Montag, 4. Juli 2011

Verstoßen Allgemeine Förderschulen gegen die Forderung inklusiver Beschulung seitens der UN-Konvention?

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Ich erlebe es als angenehm, dass sich bei mir mit zunehmendem Abstand von meinem Berufsleben ein größerer innerlicher Frieden einstellt: Während ich mich früher stark über Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz und Unklares im Schulalltag aufregen konnte, ist dies alles jetzt weit weg von mir, mein Zorn ist verrauscht und ebenso meine Bereitschaft, auf irgendwelche Barrikaden zu steigen.

Dachte ich ... Von einer unerwarteten Seite her habe ich wieder Anlass, mich über Schule und Schulpolitik aufzuregen und muss meinen Kampfesmut im Zaum halten, weil nur ein kühler Kopf Punkte bringt. Dabei ist der Anlass auf den ersten Blick sehr positiv: Deutschland hat 2009 eine UN-Konvention mit unterzeichnet, die für Gleichberechtigung aller Menschen eintritt und unter anderem die inklusive Beschulung behinderter Menschen fordert. "Inklusion" als neues Paradigma in der Behindertenarbeit! Grundsätzlich ein sehr positiver Ansatz und für mich zusätzlich noch "hautnah", weil mein kleiner Sohn Paul Jakob betroffen ist und eine Allgemeine Förderschule besucht, unterstützt von einem persönlichen Einzelfallhelfer.

In Berlin und Brandenburg hat dies dazu geführt, dass die dortigen Kultusminister jetzt ganz fortschrittlich sein wollen und diese UN-Konvention unbedingt umsetzen wollen. Opfer: Die Allgemeinen Förderschulen! Denn diese sollen in Brandenburg bis spätestens 2019 geschlossen und ihr Schülerklientel zukünftig "inklusiv" an Regelschulen unterrichtet werden. Grundsätzlich ja o.k., wenn diese Regelschulen von Klassenstärken und Lehrerschaft her ähnlich ausgestattet würden wie bisher die Förderschulen. Das wäre eine echte Revolution (Klassenstärken nur noch bis 16 Schüler! ausgebildete Sonderpädagogen!) und käme dann allen Schülern zugute. Es würde aber eine erhebliche Ausweitung des Schuletats erfordern, um all das dann notwendige Personal einzustellen. Weit gefehlt!!! Diese Veränderungen sollen kostenneutral durchgeführt werden, d.h., was den Förderschulen genommen werden wird, wird auf alle anderen aufgeteilt, die dann ein bißchen zulegen können, aber eben nur ein bißchen... Und der Schutzraum "Förderschule" wird nicht mehr existieren.

Zwar wird mein Sohn bis zum Greifen dieser "Reform" schon seine Schulzeit beendet haben, aber diese Planungen überschatten alles Weitere in seiner Schule. So habe ich mein neues "Kampfthema", denn diese sehr abgespeckte Variante von "Inklusion" halte ich für unvernünftig und die Art und Weise, wie sie vom Ministerium offenbar durchgepeitscht wird - entgegen allen Vorbehalten einschlägiger Lehrergewerkschaften und Fachverbände - sehr merkwürdig und undemokratisch.

Deshalb werde ich mich zukünftig für dieses Thema engagieren und habe dafür auch schon eine neue Rubrik aufgemacht: "Förderschulenstreit". Ganz neu ist das Thema dabei allerdings nicht, denn die mögliche Schließung der Allgemeinen Förderschulen geistert schon länger durch die Schullandschaft und hatte vor Jahren zur Folge, dass Schulen dieses Typs "eigentlich" keine ersten Klassen mehr aufnehmen durften. Bereits beim Jahrgang unseres Sohnes lag aber eine so große Nachfrage vor, dass das Schulamt eine Ausnahme genehmigen musste. Und die derzeitige erste Klasse seiner Schule ist fast überfüllt... Im Zusammenhang mit dieser Problematik habe ich bereits vor Jahren schon einmal einen Leserbrief an die Zeitschrift "Menschen" verfasst. Wer ihn lesen möchte, findet ihn ebenfalls unter der neuen Rubrik.

Heute folgt an dieser Stelle ein Leserbrief, den ich an unsere örtliche Zeitung MOZ am 8.4.11 geschickt habe, in Teilen dort abgedruckt am 16.4.11!


