Montag, 25. Dezember 2017

Weihnachtsgrüße 2017

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Einen herzlichen Weihnachtsgruß an alle Leserinnen und Leser meines blogs!


Ich habe darüber nachgedacht, was für mich die drei Kernaussagen von Weihnachten sind und möchte sie hier vorstellen:

1.

Im Lukas-Evangelium singen die Engel auf dem Felde bei den Hirten
"Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens."

Mögen sich Theologen über die Auslegung der Worte "seines Wohlgefallens" streiten, ob da nur eine Auswahl von besonders "braven" Menschen gemeint ist - für mich ist dies die Verheißung von Frieden unter allen Menschen auf Erden ohne jeglichen Ausschluss, ein Grundrecht für alle Lebenden auf diesem Planeten ohne jedes "wenn und aber". Eine Erfüllung der Sehnsucht der überwältigenden Mehrheit der Menschheit und ein Aufruf an alle Kriegsparteien, eine friedliche Lösung ihrer Konflikte zu suchen und statt der Vernichtung von Leben und Gütern ihre Kräfte auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen zu richten.

2.

Die Hirten eilen zum Jesuskind und beten es an.

Diese ganze Geschichte spielt sich unter den Ärmsten der Armen ab. Die Bedingungen der Geburt Jesu sind armselig, ja erbärmlich, seine Eltern werden wie Obdachlose behandelt. Und Hirten in der damaligen Zeit gehörten nach meinem Wissen ebenfalls zur ärmsten Bevölkerungsgruppe mit den schlechtesten Arbeits- und Lebensbedingungen, die "outcasts" der damaligen Zeit.  Sie sind die Helden der Weihnachtsgeschichte, nicht die Reichen und Mächtigen! Diese haben sich erst später in der Geschichte des Christentums der Religion bemächtigt und sie zu ihren Gunsten zu nutzen versucht (und oft auch verstanden...). Ist dies nicht eine zwar gewaltfreie, aber dennoch revolutionäre  Ansicht über die  wahren Träger des Weltgeschehens?

3.

Maria und Josef müssen mit Jesus nach Ägypten fliehen, weil König Herodes um seine Macht fürchtet und den vermeintlichen Nebenbuhler töten will.

Jesus ist der erste Migrant in der Geschichte des Christentums! Demzufolge ist eine grundlegende Forderung des Christentums, Menschen in seiner Situation zu helfen und ihnen Lebenschancen einzuräumen! Hätten das die Ägypter seinerzeit nicht getan, gäbe es heute kein Christentum!

Darum ist es für mich heute fast eine Blasphemie, wenn  Menschen in Europa Flüchtlingen unter Berufung auf die "Bewahrung des christlichen Abendlandes" den Zutritt verwehren wollen und ein angeblich so durch und durch christliches (katholisches) Land wie Polen keinerlei Flüchtlinge aufnehmen will! Haben die Mächtigen in diesem Land wirklich die Bibel richtig gelesen oder haben sie sich eine Sonderausgabe geschaffen, in der unangenehme Wahrheiten  nur geschwärzt vorkommen? Papst Franziskus hat in seiner diesjährigen Weihnachtsansprache einen besseren Umgang mit Flüchtlingen angemahnt. Ich bin nicht katholisch, aber diesen Papst finde ich bewunderungswürdig wegen seines nicht erlahmenden Einsatzes für Frieden und Gerechtigkeit auf dieser Welt. Und dies trotz riesiger Widerstände und offensichtlich zum großen Missfallen z.B. eines erheblichen Teils des konservativen polnischen Klerus. Hoffentlich hat Franziskus noch lange die Kraft dafür!

Sonntag, 17. Dezember 2017

Wehmütige Gedanken an Polen, II. Teil

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Am 15.12.17 habe ich an dieser Stelle bereits "wehmütige Gedanken an Polen" veröffentlicht. Heute noch eine ganz wichtige Ergänzung, die ich bei meinen ersten Ausführungen ausgeblendet hatte: Zwanzig Jahre lang nach der Wende habe ich an einer Fachschule unterrichtet, deren Namensgeber Janusz Korczak ist! Ein ganz wesentlicher Abschnitt in meinem Leben! Allerdings verbinde ich mit seinem Namen zuerst Begriffe wie "jüdischer Pädagoge und Schriftsteller", "großer Reformpädagoge", "Heilpädagogik", "Waisenhaus mit Mitbestimmung der Kinder", "unsägliche Leiden der jüdischen Bevölkerung unter dem Nazi-Terror", "Treue bis in den Tod", erst dann "Polen" und "Warzawa", obwohl wir mit unserem Kollegium dort waren, alle einschlägigen Orte besucht haben und über eine liebe Kollegin polnischer Herkunft gute Kontakte zu einer Warschauer Hochschule pflegten.

Gut, wie dem auch sei! Jedenfalls ist dies für mich eine weitere starke Verbindung mit Polen und dessen Geschichte, mit der jüdischen Kultur und den ungewöhnlichen Persönlichkeiten, die sie hervorgebracht hat. Und ein unauslöschlicher Impuls, mich gegen jeglichen Antisemitismus und artverwandte Hasslehren gegenüber Minderheiten und gegen jegliche nazistische "Heilslehren" und überbordenden Nationalismus mit Abscheu zu wenden.  

Freitag, 15. Dezember 2017

Wehmütige Gedanken an Polen

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Wenn ich wieder einmal Nachrichten lese, in denen von Maßnahmen der jetzigen polnischen Regierung die Rede ist, ihre Herrschaftsansprüche im Inneren gegen alle bisherigen demokratischen Regeln für die Zukunft abzusichern und gleichzeitig Emotionen gegen die Zusammenarbeit, ja Freundschaft mit Deutschland zu schüren und eine neue "Eiszeit" vorzubereiten, bin ich im ersten Augenblick in einem Zustand ungläubigen Staunens über solche merkwürdigen und in meinen Augen unwürdigen Ereignisse. Und dann noch die Bilder von riesigen Aufmärschen von Rechtsradikalen in Warschau, an denen die Regierung nichts auszusetzen hat und damit ihre Akzeptanz eines solchen Gedankenguts zeigt:  Ich reagiere mit einer Mischung von Zorn und Trauer - und Wehmut.

Das ist eine Gefühlslage, die mich in letzter Zeit häufiger überkommt, wenn  ich die jetzige Welt mit ihren "bescheuerten" Auswüchsen (ich habe beim Nachdenken keinen besseren Begriff gefunden) sehe und mit derjenigen  in meiner Vergangenheit vergleiche. Diese war durchaus auch beängstigend und wahrscheinlich sogar bedrohlicher für uns Deutsche als heute, wenn ich noch an den "kalten Krieg" und die gegenseitige Atombedrohung denke (die aber noch immer nicht grundlegend abgebaut ist ... , vgl. meinen Beitrag v. 11.12.17). Aber es gab immer wieder und immer häufiger Lichtblicke in diesem Nebel, die eine Besserung verhießen - und auch brachten. Ich denke an Willy Brandts Kniefall vor dem Warschauer Ghetto-Denkmal, die beginnende Annäherung zwischen den Blöcken und die friedliche Revolution in der DDR. Gewaltig! Und Hoffnung machend! Das ist jetzt aber eine Weile her und z. Zt. erlebe ich eher ein "Rollback" in verfahrene Weltenlagen - auf jeder Ebene. Deprimierend! Daher in Erinnerung an frühere Aufbruchstimmungen die Wehmut...

Meine Wehmut gegenüber der Lage in Polen hat dabei eine lange Vorgeschichte. [Wenn ich jetzt polnische Ortsnamen in "deutscher" Umschreibung benenne, so hat dies lediglich etwas mit meiner Bequemlichkeit und Vergesslichkeit zu tun. Ich muss nirgendwo nachgucken, ob ich die für mich oft nicht ganz einfache korrekte polnische Schreibweise getroffen habe, die ich mir vielleicht nicht richtig eingeprägt habe. Ich weiß aber durchaus, dass "Posen" richtig "Poznan" heißt und "Krakau" "Krakow"!] Sie beginnt mit den immer wiederkehrenden Berichten meiner Mutter (vielleicht versuchte sie auf diese Weise, ihre damalige Traumatisierung abzuarbeiten ...) von ihrer Flucht 1945 mit meinen beiden Brüdern und ihren Eltern aus dem damaligen Landsberg a.d. Warthe (heute Gorzow W.) auf großen Umwegen bis hin nach Berlin. Ergänzt wurde das meistens durch die Erwähnung, dass ihre Mutter im damaligen Meseritz geboren sei und deren Vater "Kastellan" in einem großen Gericht in Posen gewesen war. Dies ergänzte sie, mit leuchtenden Augen, durch ihren Bericht von einem Besuch bei Onkel und Tante im damaligen Drossen, nicht weit von Frankfurt/O. auf der anderen Seite der Oder in der sog. "Neumark" gelegen. Der Onkel leitete eine Art von Musikkapelle, für die er "Lehrlinge" ausbildete. So etwas dürfte es heute nicht mehr geben! Drossen grenzt an einen kleinen See, in dem meine Mutter gerne badete und sich einmal bei einem Gewitter aus dem Wasser retten musste, wie sie immer ausführlich erzählte. In diesem See habe ich jetzt auch gebadet! Dort liegt nämlich eine "Pension" bzw. ein Schönheits-  und Wellness-Hotel, das meine Frau entdeckt hat und gerne besucht, wenn sie einmal zwei oder drei Tage "familienfrei" hat!

