Irland noch Europa. Wer EU und Euro erhalten will, darf Länder nicht kaputt sparen. Und muss den Finanzsektor an die Kandare nehmen, statt Banken immer mehr Geld nachzuwerfen!

V.i.S.d.P.: VER.DI BUNDESVORSTAND – RESSORT 1 – FRANK BSIRSKE – PAULA-THIEDE-UFER 10 – 10179 BERLIN


Wenn das so stimmt, gibt es nur eine eindeutige Antwort auf die Frage, wer tatsächlich unser Land regiert: Nicht Frau Merkel und Co., sondern die Finanzwirtschaft. Alles andere wäre wohl eine Illusion.

Dinosauria XXIV: eReader mit hunderttausenden eBooks

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In einer Weihnachtsreklame wirbt eine der großen Buchmarktketten für den neuesten Schrei der Schreie: einen speziellen eReader. Noch sind solche Geräte wohl etwas "exotisch" und gehören nicht zum "Standard". Aber wie bei allen anderen digitalen Medien wird sich das bestimmt noch ändern, die Preise werden irgendwann purzeln und viele Menschen werden zu diesem "Medium" überlaufen. So war es jedenfalls in meinem Leben bisher mit Schallplatten, MCs, Video-Cassetten und Kameras mit herkömmlichen Filmen. Alle Nachfolgetechniken gefallen mir nicht besonders, sie sind komplizierter und technischer, irgendwie kühler,nichts mehr richtig zum Anfassen ...

Sollte diese Entwicklung bei Büchern tatsächlich auch eintreten, so trauere ich jetzt schon darum. Allerdings ist der Spaß bisher noch so teuer und Bücher auf Papier haben so viele Vorteile (man kann in ihnen malen und Anmerkungen hineinschreiben, aber auch wunderbare Eselsohren kniffen), dass einige von ihnen vielleicht für "freaks" wie mich überleben werden. Gut, das ist ohnehin noch Zukunftsmusik, aber bisher waren technische Neuheiten auf absehbare Zeit wohl immer erfolgreich.

Wenn ich unsere Wohnung betrachte, so ist sie angefüllt mit Büchern: Ein großer Teil meines Taschengeldes ist über Jahrzehnte in diese Bücherwände geflossen. Ich sammele Bücher. Meine Frau auch, vielleicht nicht ganz so umfangreich, aber immerhin. Und unser Sohn beginnt ebenfalls damit, welch Wunder bei diesen Eltern! Außerdem gibt es wunderbare Bücher, auch von der Ausstattung her. Was soll man denn noch sammeln, wenn alles nur noch auf Dateien für eReader gespeichert wird? CD-ROMs? Festplatten? Ungeheuer wenig sinnlich! Und womit soll man dann noch angeben, wenn es keine gefüllten vorzeigbaren Bücherwände mehr gibt und Regale mit Aktenordnern, in denen meine zusätzlich gesammelten Zeitungsausschnitte und Fotokopien (aus Büchern!) stecken? Auch für sie wird eine externe Festplatte ausreichen. Hilfe! Ich brauche etwas zum Ansehen und Anfassen und, wie schon oben erwähnt, zum Anmalen und Beschriften, denn nur auf diesem Wege kann ich mir Schriftliches wirklich einverleiben.

Doch genug der (Real-)Satire. Ein anderer Punkt schreckt mich wirklich, denn er zeigt mir, wie klein ich bin: Hunderttausende eBooks werden in der Reklame angekündigt. Natürlich als besonderen Vorzug dieses Mediums. In diesem Meer werde ich ertrinken, wie soll ich da auswählen? Ein solches Angebot ist eine Qual und überfordert mich und zeigt mir, wie oben gesagt, wie klein ich bin. Wer mag schon so ein Gefühl ...

