Donnerstag, 1. September 2011

Lieblingszitate CLXI: James Krüss über jeden Tag im Jahr

.
Dieses Gedicht hat mir vor wenigen Tagen eine liebe Freundin per Email geschenkt. Ich möchte es nicht für mich allein behalten und verschenke es so weiter. (James Krüss und das Copyright mögen es mir verzeihen, aber was kann für einen Autoren eine größere Anerkennung sein!)



James Krüss


Gedicht für jeden Tag im Jahr
Jeder wünscht sich jeden Morgen
irgend etwas - je nachdem.
Jeder hat seit jeher Sorgen,
jeder jeweils sein Problem.

Jeder jagt nicht jede Beute,
jeder tut nicht jede Pflicht.
Jemand freut sich jetzt und heute.
jemand anders freut sich nicht.

Jemand lebt von seiner Feder,
jemand anders lebt als Dieb.
Jedenfalls hat aber jeder
jeweils irgend jemand lieb.

Jeder Garten ist nicht Eden.
Jedes Glas ist nicht voll Wein.
Jeder aber kann für jeden
jederzeit ein Engel sein.

Ja, je lieber und je länger
jeder jedem jederzeit
jedes Glück wünscht, um so enger
leben wir in Einigkeit.


Zusatz v. 11.11.2017: Ein aufmerksamer Leser/in meines blogs hatte zu Recht moniert, dass ich dieses Gedicht inkorrekt wiedergegeben hatte, und zwar mit dem Schlusswort "Ewigkeit" statt "Einigkeit". Vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis! Wahrscheinlich hatten mich der Garten Eden und der Engel auf die falsche Fährte geführt ...

Verschiedene Notizzettel, vor dem Papierkorb bewahrt


.

Ich habe meine Notizen aufgeräumt und dabei einige Zettel gefunden, auf denen zwar wenig steht, die ich aber dennoch nicht einfach so wegwerfen wollte. Ich möchte (bzw. kann) aus ihren Inhalten keine großen Ausarbeitungen machen, in ihnen steckt aber doch ein kluger und aufhebenswerter Kern. Meine Leser mögen selbst urteilen:

Nachruhm

Vielleicht ist es nur eine späte Genugtuung, jedenfalls eine Gerechtigkeit der Geschichte! Wer erinnert sich noch an die Namen irgendwelcher Fürsten, Bischöfe oder Päpste, die in ihrem Leben besonders durch ihre Machtausübung und ihren Prunk glänzten! Aber sie haben oft eine wirklich kluge Tat vollbracht, nämlich einen hervorragenden Künstler mit der Anfertigung einer Auftragsarbeit beschäftigt. Den Namen des Bischofs, der Mozart in Salzburg knechtete, habe ich längst vergessen, seine Musik aber ist für mich ein Ohrwurm! Und Mozart ist kein Einzelfall! Bei herausragenden Portraits berühmter Maler dürfte es sich ebenso verhalten, ich denke da spontan an Goya und seinen spanischen König, über dessen Intelligenz man geteilter Meinung sein kann …

Geld macht süchtig

Wer wollte das bestreiten, wenn man sieht, mit welchem Fanatismus Reiche damit beschäftigt sind, ihren Reichtum noch zu vermehren, obwohl sie nicht einmal einen Bruchteil davon zu Lebzeiten aufessen könnten … Ich weiß nicht, wo ich diese einfache Wahrheit aufgeschnappt habe. In die Literatur über suchterzeugende Stoffe ist sie nach meinem Wissen noch nicht aufgenommen, aber sicherlich hat schon ein anderer kluger Kopf vor mir diese nahe liegende Formulierung in die Welt gesetzt.

Bedarfe

Ich glaube, dass ich über dieses Thema schon einmal im Rahmen meiner „Dinosauria“ etwas geschrieben habe. Ein in meinen Ohren hässliches Wort, das aber in der Sozialarbeit und unter Planern offenbar gang und gebe ist. Ich habe es zum ersten Mal bewusst im Sozialausschuss meiner Heimatgemeinde gehört, als ein Vertreter eines freien Trägers oder der zugeordnete Referent der Verwaltung etwas von zukünftigen Diensten und ihrer finanziellen und personellen Ausstattung referierte, die an den Bedürfnissen der betroffenen Menschen orientiert sein sollten. „Bedürfnisse“ ja! Das ist eine menschliche Eigenschaft. „Bedarfe“ hingegen entstammen hingegen für mich einer Kunstsprache, in der die betroffenen Menschen in eine Behördensprache verdinglicht werden, so etwa wie ein menschliches abstraktes Kondensat. Vielleicht würde ich dieses Wort selbstverständlich finden, hätte ich in den letzten Jahren Sozialarbeit studiert. Bei meiner Herkunft aus der Psychologie her finde ich es eben einfach nur hässlich (und durch „Bedürfnisse“ und „Bedürfnisstrukturen“ oder ähnliche Wortkonstruktionen leicht ersetzlich.) Letztendlich ist es nichts anderes als ein weiterer Beleg für die Folgen der Ökonomisierung sozialer Arbeit/Tätigkeiten.