Das alles berichtete meine Mutter stets ohne alles Ressentiment und im Bewusstsein, dass diese Landstriche nie wieder zu Deutschland gehören würden. Sie wollte nicht einmal mehr eine Besuchsreise dorthin machen, was sie im hohen Alter nach der Wende durchaus noch hätte tun können. Diesen Besuch hat ihr mein älterer Bruder abgenommen, 1939 in Landsberg geboren und offensichtlich mit großem Interesse an den Orten seiner frühen Kindheit. Er erkundete Ende der 60-er Jahre, dass es an der Universität Hamburg einen "Arbeitskreis Polen" gab, der jedes Jahr eine Busreise nach Polen unternahm. Voller Begeisterung berichtete er davon nach seiner Rückkehr; ich habe dann in den folgenden drei Jahren auch immer mitgemacht. Die Route führte durch alle großen polnischen Städte - und immer auch nach Auschwitz. Bewundert habe ich die polnische Aufbauleistung nach dem Krieg, besonders den entbehrungsreichen Wiederaufbau der historischen Innenstädte von Warschau und Danzig, auch in Breslau, unbehelligt davon, wer früher einmal hier "Besitzer" war. Wir wurden überall freundlich und offen empfangen und spürten kaum Vorbehalte uns gegenüber. Bezeichnend dafür war Tadeusz, bereits im Rentenalter, den mein Bruder bei seinem ersten Besuch in Warzawa kennengelernt hatte. Er zeigte uns die Gedenkstätten in der Stadt, wusste aber strickt zu unterscheiden zwischen den fürchterlichen "Hitlerowski" und uns deutschen Freunden, die er zu sich in seine Wohnung hoch oben in einem Hochhaus direkt gegenüber dem Kulturpalast einlud. Für die Stimmungslage in Polen sprachen auch unsere Reiseerfahrungen: Die Grenzkontrollen beim Übergang durch die DDR waren eine Tortur, wir durften ja noch nicht einmal aus dem Bus heraus und wurden peinlich genau überprüft. Welch ein Aufatmen, wenn wir dann den polnischen Grenzpunkt erreichten! Hier wurde nicht mehr "gepingelt" und wir durften uns auch die Füße vertreten. Eine ganz andere Welt! Klar, es gab in Polen politisch sehr schwierige Zeiten und wir haben - solidarisch mit der Solidarnosc! - um einen guten Ausgang gebangt, aber nach der Wende taten sich dann noch weitere, ganz einfache Möglichkeiten auf, vom kleinen Grenzverkehr bis hin zu Ferienreisen nach Polen.

Verstärkt hat dies alles, dass auch die Verwandten meiner Frau väterlicherseits Flüchtlinge wie meine Eltern nach 1945 sind, ebenfalls aus der Neumark, nur nicht wie in meinem Fall in Schleswig-Holstein "gelandet", sondern in Frankfurt/O. und Umgebung. Wir haben die alten "Familien"-Orte jenseits der Oder mehrfach besucht, waren ebenso in dem wunderschönen Lagow und haben auch größere Reisen nach Krakow und an die Masurischen Seen gemacht, alles ganz selbstverständlich, in einer freundlichen Atmosphäre. Wenn ich in meinen Erinnerungen "krame", fällt mir eine ähnliche Leichtigkeit nur ein, wenn ich an Reisen und Besuche in Holland oder Dänemark denke.

Diese langjährige Selbstverständlichkeit  erscheint jetzt in Frage gestellt, deshalb meine Traurigkeit, mein Kummer. Wissen eigentlich die Herrschenden in Polen, was sie ihrer Bevölkerung und den Menschen in Europa antun? Fühlen sie sich für die Pflege solcher gewachsenen Strukturen nicht verantwortlich? Was gewinnen sie stattdessen - wirklich oder vermeintlich?

Am 17.12.17 habe ich eine Ergänzung zu diesem Text hinzugefügt!

  

Montag, 11. Dezember 2017

Zorn und Scham angesichts der diesjährigen Verleihung des Friedensnobelpreises

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ICAN, die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, hat den diesjährigen Friedensnobelpreis verliehen bekommen! Eine wunderbare Wahl, angesichts der weiterhin schwerwiegenden, ja überlebenslebensgefährdenden Bedrohung des gesamten Lebens auf der Erde!!

Mich packt aber der Zorn, mit welcher Gleichgültigkeit die "besitzenden" Atommächte nicht nur die vorliegenden internationalen Verträge nicht unterzeichnen, sondern auch noch diese unbequeme Verleihung durch Protest und Nichtachtung auszuhebeln suchen.

Und ich schäme mich, dass Deutschland, d.h. seine offiziellen Repräsentanten, sich diesem Boykott des UN-Vertrags zum Verbot von Atomwaffen angeschlossen hat. 

Freitag, 10. November 2017

Interview mit Juli Zeh

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In der neuesten Ausgabe des STERN (46/17 v. 9.11.2017) interviewt Oliver Creutz Juli Zeh unter dem Titel: "Das STERN-Gespräch: 'Ich bin jetzt nicht direkt für den Molotowcocktail'. Deutschland in zehn Jahren: Rechtspopulisten sind an der Macht, viele Menschen nehmen sich das Leben.  Die Schriftstellerin Juli Zeh über ihre politische Wut, die sie zu ihrem neuen Roman 'Leere Herzen' trieb".

Viele Passagen in diesem Gespräch drücken ein Lebensgefühl aus, das meinem eigenen sehr ähnlich ist, nur dass Juli Zeh im Gegensatz zu mir in der Lage ist, dies auch zu formulieren. Ich zitierte die mir wichtigsten Passagen:

[...]
Sie fragten nach der Wahl außerdem: "Wie gut muss es einem Land eigentlich noch gehen, damit die Menschen sich nicht mehr von fremdenfeindlichen Szenarien aufhetzen lassen?"

Lange Zeit hieß es: Die Leute, die sich rechtsextremen Ideen anschließen, das sind die Abgehängten in der Gesellschaft, das sind die sozial Schwachen, die fühlen sich benachteiligt, gedemütigt. Aus diesem Gefühl heraus entwickeln sie Aggressionen gegen Minderheiten, und deshalb wählen sie rechts. Doch diese Analyse stimmt nicht. Die Wähler der AfD sind weder besonders ungebildet noch benachteiligt. Damit bricht etwas zusammen, das mir total wichtig ist: der Glaube an einen zivilisatorischen Fortschritt.
[...]

Warum wählen Menschen rechts?

Zum einen aus Politikverachtung. Da heißt es: Die Politiker sind alle Idioten oder Verbrecher. Zum Zweiten aus 'Demokratieverachtung. Viele Leute verstehen nicht, wozu es bestimmte Artikel im Grundgesetz gibt. Braucht man die wirklich? Wieso haben wir Religionsfreiheit, wenn der Islam doch so terroristische Auswüchse hat?

Warum regen Sie sich über politische Entwicklungen so sehr auf, dass Ihnen schlecht wird?

Ich hab die Politik wohl verinnerlicht, sie liegt mir im Magen. Meine Generation ist in einer Phase aufgewachsen, in der es tatsächlich so aussah, als könne alles immer besser werden. So waren die Neunziger: Erziehung, Aufklärung, Internationalisierung, die Welt so weit öffnen, dass man nicht mehr fremdenfeindlich sein muss, weil man gesehen  hat, dass die Menschen so unterschiedlich nicht sind. Dass selbst die Religionen sich ähneln. Dass wir uns alle mal abregen können. Und dann kommt das Millennium, und eine Sache nach der anderen fährt vor die Wand, zuletzt der Brexit, dann Trump, jetzt die AfD. Das sind für mich persönliche Erschütterungen.

Erstarren Sie, oder sind Sie aufgebracht?

In den vergangenen zwei Jahren ist die Erstarrung fast schon zum Dauerzustand geworden. Ich bin wütend, aber kann es nicht mehr richtig äußern. Alle sagen: Jetzt muss man aufstehen und sich äußern! Das stimmt schon. Ich vertrete meinen Standpunkt, wo ich kann, auch im Privaten. Aber wenn ich zum Thema AfD oder Trump etwas sagen wollte - es wäre wieder nur die gleiche Sonntagsrede.
[...] 

Wehe, wenn sie losgelassen ...

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Beim Aufräumen habe ich in meinen Unterlagen eine Reihe von Zetteln gefunden, auf die ich einmal Ideen für einen Beitrag auf meinem blog notiert hatte. Was ich davon aufhebenswert finde, werde ich von Zeit zu Zeit hier veröffentlichen, so wie heute bereits die "Milchmädchenrechnung". Der folgende Gedanke stammt aus dem April 2015.

 Wehe, wenn sie losgelassen - oder: Was Germanen und IS gemeinsam haben

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Die Germanen, immerhin ganz wesentliche Ahnväter unserer heutigen europäischen Kultur, haben in der Völkerwanderung rücksichtslos große Teile der römischen Hochkultur zerstört. Das macht der IS jetzt wieder im Irak und Syrien, und zwar mit bilderstürmender Absicht. Ob das beim Zerstörungswerk der Germanen auch dahinter stand oder sie einfach nur von ihrer mangelnden Bildung her unfähig waren, die Errungenschaften der Römer zu nutzen und zu pflegen, weiß ich nicht, spielt ja auch vom Ergebnis her keine Rolle. Beides ist eine große Dummheit, weil es die Menschheit ihres kulturellen Erbes beraubt bzw. im Falle der Germanen die kulturelle Entwicklung um Jahrhunderte zurück"gebombt" hat.    

Eine Milchmädchenrechnung?

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Vor drei Jahren habe ich den folgenden leicht satirischen Text geschrieben, dann vergessen  und ihn jetzt wiedergefunden. Mir gefällt er noch immer, deshalb veröffentliche ich ihn heute in meinen blog:

Eine Milchmädchenrechnung - oder: wie meine Überlegungen nur knapp die Nominierung für den Alternativen Nobelpreis verfehlten

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Ich bin kein besonders guter Ökonom. Aber einige Zusammenhänge erfasse ich doch. So weiß ich, was unter "Bruttosozialprodukt" zu verstehen ist, nämlich die Gesamtzahl aller Leistungen - materiell oder informell an Dienstleistungen - die ein Land in einem Jahr erwirtschaftet.