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Brüder Grimm: Die Boten des Todes

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Was passt besser zu meinem letzten blog-Eintrag und zu dem Thema "Lebensgrenzen anerkennen" als das folgende Märchen der Brüder Grimm? Ich habe es schon in meinem dort erwähnten uralten Artikel über "Angst vor Krankheit und Tod" in Teilen zitiert. Hier der vollständige Text:



Die Boten des Todes

Vor alten Zeiten wanderte einmal ein Riese auf der großen Landstraße; da sprang ihm plötzlich ein unbekannter Mann entgegen und rief: "Halt! keinen Schritt weiter!" - "Was", sprach der Riese, "du Wicht, den ich zwischen den Fingern zerdrücken kann, du willst mir den Weg vertreten? Wer bist du , dass du so keck reden darfst?" - "Ich bin der Tod", erwiderte der andere, "mir widersteht niemand, und auch du musst meinen Befehlen gehorchen." Der Riese aber weigerte sich und fing an, mit dem Tode zu ringen. Es war ein langer, heftiger Kampf, zuletzt behielt der Riese die Oberhand und schlug den Tod mit seiner Faust nieder, dass er neben einem Stein zusammensank. Der Riese ging seiner Wege, und der Tod lag da, besiegt, und war so kraftlos, dass er sich nicht wieder erheben konnte. "Was soll daraus werden", sprach er, "wenn ich da in der Ecke liegenbleibe? Es stirbt niemand mehr auf der Welt, und sie wird so mit Menschen angefüllt werden, dass sie nicht mehr Platz haben, nebeneinander zu stehen." Indem kam ein junger Mensch des Wegs, frisch und gesund, sang ein Lied und warf seine Augen hin und her. Als er den Halbohnmächtigen erblickte, ging er mitleidig heran, flößte ihm aus seiner Flasche einen stärkenden Trunk ein und wartete, bis er wieder zu Kräften kam. "Weißt du auch", sagte der Fremde, indem er sich aufrichtete, "wer ich bin und wem du wieder auf die Beine geholfen hast?" - "Nein", antwortete der Jüngling", "ich kenne dich nicht." - "Ich bin der Tod", sprach er, "ich verschone niemand und kann auch mit dir keine Ausnahme machen. Damit du aber siehst, dass ich dankbar bin, so verspreche ich dir, dass ich dich nicht unversehens überfallen, sondern dir erst meine Boten senden will, bevor ich komme und dich abhole." - "Wohlan", sprach der Jüngling, "immer ein Gewinn, dass ich weiß, wann du kommst, und so lange wenigstens sicher vor dir bin." Dann zog er weiter, war lustig und guter Dinge und lebte in den Tag hinein. Allein Jugend und Gesundheit hielten nicht lange aus, bald kamen Krankheiten und Schmerzen, die ihn bei Tage plagten und ihm nachts die Ruhe wegnahmen. "Sterben werde ich nicht", sprach er zu sich selbst, "denn der Tod sendet erst seine Boten; ich wollte nur, die bösen Tage der Krankheit wären erst vorüber." Sobald er sich gesund fühlte, fing er wieder an, in Freuden zu leben. Da klopfte ihm eines Tages jemand auf die Schulter: er blickte sich um, und der Tod stand hinter ihm und sprach: "Folge mir, die Stunde deines Abschieds von der Welt ist gekommen." - "Wie", antwortete der Mensch, "willst du dein Wort brechen? Hast du mir nicht versprochen, dass du mir, bevor du selbst kämest, deine Boten senden wolltest? Ich habe keinen gesehen." - "Schweig", erwiderte der Tod, "habe ich dir nicht einen Boten über den andern geschickt? Kam nicht das Fieber, stieß dich an, rüttelte dich und warf dich nieder? Hat der Schwindel dir nicht den Kopf betäubt? Zwickte dich nicht die Gicht in allen Gliedern? Brauste dir's nicht in den Ohren? Nagte nicht der Zahnschmerz in deinen Backen? Ward dir's nicht dunkel vor den Augen? Über das alles, hat nicht mein leiblicher Bruder, der Schlaf, dich jeden Abend an mich erinnert? Lagst du nicht in der Nacht, als wärst du schon gestorben?" Der Mensch wusste nichts zu erwidern, ergab sich in sein Geschick und ging mit dem Tode fort.

Brüder Grimm


Der Anfang des Märchens gibt schon Rätsel auf, sollte er nicht nur ein Kunstgriff des Erzählers sein, einen früheren Kontakt des Menschen mit dem Tode herzustellen, weil sonst die Geschichte ihre Pointe verlieren würde. Aber wie wir auch immer den Riesen interpretieren mögen, wir sind keiner, und für uns beginnt die Geschichte erst analog im zweiten Teil ...

Ich habe dieses Märchen zitiert nach: Dietrich Steinwede (Hrsg.): Wie das Leben durch die Welt wanderte. Märchen der Menschen von Tod und Leben. - Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1983. S. 16 - 18. [Ich besitze es seit 1984.]