Liebe MOZ,

am 1.4.2011 berichteten Sie an mehreren Stellen über die von Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch angekündigte Schließung der Förderschulen mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt „Lernen“ bis 2019. Zunächst glaubte ich – vom Termin her – an einen Aprilscherz, aber Frau Münch ist es wohl bitterernst mit der Auflösung aller einschlägigen Sonderschulen. Denn der Politik sitzt dabei die von Deutschland ratifizierte UN-Konvention von 2009 im Nacken, die verbindlich die gemeinsame Beschulung aller Kinder im Sinne des neuen Paradigmas „Inklusion“ fordert. Die Brandenburger Parlamentarier waren überrascht, haben es offenbar weniger eilig als die Ministerin, die sich hier möglicherweise in „vorauseilendem Gehorsam“ übt.

Die Umsetzung von „Inklusion“ an unseren Schulen ist aber noch ein nebulöser Traum, solange in Grundschulklassen über 20 Schüler sitzen, Sonderpädagogen knapp sind und die Schulsozialarbeit rar: „Inklusion“ bleibt solange ein wohlklingendes Zauberwort ohne reale Chancen, solange keine massiven personellen und materiellen Verbesserungen an den Schulen eingeleitet werden. Davon habe ich bisher allerdings nirgendwo etwas gesehen. Es wäre eine echte Revolution! Und die würde einiges kosten, aber zeigen, ob es der Politik mit den ständig gepriesenen Verbesserungen im Bildungsbereich wirklich ernst ist.…

Da hat es mein Sohn als Förderschüler in einer Kleinklasse von 10 Kindern mit einer engagierten Lehrerin in Kombination mit einem (nichtstaatlichen!) heilpädagogischen Hort besser. Frau Münch sollte uns einmal besuchen und die realen Bedingungen an den Schulen kennen lernen, bevor sie solche großen Worte gebraucht, die uns verschrecken! Die hiesigen Grundschulen wären mit der Betreuung unseres Sohnes völlig überfordert (und sind es auch ohne ihn angesichts einer zunehmenden Zahl schwieriger Kinder schon in ihrer normalen Arbeit), unser Sohn wiederum würde rettungslos in ihnen untergehen. Was für eine Perspektive!

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Lüder

Soviel für heute! Weiteres folgt!

Freitag, 1. Juli 2011

Mein Motto für den Monat Juli 2011: Wir sind der Wandel - wer sonst?

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Sei selbst der Wandel, den du in der Welt erleben willst.

Mahatma Gandhi


gefunden in dem Artikel "Wir sind der Wandel" von Christina Kessler in Natur & Heilen 6/2011

Günter Kunerts alter Pharao besingt das Verwelken

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Ältere Männer, die in kluger Weise über ihr Altern reflektieren oder es sogar ironisieren, haben etwas Faszinierendes für mich, wenn Frauen das tun, allerdings nicht minder! Da habe ich ein hervorragendes Beispiel aus der letzten Zeit, nämlich den Bericht über eine Dichterlesung von Günter Kunert in Frankfurt/O.

Ich zitiere aus dem Bericht von Uwe Stiehler, der unter dem Titel „Alter Pharao besingt das Verwelken – Günter Kunert zu Gast in Frankfurt“ am 5.5.2011 in der MOZ erschienen ist.

[…]

Und mit seinen Worten belächelt, verflucht und verdaut der 82-Jährige auch das eigene Älterwerden. Das hat er zum Beispiel in dem äußerst vergnüglichen Büchlein „Der alte Pharao spricht mit seiner Seele“ getan. Auch das stellte er in Frankfurt vor. Es ist eine Ode auf „Sauseschrittverweigerer“, eine Einladung, mit der Zeit stehenzubleiben, und eine ironische Beschreibung des eigenen Verwelkens, wenn der alte Mann zum Beispiel im Zugabteil von Eva träumt, ihren Apfel aber zurückweist. Weil der nicht altersgerecht ist.


„Danke Eva.

Aber mein Gebiss!

Der Dentist hat mich gewarnt.

Deswegen muss ich mich

der Sünde enthalten. Und

weiterschlafen

bis zur

Endstation.“

Richard David Prechts Sorgen um unsere Zukunft

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Schon vor einigen Wochen hatte ich diesen blog-Eintrag vorbereitet, dann aber vergessen. Ich möchte seine Veröffentlichung heute nachholen, zumal die Aktualität seiner Aussagen nicht nachgelassen hat, insbesondere im Zusammenhang mit der Griechenland-Krise, den ich damals hergestellt hatte.


Precht ist berühmt geworden durch seine populäre Einführung in die Philosophie, danndurch seine Ausführungen zur Liebe und jetzt zur Moral in seinem letzten Buch "Die Kunstkein Egoist zu sein".