Da heißt es überall und jedes Jahr aufs Neue, die erwirtschaftete Summe reiche nicht aus, um alle Begehrlichkeiten zu befriedigen - weltweit: den Hunger zu beseitigen, Armut nachhaltig zu bekämpfen, die Bildung überall zu verbessern, die Segnungen des Gesundheitssystems allen zugänglich zu machen, der Verschmutzung der Umwelt nicht mehr tatenlos zuzuschauen, den Klimawandel zu bremsen und neue Energiequellen zu erschließen. Und zumindestens für Deutschland: wie wir unsere Infrastruktur vor weiterem Zerfall bewahren und Brücken, Straßen und Gleisanlagen sanieren könnten.

Und ich behaupte schlicht und ergreifend, dass für alle diese Maßnahmen weltweit genug Geld da ist und es auch nicht am Personal zur Umsetzung der Maßnahmen fehlt. Wenn ausnahmslos alle Staaten eine Konvention unterzeichnen würden, ihr Militär aufzulösen, alle Konfliktparteien ihre Kämpfe einstellten, würden ungeheure Geldsummen frei und die Vernichtung von Menschenleben und Kulturgütern gestoppt.

Gut, aus einem Soldaten wird nicht innerhalb von Tagen ein Entwicklungshelfer, ein Facharbeiter für erneuerbare Energien oder ein Sozialarbeiter, aber Menschen lassen sich umschulen. Und: Rüstungsbetriebe brauchen auch etwas Zeit, um ihre Produktion auf menschenfreundlichere Gerätschaften umzustellen, aber das ist in Deutschland z.B. nach dem II. Weltkrieg auch geglückt (Kochtöpfe statt Stahlhelme ...) und ginge sicherlich weltweit, wenn man entsprechende Zeiträume einkalkulierte.

Aber was hilfts, ich bin und bleibe ein Spinner, die Welt schert sich nicht um meine Milchmädchenrechnung und geht lieber vor die Hunde ... Ich beneide nicht die Generationen, die nach uns kommen und die Suppe auslöffeln müssen, die ihre uneinsichtigen Vorfahren haben anbrennen lassen.

Mittwoch, 8. November 2017

Ist der Fanatismus des IS uns wirklich so fremd?

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Die Schreckenstaten des IS und der in seinem Namen Massaker begehenden Selbstmordattentäter erschrecken uns zutiefst und bleiben uns unverständlich. Wer aus unserem Kulturkreis würde sein Leben so leichtfertig wegwerfen  und so barbarisch unter Menschen wüten, die er gar nicht kennt?

So dachte ich bisher; bei einer der so beliebten Befragungen würde sich sicher der überwiegende Teil der Bevölkerung dieser Meinung anschließen.

Und doch ist diese Meinung geschönt und unehrlich, wie mir kürzlich bei einem Besuch in Vielitz-Seebeck in der Nähe von Neuruppin deutlich wurde. Die Täter, von denen ich dort erfuhr, begingen zwar keine Selbstmordattentate, aber sie wüteten nicht weniger barbararisch und vor allem auch ebenso völlig sinnlos wie jetzt die Leute vom IS. Es gibt dort nämlich eine Gedenktafel vom Todesmarsch der Häftlinge aus dem geräumten KZ Sachsenhausen im April 1945, verbrochen von Angehörigen der Lagerwache der SS. Im selben Monat, am 30.4.1945, sollte dann ihr "Gott" Adolf Hitler Selbstmord begehen und alle, die bis dahin bedingungslos auf ihn gehört hatten, im Stich lassen.

Wo bleibt da die sittliche Überlegenheit unseres christlichen Kulturkreises? Ich sehe darin höchstens den Auftrag an uns alle, uns für die Untaten unserer Vorfahren aktiv zu schämen, uns nicht erhaben über andere zu fühlen und stets wachsam dafür zu bleiben, dass sich nicht wieder Idioten in unseren Landen erheben, die für irgendeine irrationale Macht entsetzliche Taten vollbringen. Menschen möglich scheint das ja leider zu sein, wie die Gegenwart an vielen Orten der Welt zeigt.


Tröstungen

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Es gilt allgemein als gute soziale Eigenschaft, wenn jemand einen anderen trösten will, um ihm zu helfen und ihm damit über eine schwierige Situation hinwegzuhelfen.

Ich erlebe z.Zt. allerdings auch oft ein "Trösten" mit einer anderen Funktion: Mein Gedächtnis ist sehr schlecht geworden, und - um Offenheit bemüht - gebe ich das dann auch offen zu, manchmal ärgere ich mich auch ganz einfach nur über mich selbst, klage und möchte mir dadurch etwas Luft verschaffen. Die häufigste Reaktion von Gleichaltrigen, oft auch von Jüngeren, ist dann: "Mach dir nichts draus, was ist schon dabei, das habe ich auch häufiger." Gelegentlich folgt dann auch noch ein ausführliches  Gegenbeispiel meines Gegenübers. Und ich fühle mich mehr oder weniger "abgebürstet" und "stehe im Regen",  denn meine Botschaft, dass ich böse über mich selbst bin oder verunsichert  über meinen Geisteszustand ("Alzheimer" lässt grüßen!), ist damit ad acta gelegt, mein Gegenüber möchte offensichtlich nichts mehr davon hören und mir bleibt dadurch keine Gelegenheit, im Gespräch etwas über mich nachzudenken und meine negativen Gefühle zu verarbeiten. Ein wirkliches Trösten wäre gewesen, wenn mir mein Gegenüber ein wenig zugehört hätte und ich meine Gefühle und Sorgen hätte darstellen können. Aber das ist wahrscheinlich gar nicht so leicht auszuhalten und die beschriebene Form die einfachere Variante.

Das war das Thema mit meinem Gedächtnis. Es gibt aber noch gute andere Beispiele: Ein häufiges in der Kindheit unseres behinderten Sohnes war, dass auf von uns Eltern geäußerte Ängste und Sorgen hin ganz oft die Reaktion folgte: "Wartet doch ab, der Junge ist doch noch so klein,  vielleicht gibt sich das doch noch, er hat doch noch viel Zeit für seine Entwicklung. Bei manchen Kindern dauert das eben etwas länger." Nach einer solchen Antwort blieben uns dann unsere unglücklichen Gefühle auch im Halse stecken, denn unser Gegenüber hatte gerade signalisiert, dass er so etwas (Anstrengendes!!) nicht hören wollte, schon gar nicht unsere Gefühle aushalten.

"Trost" ist also nicht in jedem Falle Trost, wenn man sich die Situation genauer anguckt.

Montag, 25. September 2017

Armes Deutschland ...

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Die Ergebnisse der gestrigen Wahl sind bedrückend, allerdings nicht unerwartet. Die Zukunft hat sich deutlich verdüstert. Das geistig-intellektuelle Niveau einer Reihe von Redebeiträgen aus der Wahlkampfzeit war ja schon erschreckend niedrig - mit Tendenz "unter der Gürtellinie" - und wird jetzt wohl auch in die Bundestagsdebatten einziehen. Immerhin wollen dort ja einige Jäger - vermutlich mit Unterstützung ihrer Meute - Jagd auf die Regierung machen. Dass dabei die Faktenlage nicht unbedingt auf der Seite dieser Eiferer sein muss, dafür gibt es ja im Zeitalter der fake-news schon viele Hinweise. Ihre Unterstützer werden sich über die angefachten Emotionen freuen und sich nicht sonderlich um den Wahrheitsgehalt der Aussagen scheren... Mögen sich die einschlägigen Leute dennoch blamieren, wenn es um konkrete Parlamentsarbeit geht. Eine Erleichterung für mich war allerdings der Ausgang der Wahlen in LOS. Denn Alexander Gauland hat es nicht ganz geschafft, das Direktmandat zu erringen. Das erspart mir das Schamgefühl, ihn als direkten Repräsentanten meiner Region ertragen zu müssen.

Sonntag, 23. Juli 2017

Plauderei in Echtzeit

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Heute war ich sehr fleißig. Ich habe mir unerledigte Post und unbeantwortete Emails vorgenommen und war anschließend stolz auf mich, so viel abgearbeitet zu haben. Und hatte die Hoffnung auf eine Verschnaufpause und eine Weile Ruhe. Weit gefehlt! Als ich mein Email-Fach etwas später wieder aufmachte, hatte ich bereits mehrere Antworten erhalten, immer verbunden mit der Aufforderung, etwas zu bearbeiten und zu reagieren.

Das ist ja fast wie "ping-pong" und zwingt zu ständiger Reaktion, wenn man nicht ein Spielverderber ist und aus diesem Kreislauf aussteigt und Emails erst nach einer Woche beantwortet. Und das kann schiefgehen! Da hat mir die Referentin eines sehr anregenden Vortrags ihre Power-Point-Präsentation über einen besonderen Webseiten-Dienst per Link zugänglich gemacht. Als ich mir das in Ruhe angucken wollte, musste ich feststellen, dass ihre Präsentation nur 10 Tage zugänglich gewesen und bereits wieder gelöscht worden war. Wie einfach waren da noch die altmodischen  Zeiten mit den Briefen in unbegrenzter Haltbarkeit...

Ich finde das Tempo, das auf diese Weise allen per Email Kommunizierenden abverlangt wird, beängstigend und überfordernd auf meine alten Tage. Wahrscheinlich ist es auch dieses Erleben, was viele Menschen heute über die enorme Arbeitszeitverdichtung klagen lässt.