Lebensgrenzen anerkennen

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Ich möchte noch einmal kurz mein gestriges blog-Thema "Gott spielen" aufgreifen und etwas ergänzen:

Ich staune immer wieder, in welche Konstruktionen, irrsinnige Vorhaben und Erwartungen Menschen sich hineinsteigern, nur um einer unausweichlichen Tatsache nicht ins Gesicht sehen zu müssen: dass wir endliche Geschöpfe sind mit einer begrenzten Lebenszeit hier auf Erden. Es ist absehbar, wann unsere "Gastspielrolle" enden wird.

Einige Menschen macht diese Einsicht eher bescheiden, früher hätte man es vielleicht auch demütig genannt. Sie kennen ihre Grenzen. Wenn sie nicht den Mut verlieren, tun sie dennoch etwas für ihre eigene und die zukünftige Wohlfahrt derjenigen, die nach ihnen kommen. Das erzeugt ein gutes Lebensgefühl.

Andere scheinen diese Erkenntnis aber mit allen nur denkbaren Aktivitäten aus der Welt schaffen zu wollen. Mit schlechtem Erfolg für sie selbst - und oft auch für andere. Denn bestenfalls lässt sich der Gedanke an unsere Lebensgrenze verdrängen, nicht aber aufheben. Irgendwann ist sie einfach da trotz Macht, Geld, biologische "Wunder" (als neue Kategorie), Ruhm, die Liste lässt sich sicherlich gut fortsetzen. Was bleibt? Einige große Namen haben Jahrhunderte, ja Jahrtausende überdauert, aber es ist fraglich, ob die nächste Eiszeit sie nicht auch mit wegwischen wird. Und die kommt bestimmt.

P.S. Bereits vor 26 Jahren habe ich einen Artikel geschrieben, in dem manche meiner obigen Thesen ausgeführt sind: "Angst vor Krankheit und Tod". Er findet sich in meinem blog unter der Rubrik "Reminiszenzen" am 19.5.2009! Ich finde ihn immer noch lesenswert, aber ich bin natürlich auch parteiisch.

Kluge Sprüche zum Thema "Schenken"

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Geschenke sind wie Ratschläge: Vergnügen bereiten sie vor allem demjenigen, der sie gibt.

Emile Henriot


Das wahre Geschenk macht einen reicher, obwohl man etwas hingibt.

Knut Hamsun


Weit genauer als seine Wünsche charakterisiert einen Menschen, was er schenkt.

Hans Kasper



Diese Aussagen verdanke ich dem letzten JOKERS-Katalog vom Dezember 2010.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Dinosauria XXIII: Verhaltenstraining versus Familienrat als pädagogische Konzepte


Gestern war ein besonderer Tag in unserem Hort, denn die engagierte Leiterin hatte einen Fortbildungsabend für Eltern organisiert! Ein anspruchsvolles und sehr unterstützenswertes Vorhaben! Als Referentin hatte sie Frau U. gewonnen, die das Hort-Team als Verhaltenstrainerin schon länger schult und begleitet. Bei meinem "Vorleben" wird es niemand verwundern, dass ich als alter Individualpsychologe dabei genau hinschaue, mit welchen Konzepten heute in der pädagogischen Praxis gearbeitet wird. Meine alten Vorbehalte gegenüber der Verhaltenstherapie sind sicherlich nicht mehr ganz zeitgemäß (sitzen aber tief in mir!); Frau U. hat die außerordentlich wirksame Hilfe heutiger Videoarbeit und Kontrolle auf ihrer Seite und versuchte darüber hinaus auch immer wieder, neurobiologische Gesichtspunkte mit einzubeziehen. Gegenüber solcher Effizienz kann ich mit meinen alten Ansätzen kaum noch "punkten", sehe aber weiterhin (halsstarrig ?!) große Vorzüge in ihnen. Aber vielleicht schafft es eine zukünftige Generation von Psychologen, Pädagogen und Psychotherapeuten ja noch, das Gute aus den verschiedenen Ansätzen zu vereinigen. Ich bin gespannt.