„Maskensprache“

Ich war ganz stolz, als ich diesen Begriff entwickelt hatte, aber wohl schon etwas müde, denn jetzt fehlen mir die Beispiele, die ich damals im Kopf hatte. Gemeint aber ist damit: In der Verwaltung (auch hier war wieder der schon einmal zitierte Ausschuss der Ort meines Aha-Erlebnisses) und in der Politik wird oft mit Wort“hülsen“ herumgeworfen, die alles Mögliche bedeuten können, kaum aber das, was sie als Wortlaut direkt „transportieren“. Das ist wie früher im venezianischen Karneval, als alle Leute die denkwürdigsten Masken trugen und ihr Alltagsgesicht dahinter verbargen. Die Wirklichkeit dahinter war dann vielleicht desillusionierend. Wenn mir wieder ein Beispiel für diese Kategorie einfallen sollte, werde ich sie später ergänzen. (Das Einzige, was mir jetzt in den Sinn kommt, ist der heutige Missbrauch des Begriffs „Reform“, der in seinen guten früheren Zeiten einmal eine Verbesserung der Lebensbedingungen der betroffenen Menschen beinhaltete, heute aber fast immer das Abspecken bisheriger sozialer Leistungen meint.)

Lieblingszitate CLX: Eine Freundschaft pflegen

Freundschaft ist wie eine Spur, die im Sand verschwindet, wenn man sie nicht beständig erneuert.

Unbekannte Herkunft

Diese Aussage habe ich auf einem Kalenderblatt zum Juli 2011 im Korsch-Kalender „Ein Glück, dass es Freunde gibt“ gefunden.

Diese Aussage trifft natürlich besonders auf Freundschaften zu, die offensichtlich einer ständigen Pflege bedürfen, wenn sie gut gedeihen und nicht nur in der Erinnerung existieren sollen. Aber gilt das nicht auch für alle anderen zwischenmenschlichen Beziehungen ebenso, wenn sie lebendig bleiben sollen!?

Vorbilder: Astrid Lindgren

.
ein spätes Reisemitbringsel von meiner Sommerreise nach Schweden!

Mit einem Kind nach Schweden gefahren zu sein, führt automatisch dazu, auf Schritt und Tritt Hinweise auf Astrid Lindgren zu finden. Aber das kann auch für Erwachsene ein Vorteil sein! Wer hat sich je so für die Rechte von Kindern eingesetzt und so kuriose und auch schöne Texte ersonnen, ein Genuss für Kinder, aber auch für Erwachsene, die ihnen vorlesen! Ich werde zwar nicht den Eindruck los, dass sie irgendwie auch das für immer verschwundene Land ihrer Kindheit verklärt und damit besonders in ihren Bullerbü-Büchern einen Mythos schafft, der ungesund ist, wenn man sich Zeit seines Lebens darin aufhalten möchte, ihn aber immer wieder einmal besuchen, das ist ein modernes Märchen zum Träumen, sollte Alt und Jung sie nicht dafür lieben!? Und es gibt noch so ganz andersartige Texte von ihr, an die ich mich zwar nur schemenhaft erinnere, die mich aber damals als Erwachsenen ganz in ihren Bann gezogen hatten, wie „Mio, mein Mio“ und „Die Brüder Löwenherz“.

Was mir aber jetzt besonders an Astrid Lindgren gefällt, ist ihre humorvoll-ironische Art und Weise, mit dem eigenen Altern und allen Gebrechlichkeiten umzugehen, wie ich es in dem folgenden Zitat gefunden habe:

Ich zitiere aus dem neuesten Baedeker über Südschweden (Ostfildern 2011, S. 351):

Für „ihren Sinn für Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit, Verständnis für Minderheiten und auch für ihre Liebe zur Natur“, erhält Astrid Lindgren 1994 in Stockholm den Alternativen Nobelpreis. 1996 benennt die Russische Akademie den neu entdeckten Asteroiden Nr. 3204 nach ihr, 1997 wird sie als Schwedin des Jahres ausgezeichnet. Mit einem Augenzwinkern bedankt sie sich beim Publikum: „Ihr verleiht den Preis an eine Person, die uralt, halb blind, halb taub und total verrückt ist. Wir müssen aufpassen, dass sich das nicht rumspricht.“

Als sie dies ausspricht, ist sie 90 Jahre alt (oder jung?)!!!

[Die farbliche Heraushebung folgt dem Baedeker, die Fettschrift ist hingegen meine Hinzufügung.]

Mein Motto für den Monat September 2011: Das Paradies finden

.

"Der Himmel kann warten,

ich hab ja das Paradies

auf Erden."


Walter Bartlomé

Diese Aussage ist das Motto zu dem wunderbaren Film „La casa delle favole“ (Das Haus der Märchen) von Karl-Heinz Heilig, den dieser 1999 veröffentlichte. Karl-Heinz Heilig drehte ihn im Garten von Walter Bartlomé in einem abgeschiedenen Tal in der Nähe von Basel. Bartomé hatte sich dort über Jahrzehnte einen wundervollen Garten geschaffen, mit dem er regelrecht „verwachsen“ war und den er liebevoll pflegte, zum gegenseitigen Gewinn. Ein wundervoller meditativer Film!