Dazu  habe ich vor Kurzem einmal die folgende "Geschichte" erzählt bekommen, ich weiß nicht mehr genau von wem und wann, aber sie ging in etwa so: Jemand schreibt an eine Firma/Institution einen Brief und bringt ihn zum Briefkasten. Wenn es noch rechtzeitig war, leert die Post den Kasten noch am selben Tag und stellt den Brief am Folgetag zu, sonst dauert es eben einen Tag länger. In der Firma/Institution verteilt die Poststelle die Briefe an die einzelnen Büros. Dort angekommen, wird der Brief von der zuständigen Sekretärin geöffnet und in die Postmappe ihres Chefs gelegt. Spätestens am nächsten Tag blättert dieser die neuen Unterlagen durch, macht sich vielleicht ein paar Notizen, gibt dann entweder den Brief zur weiteren Bearbeitung an einen anderen Mitarbeiter weiter oder denkt selbst noch einmal in Ruhe über eine Antwort nach. Am nächsten Tag diktiert er diese seiner Sekretärin, die ihn dann abschreibt und am Abend zur Poststelle weiterreicht. Diese versendet den Brief am Folgetag und einen  weiteren Tag später hat der Anfragende die Antwort in seinem Briefkasten. Ich habe etwas den Überblick verloren, aber alles in allem könnte schon eine Woche verstrichen sein - und vielleicht ist das sogar ein gutes Tempo! Wenns ganz eilig gehen soll, wird statt eines Briefes vielleicht ein Telegramm geschickt, aber viel mehr Einsparmöglichkeiten gibt es nicht.

Himmel, waren das noch gemütliche Zeiten... Nach heutigem Maßstab wahrscheinlich völlig unrentabel - aber nervenschonend! Und früher hat es meistens auch geklappt... Gut, dass ich mittlerweile Rentner bin, aber auch mich erwischt der neue Zeitgeist s.o.! 

Donnerstag, 13. Juli 2017

"Ich hasse nicht zurück"

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Nach den eher traurig und pessimistisch stimmenden Einträgen der letzten Tage möchte ich heute ein ganz kurzes Zitat bringen: aufbauend, erhellend und ein Geschenk für alle, die einen konstruktiven Dialog mit anderen Menschen wünschen und eingehen wollen:


"Wissen Sie, ich hasse einfach nicht zurück ..."
Gregor Gysi

Dieses erfrischende, witzige und menschenfreundliche Zitat verdanke ich der Buchbesprechung von Erich Ruhl im Publik-Forum 1/2016 über das Buch

Stephan Hebel: Gregor Gysi - Ausstieg links? Eine Bilanz. Westend-Vlg.

Mittwoch, 12. Juli 2017

Die Türkei, ein Land, dessen Demokratie im Sterben liegt

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Gestern war ein Themenabend in Arte über die Türkei unter Erdogan.

Was soll man über ihn sagen? In der Weltgeschichte und in der Gegenwart gab und gibt es zahlreiche Herrscher, die einem Psychiatrie-Lehrbuch "entsprungen" sein könnten. Über seinen ausgeprägten Narzissmus wird es sicherlich schon einige Studien geben, sonst muss man sich nur den Palast ansehen, den er sich hat erbauen lassen (in der Tradition der Pharaonen und ihrer Pyramiden). Schlimmer finde ich aber auch wieder in seinem Fall, wie ein großer Teil der Bevölkerung auf ihn reagiert, so dass er als "Rattenfänger" Menschen um sich scharen kann, die ihren Verstand ausschalten, ihm bedingungslos folgen und dabei Andersdenkende in größte Gefahr bringen. Wieder ein Beleg für "Dummheit" als prägendes Element in der Menschheitsgeschichte...

Im Abspann eines der Filme kam die bemerkenswerte Feststellung:

Die Türkei, ein Land, dessen Demokratie im Sterben liegt

Peter Härtling ist tot

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Am Montag ist Peter Härtling im 84. Lebensjahr gestorben.

Ich kenne ihn am meisten durch seine wunderbaren Kinderbücher ("Das war der Hirbel", "Ben liebt Anna", "Krücke", "Sofie macht Geschichten", "Alter John" und wie sie alle heißen). In einer unnachahmlichen Weise in schlichter, dabei sehr genauer Sprache schildert er darin Kinder in Situationen, die existentiell geprägt sind: Behinderung, erste Liebe, Hilfe durch Menschen in ungewöhnlichen Lebensumständen, "auffällige" Kinder, Sterben und Tod naher Menschen. Nie mit einem Zeigefinger oder erkennbarem pädagogischen Programm. Die Geschichten sprechen für sich.

Ich weiß, dass dies nur eine Seite seines Schaffens war. Allerdings habe ich Anderes nur wenig gelesen. Mit einer Ausnahme: "Nachgetragene Liebe", der Versuch von Peter Härtling, seinem schon lange verstorbenen Vater nahe zu kommen, indem er entscheidende Lebenssituationen von ihm nachzuvollziehen sucht. Ebenfalls ein wunderbares Buch, das mir sehr geholfen hat, meine eigene Vatergeschichte zu klären und meine guten Gefühle meinem Vater gegenüber zu entdecken. Danke, lieber Peter Härtling!

In den "Pantheon" berühmter Geister ist Peter Härtling sicherlich schon aufgenommen und wird in ihm bleiben, solange er Menschen im Gedächtnis ist. Ich wünsche ihm eine lange Zeit dort, er hat es verdient!! Was ich aber wirklich traurig finde, ist, dass mich mit ihm ein weiterer "Lebensbegleiter" und Zeitgenosse verlassen hat, der irgendwie mein Erleben und Denken stets mitgeprägt hat. Es wird langsam einsamer um mich und ich muss mir vergegenwärtigen, dass ich nicht mehr "jugendfrisch" bin... Gleichzeitig: Solche alten "Bekannten" wir Peter Härtling sind mir vertraut und ich habe einen unmittelbaren Zugang zu ihren Werken und Aussagen. Bei vielen Heutigen fremdele ich dagegen und halte Abstand zu ihnen, falls ich sie überhaupt kenne. 

Montag, 10. Juli 2017

Agents provocateurs in Hamburg?



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Krawalle in Hamburg: Die Autonomen als Helfenshelfer der Reaktion?

Für eine „Plauderei“, wie ich sie als Neuerung in meinem Programm seit dem 8.7.17 führen möchte, ist das Thema zu ernst. Ich möchte aber meinem Zorn – und meiner Ratlosigkeit Ausdruck verleihen, was den G 20 – Gipfel und die gewalttätigen Auseinandersetzungen dort betrifft.

Meinen Zorn darüber, wie es die – im Vergleich zur Gesamtzahl der Demonstranten – relativ geringe Zahl von sog. „Autonomen“ geschafft hat, durch ihre Aktionen die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit und Ablehnung auf sich zu ziehen und die Zeitungen und Nachrichtensendungen zu füllen.

Das Anliegen aller anderen Gruppierungen kam dadurch überhaupt nicht mehr zum Tragen und wurde auch völlig in der öffentlichen Meinung diskreditiert. Der Rabatz der Autonomen färbte alle Wahrnehmungen ein und ließ sicherlich nur noch bei wenigen besser informierten Zeitgenossen Raum dafür, Argumente abzuwägen und Kritik zu bedenken. Es gab ja schon Äußerungen in Zeitungen, dies alles mit „Terror“ zu vergleichen. Wenn dieser Begriff erst einmal gefallen ist, gibt es danach keinerlei Spielraum mehr für sachliche Argumente.

Was waren da alles für Potentaten in Hamburg vertreten, die uns alle das Fürchten lehren könnten, Trump und Erdogan an vorderster Front, aber sicherlich nicht sie allein! Wie sehr werden soziale Spannungen in aller Welt übergetüncht, wie wenig (bis keine) Kritik und Steuerung wird der Herrschaft des Geldes entgegengesetzt! Wie wenig wird Krieg und Atombewaffnung geächtet und Waffenhandel unterbunden! Das ist meine kurze Schlagwortsammlung für berechtigte Kritik, die andere Demonstranten  nach Hamburg geführt hat. Und deshalb mein Zorn, weil diese Kritik durch die Krawalle in der Öffentlichkeit nicht mehr angekommen sind und, wie gesagt, nachhaltig diskreditiert wurden. Alle in einen Topf …

Und jetzt meine Ratlosigkeit: Was soll das alles? Hat das überhaupt noch einen politischen Hintergrund, wenn marodierende Grüppchen durch die Stadt ziehen? Vielleicht gibt es einen „Racherausch“ und befriedigende Machtgefühle angesichts der erheblichen  Wirkungen  solcher Taten, aber aus einem politischen Kalkül heraus? Oder muss ich wieder einen meiner „Lieblingsbegriffe“ anwenden und die riesengroße Dummheit hinter diesem Verhalten anmerken, die zu völlig anderen Resultaten führt als vielleicht am Anfang einmal theoretisch benannt? Die sozialpsychologische Wirkung solcher “Taten“ könnte man wahrscheinlich in jedem einschlägigen psychologischen Lehrbuch vorab nachlesen, das zu leugnen bedarf schon  einer großen Portion Einfalt (und die Autonomen sind doch wohl in ihrer Eigenwahrnehmung intelligente Menschen …).