Ich habe mich am Vortragsabend still zurückgehalten und erst einmal meine Eindrücke sortiert. Aber einfach zu schweigen, finde ich gegenüber der Hortleiterin, die mein "einschlägiges Vorleben" kennt, unfair und nicht angemessen. Ich habe ihr deshalb folgenden kleinen Brief geschrieben (in Auszügen):



Liebe Frau B.,

herzlichen Dank für den anregenden Abend gestern mit Frau U.!

Er hat mich natürlich zum Nachdenken angeregt. Ein Resultat: Ich gehöre nunmehr wohl endgültig „zum alten Eisen“, denn in meinen Studentenjahren und danach waren Ansätze modern, die etwas mit Gesprächen mit Kindern und Jugendlichen zu tun hatten, die über dieses Medium zum Mitmachen und sozialen Tun angeregt werden sollten. Begriffe von damals: Familienkonferenz, Schülerkonferenz, Familienrat.

Der neue Ansatz heißt jetzt ja offensichtlich „Verhaltenssteuerung“, wobei ohne Frage zu sein scheint, wer dabei „die Hosen an hat“ (aber auch die früheren Ansätze verlangten Autorität von den Eltern bzw. wollten diese auf pädagogisch sinnvolle Weise stärken). Solange dies aber nicht thematisiert wird und Eltern nicht angeleitet werden, auch ihre eigenen Ziele zu hinterfragen, habe ich dabei ein ungutes Gefühl im Magen.

Ich denke, dass Frau U. als Verhaltenstrainerin ein sehr wirksames Instrumentarium vorgestellt hat, das ohnehin ständig wirkt, aber so auch bewusst eingesetzt werden kann. Besonders die Video-Arbeit und die dadurch geschaffene Möglichkeit, die eigenen nonverbalen Signale überhaupt wahrnehmen und dadurch trainieren/kontrollieren zu können, ist sicherlich hoch effizient!

[ ...]

Herzliche Grüße von J.L.

Gott spielen

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Gestern las ich (T-Online, dpa) von der Schweizerin, die mit 64 Jahren ein Kind aufgrund einer Eizellenspende zur Welt gebracht hat. Biologisch und medizintechnisch geht das offenbar, und was machbar ist, findet irgendwo auch einen Idioten, der es in die Tat umsetzt, seien es Waffen oder medizinische "Wundertaten".

Welche merkwürdigen Beweggründe müssen diese Frau und ihren 60jährigen Mann zu einem solchen Schritt bewogen haben? Wären sie unerfüllt kinderlieb oder wollten eine gute soziale Tat tun, gäbe es so vielfältige Möglichkeiten in dieser Welt, die jedem ethischen Anspruch genügen. Aber was tun sie ihrem Kind an, das sich später nur in dem Ruhm sonnen kann, Eltern mit "Schweizer Rekord" zu haben. Wie lange werden sie für ihr Kind sorgen können? Es wird - nach heutigem Verständnis - ja nicht nur mit Großeltern, sondern schon fast mit Urgroßeltern groß.

Ein eigenartiger, in meinen Augen egoistischer Ehrgeiz! "Späte Väter" sind in der heutigen Zeit nicht mehr so selten, ich zähle selbst dazu, aber diese Konstellation ist mehr als fragwürdig: Wenn das Kind in die Schule kommt, ist seine Mutter 70 Jahre alt ...

Dienstag, 7. Dezember 2010

Im Bergwerk der Gedanken: alles ist möglich

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Wer die Bibel und andere religiöse Schriften liest, wird mit dem Gedanken vertraut sein: Für jede Überzeugung gibt es irgendwo eine Fundstelle, die den betreffenden Menschen darin bestätigt, recht zu haben! "Liebe" ist das Gebot des N.T., und dennoch haben sich Generationen von Christen gegenseitig das Leben schwer gemacht, wer von ihnen wirklich im Besitze des rechten Glaubens sei. Unzählige sind dafür gestorben. In unserer Zeit wird besonders um die "richtige" Auslegung des Islam gestritten. "Gewalt" wird dabei von den meistens Gläubigen und Schriftgelehrten abgelehnt, was hilft's, wenn fanatische Islamisten anders denken und vor allem: handeln!

Was religiöse Texte können, können Politiker ebenfalls: Wie oft sind viele von ihnen schon "umgefallen" und vertreten plötzlich veränderte Positionen: Wenn diese auf einem echten Lernprozess beruhen, ist das eine ehrenwerte und nachahmenswerte Angelegenheit, anders verhält es sich nur, wenn es um die "Mäntelchen im Wind" geht.