All das war genug Anlass für den Tagesspiegel, den Autor zu interviewen. Nachzulesen ist dies im TSP vom 22.4.2011 mit Andrea Roedig als Interviewerin: "Lieber böse als dumm" - Richard David Precht über Egoismus, realistische Moralvorstellungen und Kindererziehung

Mich hat sein Schlusswort nachdenklich gemacht, in dem er über unsere gesellschaftliche Zukunft angesichts schrumpfender Ressourcen nachdenkt. Ich will es hier zitieren:

"Wir leben in einer der am meisten privilegierten Gesellschaften, die es je in der Weltgeschichte gegeben hat. Doch die Wohlstandsentwicklung wird nicht so weitergehen können, wie das bisher der Fall war. Also müssten wir all unsere Anstrengungen darauf richten, auch ohne weiteres Wirtschaftswachstum glücklich zu leben. Aber das geschieht nicht, wir sind nicht darauf vorbereitet, dass der Wohlstand sinken wird. Das wird politisch noch sehr gefährlich."

Leider dürfte er Recht haben. Die Verteilungskämpfe sind bereits in vollem Gange, das zeigt die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich. Die Besitzenden sind dabei, ihr Schäflein ins Trockene zu holen, noch hält das Gros der Bevölkerung still und sieht wahrscheinlich solche Zusammenhänge noch nicht. Aber das kann sich ändern ... (Und in Ländern, denen zur Abwendung einer Staatspleite das "Gesundsparen", besonders im sozialen Bereich, auferlegt wurde, wie z.B. Griechenland und Portugal, ist die Atmosphäre in der Bevölkerung schon jetzt explosiv.)


Griechenland ist leider ein hervorragendes Beispiel, wie die letzten Tage zeigen. Das neoliberale Sanierungskonzept der großen EU-Staaten und des IWF nötigen dem Land „Reformen“ auf, die eindeutig zu Lasten des ärmeren Bevölkerungsteils gehen und die Reichen und Vermögenden weitgehend schonen. Nach diesem Rezept hat der IWF schon zahlreiche Länder in dieser Welt gebeutelt. Schade, dass in der gängigen Berichterstattung in den Medien über solche Zusammenhänge fast nichts geschrieben wird. Man muss ja schon die Griechen fast für „bescheuert“ halten, die da täglich gegen ihre Regierung „anstänkern“, die doch nichts anderes im Sinn hat, als die Staatspleite zu verhindern … und die Banken zu retten, die sonst, insbesondere in Deutschland, einiges abzuschreiben hätten. Neueste Information, sofern ich sie richtig „aufgeschnappt“ habe: Da wäre auch ein großer Pensionsfonds in Deutschland mit betroffen, falls es zu einer Pleite und einem Wertverlust der Einlagen käme. Renten/Pensionen von Deutschen in Gefahr! Die bösen Griechen müssen endlich zur Vernunft kommen! (Besser kann man nicht zeigen, wie sehr das Umlageverfahren bei der Rente dem Kapital gedeckten System, bei dem Rücklagen auf dem Kapitalmarkt angelegt werden müssen, überlegen ist.)

Meine Bücher

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Bücher sind mein Leben, so dachte ich jedenfalls bisher und handelte jahrelang danach: ich sammelte sie mit Leidenschaft. Das ist nichts Ungewöhnliches, denn ich habe schon viel in meinem Leben gesammelt, als Kind Briefmarken, später ebenso Mineralien und Versteinerungen, Schallplatten oder CDs mit klassischer Musik, auch schon Zeitungsausschnitte und Postkarten, immer aber mit Begeisterung und einem Sammlerherz, das es nach Vervollständigung seiner Sammlung drängte. So als würde ich dadurch das Leben an mich heranholen und konservieren können, wenn ich mich mit Schönem und Seltenem umgebe.