Da bleibt dann für mich fast nur noch ein Erklärungsmodell, denn Menschen handeln immer zielgerichtet und verfolgen Absichten/Interessen mit ihrem Verhalten: Wenn man das Pferd vom Schwanz her aufzäumt, kann man erkennen, wem das ganze „Theater“ nützt: Der „Reaktion“ bzw. all den Kreisen, die ein erhebliches Interesse daran haben, die Kritik am G20 – Gipfel beiseite zu wischen und Argumente dafür zu gewinnen, Überwachung und Restriktionen in unserem Land noch mehr zu verschärfen. Die ersten Politiker haben sich schon in diesem Sinne in Position gebracht und der Wahlkampf für die Bundestagswahl rollt an. Für alle, denen unsere bürgerlichen Freiheiten immer noch zu weit gehen, war dies eine „Steilvorlage“!! Also: waren agents provocateurs in Hamburg beteiligt? Und wer hat diese Leute „gesponsert“? Wenn man so mitkriegt, wie Geheimdienste in den verschiedensten Ländern und Gremien „mitmischen“, wäre so eine Fremdsteuerung ja kaum noch verwunderlich.

In Medien habe ich solche bösen Fragen bisher noch nicht gelesen. Aber so ungewöhnlich bin ich in meinen Gedanken sonst eigentlich nicht, vielleicht haben ja auch andere schon ähnlich gedacht. Vorbeugen möchte ich aber dem Vorwurf, ich mischte jetzt bei den „Verschwörungstheoretikern“ mit, denn üblicherweise verschleiern diese die realen Machtverhältnisse, während ich sie gern erkennen würde.

Samstag, 8. Juli 2017

Plauderei am 8.7.2017: Einkaufswagen bei ALDI

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Was für ein Thema! Aber soeben war ich mit meinem Sohn bei unserem üblichen Wochenendeinkauf. Wie gewohnt, mussten wir einen Augenblick vor dem Einkaufswagen-Parkplatz warten. Denn da brachte gerade jemand seinen Wagen zurück und holte sich sein Pfand. Dann gingen wir an den gerade zurückgegebenen Wagen, steckten unsererseit einen € als Pfand hinein und trollten uns in den Laden. Unzählige Male geschieht das an jedem Einkaufstag vor jedem beliebigen  Markt. Alle machen mit, keiner findet was daran, offensichtlich funktioniert es auch im Sinne der Ladenbesitzer, die keine fehlenden Wagen mehr im Umfeld zusammensuchen müssen.

Und trotzdem war es schon einmal anders, irgendwie kommunikativer und sozialer, es ist aber bestimmt schon zwanzig oder mehr Jahre her: Da nahmen die neuen Kunden nämlich ihren Vorgängern die Wagen ab, die diese zurückstellen wollten. In der Anfangszeit klappte es wohl sogar noch, dass dann auch Pfandmünzen oder Pfandmarken ausgetauscht wurden. Immerhin musste man dann einen anderen Menschen kurz ansehen, vielleicht auch einen Satz wechseln, im günstigsten Falle kurz anlächeln. Ob so oft statt des € dann nur ein wertloser Chip im Wagen war, dass keiner mehr seinem Vorgänger vertrauen und ihn durch eine eigene Münze auslösen mochte? Wer weiss, jedenfalls ist diese kleine Interaktion zwischen den Menschen mittlerweile wegrationalisiert, ersatzlos.    

"Plaudereien"

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Irgendwie läuft das immer wieder schief mit meinem blog: Einen kurzen Zeitraum über bin sehr aktiv, dann mache ich eine Pause, in der mein Themenreservoir und Zitatenvorrat so anschwillt, dass ich mich kaum an einen Neuanfang herantraue. Schade, finde ich selbst, denn Schreiben tut mir gut, klärt meinen Kopf und war schon immer das von allen Tätigkeiten, was ich am besten kann.

So habe ich mich entschlossen, meinen Anspruch an mich zu senken: Es muss nicht immer eine brillante Idee sein oder ein herausragendes Zitat. Mittelmaß genügt auch zur Not, wenn ich es dann, durchaus auch in kurzer Form, tatsächlich aufschreibe. Denn, ganz egoistisch: Schreiben tut mir gut! Diese Funktion sollen jetzt meine "Plaudereien" übernehmen. Mal sehen, wie lange ich das durchhalte ...

Sonntag, 11. Juni 2017

Hut ab vor Frau Merkel

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Im STERN 24/2017 v. 8.6.2017 wird Angela Merkels Stellungnahme zum Klimaschutzabkommen v. 2.6.2017 zitiert. Zwar noch diplomatisch "verpackt", gab sie eindeutig ihre Meinung kund:

"Wir brauchen dieses Pariser Abkommen, um unsere Schöpfung zu bewahren. Nichts kann und wird uns dabei aufhalten. [...] Allen, denen die Zukunft unseres Planeten wichtig ist, sage ich: Lassen Sie uns gemeinsam den Weg weitergehen, damit wir erfolgreich sind - für unsere Mutter Erde."

Der STERN kommentierte dieses Ereignis mit folgenden Worten:

"Keine vier Minuten brauchte die Kanzlerin am Freitag voriger Woche, um damit ihr eigentliches Anliegen klarzumachen. Es geht ihr um weit mehr. Es geht ihr darum, diese Welt zu retten - weil da einer ist, der diese Welt kaputt machen will. Jeder weiß, wer das ist. Sie muss ihn nicht einmal beim Namen nennen.

Es ist der vorläufige Höhepunkt einer nicht für möglich gehaltenen  Entfremdung zwischen den Regierungen in Washington und Berlin, wie es sie in der Geschichte dieser beiden Länder seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht gegeben hat [...]"

Klare Worte und unmissverständlich! Von der Qualität her ebenbürtig mit dem Ausruf "Wir schaffen das!". Ich bin weiß Gott kein CDU-Wähler, aber es ist ein gutes Gefühl, auch einmal auf einen obersten "Chef" stolz sein zu können, selbst wenn er einem anderen "Lager" entstammt, und das hat Angela Merkel in beiden Fällen verdient!  

Mittwoch, 7. Juni 2017

Lieblingszitate: Lao-tse als Wegweise(nde)r

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Nur wer sein Ziel kennt,
findet den Weg

Lao-tse

gefunden auf einer Postkarte aus den "Gärten der Welt" in Berlin-Marzahn, die z.Zt. die Bundesgartenschau beherbergen, sie ist aber schon viel länger in meinem Besitz

 

Lieblingszitate: Marc Chagall über das Altern

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Das folgende Zitat fand ich als "Schlussstein" im Publik-Forum 6/2017 v. 24.3.2017:

Die Leute, die nicht zu altern verstehen,

sind die Gleichen, die nicht verstanden

haben, jung zu sein


Marc Chagall (1887 - 1985)

Sonntag, 4. Juni 2017

Zur Situation Allgemeiner Förderschulen in Brandenburg (Leserbrief)



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Einen weiteren Leserbrief möchte ich heute ebenfalls in meinem Blog anführen. Auch diesmal handelt es sich um ein Schulthema, allerdings nicht im Hinblick auf Lehrer, sondern auf den Schultyp "Allgemeine Förderschule". Er stand bei der früheren Brandenburger Kultusministerin Frau Dr. Münch auf der "Abschussliste" in den Zeiten, als "Inklusion" zu einer Mode wurde. (Vgl. meine Anmerkung im Anschluss an den Leserbrief!) Mittlerweile wurde vieles von der Schulpolitik wieder zurückgerudert und die Allgemeinen Förderschulen dürfen noch weiterleben, haben es aber schwer ... Da mein Sohn eine solche Schule besucht, die für ihn als Autisten mit Lernproblemen die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen kann, die er an keiner anderen Schule vorfinden würde, habe ich mich in all seinen Schuljahren für diesen Schultyp engagiert und unterstütze dessen Fortbestehen. Er hat es bitter nötig, denn trotz aller anderslautenden Lippenbekenntnissen des  Schulministeriums sieht es nicht gut für die Zukunft derartiger Schulen aus. In unserem Landkreis LOS wurde bereits eine Schule geschlossen und eine weitere ist in der "Gefahrenzone", sollte ihre Schülerzahl weiter absinken.

Mein Leserbrief handelt von den Problemen von Eltern, ihre Kinder überhaupt an unserer Allgemeinen Förderschule anmelden zu können, und von der Benachteiligung der auf ihr lernenden Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf einen vernünftigen Schulabschluss. Ich habe ihn geschrieben an den Blickpunkt, eine in unserer Stadt Fürstenwalde/Spree erscheinende Wochenendzeitung, deren Redakteur ich auf einer Schulveranstaltung im Mai 2017 kennengelernt hatte. 


Sehr geehrter Herr K.,

am 16.5.2017 lernten wir uns beim Pressefrühstück der Kästner-Schule kennen, Sie als Vertreter des „BlickPunkt“, ich als Schul-Elternsprecher. Die Pressevertreter zeigten sich überrascht von den vielseitigen Angeboten der Schule mit den zahlreichen Projekten, die dort durchgeführt werden. Mein Sohn weiß das seit neun Jahren zu schätzen, ebenso die kleinen Klassen und die engagierten Sonderpädagoginnen der Schule. Für viele Schülerinnen und Schüler ein anregender Schutzraum, in dem sie ihre Fähigkeiten entfalten können, nachdem sie im sonstigen Schulbetrieb mit den großen  Klassenstärken eher Schiffbruch erlitten hatten.