Diese Ausführungen sind dabei alle nur ein Vorspann für das folgende kurze Zitat über Friedrich Nietzsche.Denn auch Philosophen können etwas von dieser irritierenden Vieldeutigkeit haben, die sie aber dadurch besonders interessant für denjenigen machen, der auf der Suche nach einem berühmten Gewährsmann für eigene Gedanken ist. Bei Nietzsche könnte er fündig werden!

"Im Bergwerk dieses Denkers ist jedes Metall zu finden. Nietzsche hat alles gesagt und das Gegenteil von allem." - Giorgio Colli

Nun hoffe ich sehr, dass wenigstens die Aussage von G.Colli stimmt! Ich habe sie im neuesten JOKERS-Katalog gefunden (den ich hier nicht aus Reklame-Gründen erwähne, aber Quellenangaben sind mir eine Ehrensache und wichtig. Dort auf S. 20.)

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Wieder einmal naht Weihnachten, das Fest des Schenkens

Wieder einmal naht Weihnachten, und ich habe bereits weitgehend mein „Pulver verschossen"! Denn in den zurückliegenden Jahren habe ich bereits alle meine Lieblingsgeschichten und Gedichte, die ich früher in Schulzeiten gern vorlas, unter der Rubrik "Weihnachten und Neues Jahr" in meinen blog gesetzt. Wer sich aber dennoch dafür interessiert, möge sie dort aufrufen.

Klüger geworden bin ich seither nicht unbedingt, neue Texte habe ich auch kaum hinzugelernt, aber ich bin bescheidener geworden. Während ich früher eher die Häme hatte, mich innerlich über diejenigen zu erheben, die einen weniger kritischen Blick auf all diese Ereignisse hatten, Weihnachten viel konventioneller begingen oder auch nur am weihnachtlichen Konsumrausch teilnahmen, den ich natürlich mit Verachtung abstrafte, sehe ich das jetzt alles viel milder und mich selbst nicht mehr so puristisch in der Rolle eines Richters über guten Geschmack oder angemessene Rituale. Meine (kritischen) Wertmaßstäbe haben sich dabei nicht sonderlich verändert, Weihnachtsrummel liegt mir weiterhin fern, aber ich halte mich nicht mehr so stark für das "Maß der Dinge".

Zu diesem Schritt hat mir sehr der folgende Text von Norbert Copray geholfen, den ich im Dezember 2009 im Publik-Forum Newsletter 9/2009 gefunden habe. Extra aufgehoben für dieses Jahr! Und jetzt von mir zitiert:

Weihnachten ist ja zu einem Fest geworden, das weltweit auch außerhalb des Christentums seine Anhänger gefunden hat und heute für viele mehr Bedeutung hat als noch vor dreißig oder vierzig Jahren. Doch was für eine Bedeutung? Man mag das störend und manchmal erschreckend kommerziell und übertrieben finden, aber im Mittelpunkt dieses Festes steht das Schenken – unabhängig von Religion und Kultur. Dabei hat man festgestellt, dass sehr viele Menschen etwas schenken, was dem anderen und ihnen selbst Freude macht. Es mag Exzesse geben, aber überwiegend hat das Schenken an Weihnachten mit so etwas zu tun wie: auf kluge Weise Freude machen. Man kann auch Zeit schenken, Gedichte, Bilder, Lieder, die Begleitung eines Menschen durch kritische Zeiten.

Wie man es auch dreht und wendet: Die Menschen haben weltweit das Richtige am Weihnachtsfest gefunden. Es ist eine Zeit des Schenkens aus einer oftmals unbewussten Erinnerung heraus an das bedeutendste Geschenk. Gott, das Göttliche, die umgreifende Weisheit, Brahman – wie immer man es sagen will -, kurz: die lebendigmachende und lebendigerhaltende Liebe schenkt sich den Menschen. Und spiegelt sich wider in den millionenfachen Geschenken, die die Menschen einander zur Freude machen. Denn das ist das Ziel des Schenkens: Freude bereiten – zur Liebe entfachen. Seien wir also nicht kleinlich, wenn’s nun bald ans Schenken geht. Auch hilfloses und kommerziell überfrachtetes Schenken ist ein Zeichen für Sehnsucht nach Liebe und Liebesversuche. Achten wir das nicht gering, dass Menschen tun und mitunter unbewusst nachahmen wollen, was Gott tat und tut: Liebe schenken. Das ereignet sich auch dort, wo geschenkt wird, selbst wenn es dabei unbeholfen zugeht.