Aber Bücher waren dabei immer mein Schwerpunkt. Schon als Kind liebte ich meine Schätze, und ich kann mich noch daran erinnern, wie ich, schon etwas älter, in unser Warenhaus lief und mein Taschengeld in Taschenbuch-Remittenten umsetzte, die billig verramscht wurden. Das wurde nur kurzfristig unterbrochen, als die Mono-Schallplatten vom Markt genommen wurden und ich mir mit ihnen meine erste Musiksammlung „aufbaute“. So kam einiges bei mir zusammen, überstand verschiedenste Umzüge und wuchs und wuchs. Umzüge waren allerdings immer wieder einmal ein Anlass, meine Bestände zu sortieren und auch einmal mehrere Kisten Bücher auszusortieren. Aber meine Sammlerlust blieb davon unberührt und es störte mich kaum, dass ich nur wenige dieser Schätze richtig durchgearbeitet habe. Das erkennt man dann allerdings an zahllosen Bemerkungen und Textmarker-Anstreichungen in einigen Büchern, die habe ich wirklich „durchgekaut“. In vielen anderen Fällen aber war für mich ein Thema schon dadurch „gegessen“, dass ich mir ein kluges Buch darüber ins Regal stellte, so nach dem Motto: „Wenn ich es dann wirklich einmal etwas genauer wissen will, kann ich ja nachschlagen.“

Bei einigen Themen war ich (vorübergehend) tatsächlich „auf dem Laufenden“, vor 20 Jahren habe ich sämtliche Psychotherapie-Führer, die seinerzeit auf dem Markt waren, besessen und war stolz darauf. Mittlerweile haben mich die Bücherberge der Neuerscheinungen längst überrollt und mein Interesse hat sich stark gewandelt.

Dafür gab es vor vielen Jahren schon einmal einen ersten Anstoß. Ich bin ihm damals zwar noch nicht gefolgt, aber ich habe ihn niemals vergessen: Ich lernte einen Benediktiner-Pater kennen, der wie ein väterlicher Freund zu mir war und den ich eine Zeit lang häufiger in seinem kleinen Kloster besuchte. Auch er liebte Bücher. Wir lasen uns gegenseitig manchmal etwas vor. Er hatte seine Bücher mit Bleistift-Notizen gefüllt und fand seine Lieblingszitate sofort. Als ich ihn einmal in seinem Zimmer besuchen durfte, stellte ich fest, dass er nur ein einziges schmales Bücherregal darin besaß: Diese Bücher genügten ihm, er habe alle schon mehrfach gelesen. Mehr brauche er nicht. Er hätte früher auch mehr Bücher besessen, die hätte er alle an die Klosterbibliothek abgegeben. Und wenn ihm jetzt jemand ein Buch schenke, so würde er es nach dem Lesen entweder ebenfalls in die Bibliothek weiterreichen oder weiter verschenken. Mich erinnerten seine Worte an ein Gedankenspiel aus Selbsterfahrungsgruppen: „Was würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen, wenn ich nur zwei Koffer mitnehmen dürfte …“

Dieses Bild von Wichtigkeit, die ein Besitz für mich haben müsste, damit ich ihn unbedingt bei mir behalten möchte, habe ich seither zwar nicht vergessen, aber erst in den letzten Monaten auch etwas davon in Taten umgesetzt: Meine Schwiegermutter hatte entdeckt, dass man bei Amazon eigene Bücher verkaufen kann. Bei vielen lohne es sich kaum, einige brächten aber tatsächlich einen guten Ertrag. Auch meine Frau versuchte es und war erfreut über manchen guten Verkauf. Lange sträubte ich mich, allerdings war ich immer neugierig, ob meine Bücher noch irgendeinen Wert besitzen oder weitgehend unverkäuflich sind und testete einige auf ihren erzielbaren Preis hin. Und seither verkaufe ich Bücher!!! Und trenne mich von manchen liebgewordenen Schätzen. Aber das stimmt ja gar nicht: Bücher, die mir wirklich etwas bedeuten, behalte ich natürlich. Das sind aber viel weniger als gedacht. Die vielen Titel, die ich mir früher nur mit dem Gedanken gekauft habe, zu diesem Thema müsste ich auch etwas besitzen, und die dann ungelesen im Regal verschwanden, sind mir meistens nicht mehr sehr wichtig, ich kann gut von ihnen lassen… So werden meine Regale langsam etwas leerer, die Übersichtlichkeit steigt und meine Erben werden später etwas weniger zu bearbeiten (und wegzuwerfen ) haben. Ich bin erstaunt über mich, wie wenig ich dies als Verlust erlebe, viel stärker als Erleichterung und mit dem Bedauern, dass so viele Titel offensichtlich unverkäuflich sind. Ich werde viele nur verschenken können oder ins Altpapier tun müssen.

Außerdem, was macht’s? Der nächste Sammler steht schon in den Startlöchern: Mein kleiner Sohn Paul Jakob hat sich diese Bücherliebe von seinen Eltern abgeguckt und besitzt selbst schon eine stattliche, immer mehr wachsende „Sammlung“!