Aber so einfach ist es nicht, an diese Schule zu kommen! Auch wenn vom Ministerium mittlerweile betont wird, dass die Allgemeinen Förderschulen in ihrem Bestand nicht bedroht sind, solange Eltern sie für ihre Kinder anwählen, ist es für viele Betroffene oft ein Hürdenlauf, die langwierigen Förderausschussverfahren durchzustehen und ihr Kind wirklich bei uns anmelden zu dürfen. Wirklich politisch erwünscht ist diese Schullaufbahn, trotz aller Beteuerungen, in Zeiten der „Inklusion“ wohl nicht mehr …

Eine weitere Ungerechtigkeit besteht seit langem und trotz vieler Klagen ist bisher keine Abhilfe geschaffen worden: Für die Schüler unserer Schule gibt es immer noch keinen offiziellen Schulabschluss, kein gesellschaftlich allgemein akzeptiertes Zertifikat nach 10 Schuljahren, es sei denn, dass die allerleistungsstärksten noch Zusatzkurse zum Abschluss besuchen. Resultat: Trotz erfolgreichem Lernen an der Schule bleiben die meisten Schüler nach 10 Jahren „im Regen stehengelassen“ und gelten in der offiziellen Schulstatistik als „ohne Schulabschluss“, eine große Ungerechtigkeit, die ihre Leistung schmälert und die Chancen für eine erfolgreiche berufliche Eingliederung in die Gesellschaft erheblich mindert. Viele liefen gegen diese Ungerechtigkeit schon Sturm, aber es hat sich von Seiten der Politik – und sie ist allein  dafür verantwortlich – bisher kaum etwas bewegt.

So sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf das, was Sie über unsere Schule erfahren haben: Der beste Ort, an dem mein Sohn lernen kann, gleichzeitig ein sehr vernachlässigter Ort der Schulentwicklung.

                                   Mit bestem Gruß 

Anmerkung zur Inklusion: Ich wende mich nicht gegen diesen Ansatz! Er beruht auf einer hervorragenden Idee! Wie immer hapert es aber an den tatsächlichen Begebenheiten. Die Schulen, die inklusiv arbeiten wollen (mittlerweile heißt das bei uns in Brandenburg bescheidener "gemeinsames Lernen"), haben immer noch eine viel  zu geringe Ausstattung für dieses Ziel. Gerade für Kinder mit Behinderungen reichen ihre Möglichkeiten oft nicht aus. So haben Eingangsklassen immer noch Klassenstärken um die 25 Kinder und es gibt zu wenig Sonderpädagogen und anderes Personal. In der Allgemeinen Förderschule meines Sohnes sind die Klassen nur mit 12 - 14 Schülern belegt und alle Lehrerinnen haben eine sonderpädagogische Ausbildung. Würden allen Schulen vergleichbare Bedingungen ermöglicht, könnte ich gerne auf den Schultyp "Allgemeine Förderschule" verzichten, aber das steht in den Sternen und unter den derzeitigen  Bedingungen ist es gut und notwendig, dass es noch Schulen gibt, die für Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedingungen einen Schon- und Schutzraum bieten, den sie an anderen Schule nicht vorfinden können.


Leserbrief zur Verleihung des Lehrerinnen- und Lehrerpreises 2017


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In Brandenburg gibt es seit einigen Jahren einen "Lehrerpreis", der vom Ministerpräsidenten an jeweils eine Lehrerin / einen Lehrer pro Landkreis verliehen wird. Grundsätzlich eine gute Gepflogenheit - wenn nicht so viele ebenfalls gute Kandidatinnen und Kandidaten auf dem Weg zu dieser Kür "aussortiert" würden. Gegen diese Form der Auswahl wendet sich mein Leserbrief an den Oderlandspiegel, der in seiner Regionalausgabe für Fürstenwalde/Spree und Erkner am 3. Juni 2017 über das Ergebnis für unseren Landkreis LOS berichtet hatte. 


Lieber Oderlandspiegel,



zunächst einmal schließe ich mich den Gratulanten für S. R. an. Eine Auszeichnung für einen Lehrer ist eine gute Sache, denn heutzutage Lehrer zu sein ist ein verdammt harter Job, der viel mehr gesellschaftliche Anerkennung verdient! Hut ab vor allen, die tagtäglich dieser Aufgabe nachgehen!



Aber ich werde dennoch ein schales Gefühl bei dieser „Lehrerolympiade“ nicht los, denn sie betont die Konkurrenz unter Lehrkräften und bestätigt die alte Vorstellung vom Lehrer als „Einzelkämpfer“. Was ist mit all den vielen anderen guten und engagierten Lehrern und Lehrerinnen, die bei diesem Wettbewerb um Gunst und Anerkennung leer ausgegangen sind und nicht minder preiswürdig wären? Bei der Olympiade gibt es immerhin noch eine Silber- und eine Bronzemedaille …



In unserem gesellschaftlichen  Bewusstsein ist es so stark verankert, im Wettbewerb mit anderen zu stehen, siegen zu müssen, besser zu sein. Dabei widerspricht das völlig den heutigen Vorstellungen in der Pädagogik über den Lehrer der Zukunft. Der soll nämlich teamfähig sein, sich mit anderen vernetzen und zum Wohl von Kindern und Schule kooperieren. Und Eltern melden ihre Kinder in Schulen an, die insgesamt einen guten Ruf haben, wohl weniger wegen einzelner Lehrer.



So wäre m. E. eine zukunftsträchtigere Form eines solchen Preises, ihn an ein besonderes Lehrerteam oder eine ganze Schule zu vergeben, die modellhaft für die Region ein engagiertes pädagogisches Konzept leben.



Mit freundlichen  Grüßen        Jürgen Lüder

Vier nutzlose Jahre für die Welt

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"Vier nutzlose Jahre für die Welt" oder so ähnlich klang es, was ich mir  kürzlich in einer Tagesschau-Sendung als Äußerung eines Politikers gemerkt habe. Möge er recht behalten, dass nichts Schlimmeres passiert ... Die Weltenlage ist trist, Dummheit und Ignoranz dienen vielerorts als Richtschnur in der Politik und werden auch noch durch fanatischen Fundamentalismus ergänzt. So fatal hatte ich es bisher in meinem ganzen Leben bewusst nicht erlebt, und mittlerweile bin ich immerhin 70 Jahre alt geworden... Ein Rückschritt in der kulturellen Entwicklung der Menschheit. Meine Klagen sind nicht gerade originell, alles ist schon vielfach gesagt und angeprangert worden. Aber es erleichtert schon, sie auszusprechen und mit Gleichgesinnten zu teilen. Allerdings trennt mich das dann auch von den Vielen, die Rattenfängern wie Trump und Konsorten hinterherlaufen, eine beängstigend große Zahl ... Möge es ihnen besser ergehen als in der alten Sage ... 

Sonntag, 19. Februar 2017

Weltmacht Dummheit

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Am 15.1.17 schrieb ich über "postfaktisch", das "Wort des Jahres 2016", also über die moderne Form des Argumentierens jenseits tatsächlicher Fakten und veröffentlichter und nachprüfbarer Informationen. Diejenigen, die sich dieser Technik bedienen, allen voran Herr Trump, aber auch Pegida und Co. und manche anderen Populisten, scheren sich nur wenig um etwas so Abstraktes wie "Wahrheit", sondern ersetzten sie gegebenenfalls durch innere Überzeugung. Und die scheint so festgefügt zu sein, dass die Betroffenen sich keinerlei Lüge bewusst sind, sondern  "ihre" scheinbare "Wahrheit" als absolut setzen und auch in Diskussionen kaum von anderen Sichtweisen zu überzeugen sind. So habe ich jedenfalls mehrfach in Berichten gelesen über die Versuche, mit Pegida-Anhängern ins Gespräch zu kommen.

Wenn jemand sich so gegenüber neuen Informationen verschließt und nicht bereit ist, über seinen Tellerrand hinauszublicken und sein Wissen zu erweitern, früher nannte man das Lernen, ist er entweder in einem eigenen Wahngebilde versponnen oder ihm fehlt einfach die Intelligenz zum Lernen. So schlicht würde ich das benennen.

In einem anderen Zusammenhang habe ich wieder einmal in einem Roman gelesen, den ich seit meiner Studentenzeit kenne und schätze, nämlich in Hermann Kasacks "Die Stadt hinter dem Strom". Ich will mich jetzt nicht über die ungewöhnliche Handlung auslassen. In sie eingebettet sind aber philosophische Betrachtungen über das menschliche Leben und die kulturelle Entwicklung der Menschheit. So werden dort in der Stadt hinter dem Strom in einem Archiv sämtliche geistigen Äußerungen der Menschheit, die originell sind und über lange Zeit Bestand haben, gesichtet und aufbewahrt, bis sie ihre Gültigkeit verloren haben und zerfallen.

In den Äußerungen eines der Archiv-Mitarbeiter findet sich der folgende Halbsatz, den ich erhellend zu meinem Thema finde:

... "denn nicht die Lüge ist die große Gegenspielerin der Wahrheit, sondern die Dummheit."

Solche kräftigen Worte würde ich in eigener Verantwortung nicht gern in den Mund nehmen, schon um nicht als "Verleumder"  oder überheblich zu gelten. Aber wenn Klügere vor mir bereits solche Gedanken gefasst haben, schließe ich mich ihnen gerne an.

Zitat aus: Hermann Kasack: Die Stadt hinter dem Strom. - Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979. (= Bibliothek Suhrkamp 296). S. 73  [Der Roman erschien erstmalig 1947.]  

Donnerstag, 16. Februar 2017

Erich Kästners Umgang mit den Widrigkeiten des Lebens

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Wie gehen andere Menschen mit den Widrigkeiten des Lebens, zumal in der derzeit konzentrierten Form, um? Da gibt es sicherlich eine Reihe von Möglichkeiten.

Eine besonders sympathische Sicht habe ich in dem gemeinsamen Buch der beiden "Riesen" Dalai Lama und Desmond Tutu mit dem Titel "Das Buch der Freude" gefunden. Es steht auf meiner Wunsch- und Leseliste, aber ich habe mich noch nicht ausführlich damit beschäftigt. So bald ich mehr darüber weiß, werde ich an dieser Stelle darüber berichten!