Das starke Geschlecht in der Physiotherapie

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Ich gehe z.Zt. einmal wöchentlich mit meinem Sohn zur Physiotherapie. Er freut sich darauf, denn er darf ins Schwimmbecken! Es ist für ihn mit seiner muskulären Hypotonie eine wichtige Vorübung, um beim Schwimmunterricht, der im zweiten Schulhalbjahr beginnen wird, besser mithalten zu können. Könnte er danach schwimmen, welche Stärkung seines Selbstwertgefühls! Und ein stolzes Gefühl für seine Eltern, welche Entwicklungsschritte unser Sohn doch noch schafft, die ihm in den ersten Lebensjahren niemand zugetraut hätte.

Aber ich will jetzt keinen Vortrag über Paul Jakob halten, vielmehr auf eine Beobachtung hinweisen, die mir plötzlich bewusst wurde: Paul ist immer allein mit Jungen! Weit und breit kein Mädchen in den Schwimmgruppen! Dafür sind die Frauen beim "Begleitpersonal" weit in der Überzahl (in dieser Praxis ausschließlich Physiotherapeutinnen, dazu "Muttis" als Begleitung, allerdings gelegentlich auch ein "Vati" wie ich).

Die Physiotherapeutin, darauf angesprochen, klärte mich dann darüber auf, dass bei den "ganz Kleinen" noch beide Geschlechter vertreten seien, Mädchen allerdings etwas weniger als Jungen. Aber bei den Dreijährigen sind es dann fast nur noch Jungen, die eine physiotherapeutische Betreuung im Wasser nötig haben, erst recht dann bei Neunjährigen wie Paul Jakob.

Das starke Geschlecht!

Vergangenheitsbewältigung

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Es gibt unzählige Hinweise dafür, dass eine Bearbeitung der eigenen Lebensgeschichte, im besten Falle eine Aussöhnung mit schwierigen Verläufen, nur dann möglich ist, wenn man genau hinschaut und bereit ist, sich mit den aufsteigenden Erinnerungen auseinanderzusetzen. Dass Verdrängung zwar vordergründig Abhilfe schafft, aber keine Verarbeitung leistet.

In diesem Zusammenhang habe ich jetzt eine vorzügliche Stellungnahme gefunden, warum einerseits das Thema "Stasi-Akten" immer wieder hochkocht, gleichzeitig individuelle Berichte selten bleiben und ich manchmal das Gefühl nicht loswerde, dass die Bearbeitung der eigenen DDR-Vergangenheit gesellschaftlich gesehen ähnlich "unter den Teppich gekehrt" wird wie seinerzeit die Betroffenheit der Menschen im Westen nach dem II. Weltkrieg. Zähne zusammenbeißen und durch! Eigenes Leiden und vor allem eigenes Mitmachen (ohne seine Mitläufer würde jedes Regime mangels "Personal" irgendwann austrocknen!) lieber nicht so genau anschauen! Es könnte weh tun.

In einem längeren Interview zum Thema "Wir sind ein Volk" äußerte sich Joachim Gauck zu dieser Frage (In: STERN EXTRA Nr. 3/2010 "Die Geschichte der Deutschen". Interview S. 148 - 154. Zitat S. 154):

Wie wichtig war es, dass all diese Themen (zu Stasi-Verstrickungen, J.L.) zur Sprache kamen?

Jetzt, nach 20 Jahren, verblasst die Wirklichkeit der Diktatur. Vor allem die Wirklichkeit der Angst verschwimmt hinter allen möglichen Erinnerungsfetzen. Aber für die Menschen ist es enorm wichtig zu wissen, wie es war, um sich davon zu befreien. Doch wer sich der Vergangenheit noch einmal stellt, braucht Mut. Erinnern bedeutet eben nicht nur, Vergangenes neu zu betrachten, sondern auch zu fühlen. Und das kann sehr weh tun.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Mein Motto für den Monat Dezember 2010

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"Die nächste Eiszeit kommt bestimmt!" sagte mein Geologie-Lehrer. Warum deshalb verzweifeln? Halten wir es wie Luther mit seinem Apfelbäumchen und richten es uns bis dahin wohnlich auf der Erde ein!