Sehr viel weniger lebensfroh fällt hingegen meine heutige Entdeckung aus, ein Ratschlag von Erich Kästner: eher satirisch, selbstironisch und pessimistisch gegenüber den Möglichkeiten der Verbesserung der Welt. Hier das Gedicht von einem der größten Moralisten, die ich kenne! Leiste Widerstand und sei nicht wehleidig!


Erich Kästner

Warnung vor Selbstmord


Diesen Rat will ich Dir geben:
Wenn du zur Pistole greifst
und den Kopf hinhältst und kneifst,
kannst du was von mir erleben.

Weißt wohl wieder mal geläufig,
was die Professoren lehren?
Daß die Guten selten wären
und die Schweinehunde häufig?

Ist die Walze wieder dran,
daß es Arme gibt und Reiche?
Mensch, ich böte deiner Leiche
noch im Sarge Prügel an!

Laß doch deine Neuigkeiten!
Laß doch diesen alten Mist!
Daß die Welt zum Schießen ist,
wird kein Konfirmand bestreiten.

War dein Plan nicht: irgendwie
alle Menschen gut zu machen?
Morgen wirst du drüber lachen.
Aber, bessern kann man sie.

Ja, die Bösen und Beschränkten
sind die Meisten und die Stärkern.
Aber spiel nicht den Gekränkten.
Bleib am Leben, sie zu ärgern!

Quelle: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke. Erstausgabe von 1936 im Cecilie Dressler Vlg. Hamburg. - Jetzt als dtv-Taschenbuch Nr. 11 001 in der 19. Aufl. 2003. S. 38 - 39.


Sonntag, 12. Februar 2017

Schämen Sie sich, Herr Schäuble!!

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Auf der Titelseite meiner gestrigen MOZ (11.2.2017) fand ich folgende ärgerliche Nachricht:

Schäuble vergleicht Schulz mit Trump

Berlin (AFP) Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz scharf angegriffen und mit dem US-Präsidenten Donald Trump verglichen. "Wenn  Schulz seine Unterstützer `make Europa great again`(Macht Europa wieder groß) rufen lässt, dann ist das fast wortwörtlich Trump", sagte Schäuble dem "Spiegel". Der SPD-Politiker rede Deutschland in einer Art und Weise schlecht, wie es niemand tun dürfe, der Kanzler werden wolle. Dabei gehe es dem Land und den Deutschen so gut wie lange nicht, betonte Schäuble.

Sehr geehrter Herr Schäuble, der Wahlkampf ist ausgebrochen. Da ist es verständlich, wenn  einmal "kräftige" Worte gewählt werden. Besonders dann, wenn zum Erschrecken der CDU die SPD plötzlich und unerwartet einen "Neustart" vorlegt, nachdem sie lange als völlig abgeschrieben galt. Aber doch nicht so! Bei allen demokratisch und halbwegs liberal orientierten Menschen in der westlichen Hemisphäre sitzt der Schock noch tief, wie Donald Trump nach seinem Wahlsieg die USA umzuformen beginnt und gegen jeden vulgär zetert und Kampfmaßnahmen androht, der nicht in seinem Sinne mitzieht. Jemand, der als aufrechter Demokrat gilt, mit ihm zu vergleichen, ist für mich eine  üble Verleumdung!!

Und "Deutschland schlecht reden"? Sicherlich leiden nur wenige Menschen bei uns direkte Not, da bisher das soziale Netzt hält, aber die Schere zwischen arm und reich war noch nie so groß wie heute, alles auch ein Resultat der von Ihnen vertretenen neoliberalen Politik - und um deren Auswirkungen auf ganz Europa zu verstehen, müsste man wohl nur mit einem griechischen Rentner sprechen, der gerade gegen weitere Rentenkürzungen demonstriert hat. Für unseren Wohlstand lassen andere Federn ... 

Freitag, 3. Februar 2017

Luthers Irrtum

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Vor kurzem las ich in einem Essay über Luther, er sei ein früher Fundamentalist gewesen. (Leider habe ich mir weder Verfasser noch Quelle notiert.) Das geht mir immer noch nach, denn das Thema "Fundamentalismus" beschäftigt mich sehr, wenn ich an manche Vorgänge der Gegenwart denke. Allerdings hat es für mich bevorzugt die Bedeutung, dass es Menschen gibt, die im Rahmen einer Lehre sich im Besitz der unveränderlichen Wahrheit wähnen und für sich daraus die Berechtigung ableiten, alle "Abtrünnigen" abzuwerten oder ihnen sogar ans Leben zu gehen. Für mich hat dieser Begriff dadurch eine sehr negative Konnotation: was Gewalttaten im Auftrag eines Gottes oder Führers betrifft, ohnehin, aber auch in intellektueller Hinsicht, wie jemand ohne Selbstzweifel und ohne den Diskurs mit anderen Menschen für sich eine für ihn so unumstößliche Meinung bilden kann und dann auch noch ein großes Sendungsbewußtsein entwickelt.

Derartiges hatte ich bei Luther bisher nicht erkennen können, auch garnicht in diesen Bahnen gedacht, vielmehr hatte ich seine Kritik an den Auswüchsen der damaligen Kirchenführung, die so stark von früheren biblischen Werten abgewichen war, als berechtigt anerkannt. Nun ja, fundamentalistisch im obigen Sinne ist dann sicherlich sein Vorgehen, alles an der "Elle" der Bibel zu messen, sie als einzige Quelle der Erkenntnis zu sehen und Traditionen und Lehrmeinungen der Kirche, die in ihr explizit nicht aufgeführt werden, zu verwerfen.

Das hat ja auch etwas Faszinierendes! Eine Quelle zu besitzen, die uns unmittelbar mit dem Göttlichen verbindet und die nicht angezweifelt werden kann. Das erinnert an die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten, die Moses vom Berge Sinai zu den Israeliten bringt. Und bei den Mormonen gibt es ja wohl die Geschichte vom Buch "Mormon", das dem Religionsgründer auch direkt von Gott geschickt wurde. Vermutlich gibt es in der Religionsgeschichte manche weiteren Belege für solche Beweise des Wirkens eines Gottes, die durch ihre materielle Anwesenheit jeden Zweifel erübrigten und damit sehr viel einfacher waren als der reine Glauben.

Hat Luther in der Bibel auch so eine Quelle gesehen, die ohne jeden Zweifel wahr ist? Dann würde ich allerdings an dieser Stelle seinen großen Irrtum sehen, der ihm aber gut zu verzeihen ist, denn damals gab es ja noch keine quellenkritische Bibelforschung, eine Entwicklung erst in unserer Neuzeit. Heute wissen wir, dass die Bibelvorlage, die Luther zur Übersetzung ins (neue!) Deutsche heranzog, selbst bereits das Ergebnis eines Diskurses war und eine lange Entstehungsgeschichte hatte, in deren Verlauf immer wieder über die richtige Version und die Auswahl von Texten gestritten wurde, die "würdig" genug waren, in den Kanon der "Heiligen Schriften" aufgenommen zu werden. So wird die Bibel zu einem großen Zeugnis der Menschheitsgeschichte und ihrer kulturellen Entwicklung, aber nicht zu einer nicht  hinterfragbaren göttlichen Offenbarung.

Mittwoch, 1. Februar 2017

Trump - und kein Ende ...

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Jeden Tag eine neue Horrormeldung aus den USA - und das dürfte erst der Anfang sein, nicht das Ende ...

Niemand möge sagen, das habe er nicht gewusst und auch nicht gewollt... Die Fakten sind eindeutig und es gab viele Informationen vorab über Trump. Nur dass sich ein großer Teil seiner Wähler für solche Argumente wohl nie interessiert hat - und das auch in Zukunft wohl kaum tun wird.

Ich habe zwei Quellen, aus denen ich "schöpfe", auch wenn das nur intellektuell Entlastung bringt:

1. Am 17.1.17 sendete Arte das Portrait von Trump "Präsident Donald Trump" des Filmemachers Michael Kirk. Nun, der Termin ist verstrichen, aber eine so brisante Sendung wird sicherlich noch länger aufzutreiben  sein.

2. Es gibt ein ausführliches Buch über Trump, und zwar des investigativen US-Journalisten David Cay Johnston "Die Akte Trump", erschienen im Ecowin-Vlg. in Wals 2016 (ISBN  978-3-7110-0115-3). Ich habe es mir soeben besorgt und erst angelesen. Aber Johnston wird als hervorragender Journalist gepriesen, beschäftigt sich bereits seit 30 Jahren mit ihm und hat vor ihm ausdrücklich gewarnt.

Montag, 23. Januar 2017

"Gutmensch", ein weiteres Unwort

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Beim Schreiben meines letzten Beitrags über "Volksverräter" fand ich in dem Zeitungsartikel eine Auflistung aller "Unwörter" seit 1991, darunter den "Gutmensch" von 2015. Noch so ein "Knaller" mit beleidigendem Inhalt!

Soweit ich weiß, haben diesen Begriff vor einigen Jahrzehnten Linke erfunden, die sich über den naiven und überzogen sozialen Touch einiger ihrer Mitstreiter mokierten; ich würde die Herkunft dieses Begriffs daher eher im kabarettistischen Bereich ansiedeln.

Das war einmal. Jetzt ist dieser Begriff von konservativ-rechten Vertretern "gekapert" worden und hat eine bösartige, verletzende Kampffunktion erhalten: Gegen die "Spinner", die in angeblich überzogener Weise als "Gute" Randgruppen sozial unterstützen und dabei das Wohl der Mehrheit der Bevölkerung zu opfern bereit seien.

Nicht jeder muss solche sozialen Bestrebungen unterstützen, damit kann ich gut leben. Dieser Begriff qualifiziert aber alle damit Gemeinten ab, erklärt sie zu "Dummen", die mit ihren Einstellungen und Taten allen anderen Menschen schadeten. Denn sie verschleuderten unsinnig materielle Ressourcen oder gäben Anrechte preis, die eigentlich nur allen anderen zustünden, eben den "Nicht-Gutmenschen", den "eigentlichen Realisten und Vernünftigen", die sich nicht emotional "über den Tisch ziehen ließen". Die beste Lösung wäre dann ja wohl, das "Gutmenschentum" entweder abzuschaffen oder wenigstens die Betroffenen umzuerziehen! Das klingt für mich immer mit. Da das (glücklicherweise) nicht geht, sollen sie wenigstens verbal Prügel beziehen und sich schämen, dass sie "Sozialschmarotzern" soviel Verständnis entgegenbringen.

Ich merke, ich gerate beim Schreiben richtig in Rage. Denn ich fühle mich stets mit angesprochen, wenn dieser Ausdruck fällt. Und pauschal mit abgewertet in meinen sozialen Einstellungen. Aber statt sich zu beklagen über die Schmähungen (eines Teils) des Zeitgeists, wäre es vielleicht viel besser, in die Offensive zu gehen und für die Werte der "Gutmenschen" zu werben! Ohne sie wäre die Welt ziemlich kalt und herzlos, kein guter Ort für Verständigung und Frieden. Alles Werte, deren Geltungsbereich jeder von uns mit Großzügigkeit und der Bereitschaft zum Verstehen erweitern kann. Ob die Kritiker sich in ihrem trostlosen Umfeld wirklich wohl fühlen?

Samstag, 21. Januar 2017

"Volksverräter" als "Unwort des Jahres" 2016

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Am 15.1.17 habe ich mich an dieser Stelle bereits über das "Wort des Jahres" 2017 ausgelassen, die merkwürdige Wortneubildung "postfaktisch". Heute folgt das Pendant dazu, das "Unwort" "Volksverräter".

Wiederum möchte ich die MOZ zu Worte kommen lassen, die am 11.1.17 darüber den folgenden Artikel verfasste und die Meldung offensichtlich für sehr bedeutsam hielt, denn er erschien auf der Titelseite unter den wichtigsten Nachrichten:

"Volksverräter" ist Unwort des Jahres

 

Jury verweist auf Herkunft aus NS-Diktatur  

 

 Der Begriff "Volksverräter" ist das Unwort des Jahres 2016. Das teilte die Sprecherin der "Unwort"-Jury, die Sprachwissenschaftlerin Nina Janich, am Dienstag in Darmstadt mit. Das Wort sei ein "Erbe von Diktaturen", unter anderem der Nationalsozialisten. "Als Vorwurf gegenüber PolitikerInnen ist das Wort in einer Weise undifferenziert und diffamierend, dass ein  solcher  Sprachgebrauch das ernsthafte Gespräch und damit die für Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft abwürgt."

Das Schlagwort "Volksverräter" werde auch in sozialen Netzwerken häufig verwendet, sagte Janisch. "Sprache sagt viel über Werthaltungen in einer Gesellschaft aus." Der Wortbestandteil "Volk" - ebenso wie die in der Flüchtlingsdebatte genannten Begriffe "völkisch" oder "Umvolkung" - steht laut Jury "dabei ähnlich wie im Nationalsozialismus nicht für das Staatsvolk als Ganzes, sondern für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschließt".      [...] 

Das Wort ist ein Knüppel, um damit auf unliebsame Volksvertreter einzuschlagen; er hat für mich etwas Ähnliches wie der Galgen für Angela Merkel, der auf einer Pegida-Demonstration in Dresden gezeigt wurde. Ob die Nutzer dieses Begriffes ihn auch unter vollem eigenen Namen an einer zitierbaren Stelle anwenden würden? Oder sind sie dafür zu feige? Wahrscheinlich gehört die Zusammenrottung einer Schar von Gleichgesinnten dazu, verbal derartig zu entgleisen, denn dann ist der Beifall sicher.

Es ist relativ einfach, sich aus sachlichen und moralischen Gründen von dieser Wortwahl zu distanzieren, aber wie kann man verstehen, dass Menschen zu einer solchen Äußerung greifen? "Fetzt" sie die bösartige Kraft dieser Benennung, mit der man es "denen da oben" mal richtig zeigen kann, ohne dass sich die Nutzer der NS-Vergangenheit bewusst sind, in deren Fahrwasser sie sich begeben? Das fände ich schlimm genug und intellektuell "unter aller Sau" (jetzt bediene ich mich ähnlicher Mechanismen, die das angenehme Kitzeln hervorrufen, außerhalb der üblichen Spielregeln sein Mütchen gekühlt zu haben, nicht viel anders, als wenn Jugendliche "Scheiße" brüllen). Oder tun sie es  w e g e n  dieser Herkunft, die sie damit wertschätzen? Das wäre eine direkte Kampfansage an Menschen wie mich und alle, die weiterhin unsere Verantwortung für Untaten unserer Vorfahren sehen und sie im Bewußtsein halten wollen. Denn das Wachhalten der Erinnerung ist der einzige Weg gegen eine Wiederholung dieser schandbaren Taten in der Zukunft.

Auf diese Einstellung gegenüber unserer Vergangenheit bin ich durchaus auch ein Stück stolz. Und deshalb   kränkt mich der "Volksverräter", der dies verächtlich und lächerlich zu machen versucht, auch persönlich.




Freitag, 20. Januar 2017

Dinosauria: Lädensterben

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Wieder hat ein Fachgeschäft in unserem Ort dicht gemacht. Offenbar lohnt es sich nicht mehr in der Konkurrenz zu anderen Geschäften oder die Inhaber haben aus Altersgründen ihren Laden geschlossen, weil sie keine Nachfolger gefunden haben. Das war schon bei Buchhandlungen, Fernsehgeschäften und einem Haushaltsgeräteladen so. Jetzt schließt ein Elektroladen für immer. Zwar soll wohl der Reperaturdienst erhalten bleiben, aber einen Verkauf gibt es dann in diesem Stadtteil nicht mehr. Abgesehen davon, dass alle diese Läden früher zu meinem Kiez gehört haben, sie und die Menschen in ihnen mir vertraut waren, so fehlt mir zukünftig auch eine Anlaufstelle, in der ich Fragen stellen und gegebenenfalls besondere Waren bestellen könnte.

Eine Auswirkung von "Geiz ist geil"! Die Spezialläden waren zwar meistens etwas teurer als die um sich greifenden Billig-Ketten. Dafür war das Sortiment breiter, das Personal besser geschult und ich konnte auch etwas ausgefallenere Dinge besorgen. Statt dessen veröden unsere Geschäftsstraßen und bieten überall ein ähnliches Bild. Z. Zt. sind Asia-Läden und Nail-Studios im Aufwind. Ich habe nichts gegen sie, aber ein Laden dieser Sorte pro Straßenseite würde reichen. Manchmal füllen auch Versicherungsagenturen die frei werdenden Läden aus. Noch spannender ...

Aber das ist ja sicherlich bundesweit so. In Berlin gibt es noch vereinzelt Straßenzüge mit interessanten kleinen Läden, in denen manchmal auch Ungewöhnliches angeboten wird. Überall dort, wo die Ladenmieten höher sein dürften, dominieren aber auch in Berlin dann die Ketten mit ihrem überall gleichen Angebot.

Donnerstag, 19. Januar 2017

Trump ante portas

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Trump, immer wieder Trump, ein z. Zt. unerschöpfliches Thema... Für mich auch das Eintreten eines Kulturbruchs und damit das Ende meiner bisherigen Weltsicht, die eher auf Zukunftshoffnungen und besonders auf der Gewissheit von zwar mühseligen, aber allmählich sich verwirklichenden Verbesserungen in der Menschheitsgeschichte basierte.

Aber was ist wirklich geschehen? Müssen wir Angst vor Donald Trump haben? Bei der Machtfülle, die er als US-Präsident in Kürze haben wird, kann uns ja einiges erwarten. Aber das wirklich Beängstigende ist nicht dieser Mann. So extrem unintellektuell, offensichtlich kognitiv von der Vielfältigkeit und Unübersichtlichkeit dieser Welt überfordert, dazu selbstverliebt, egomanisch und - der Begriff fällt schnell, ich bin kein Experte auf dieser Ebene, andere mögen das genauer ausleuchten - gesegnet mit wahrscheinlich vielen psychopathischen Eigenschaften, zu denen ja besonders fehlende Empathie und Mitgefühl mit anderen Menschen gehören sollen. Wenn wir Glück haben, überstehen wir die Jahre seiner Präsidentschaft einigermaßen heil, ohne dass er die Welt gar zu sehr durcheinanderbringt ...

Was mir aber wirklich Angst macht, ist die Tatsache, dass ein solcher Mann trotz (oder gerade wegen!?) seiner ungehobelten Auftrittsweise fast die Hälfte der Amerikaner geblendet und auf seine Seite gezogen hat. Dass eine so große Zahl von Menschen verführbar war von den Wortblasen und Attitüden eines solchen Mannes, so dass sie ihm vertrauten und in ihn ihre Hoffnungen setzten. Ich kann mir das nur  vorstellen im Rahmen einer Lebenssituation, die alle üblichen Hoffnungen eingebüßt hat und nur noch die Rettung in Radikallösungen sucht oder in der Ausbreitung einer Seuche, die ich "kollektive Dummheit" nennen möchte. Ich weiß, dass ich jetzt nur noch polemisch bin und mich auf "dünnem Eis" bewege, zumal der Begriff "Dummheit" eigentlich für einen Psychologen nicht zur Fachsprache gehört. Aber ich fürchte mich vor diesem Phänomen, für das ich keinen besseren Ausdruck weiss. Es macht mich einsam in dieser Welt, aber auch kämpferisch.

So schrecklich vieles auch ist, so sollte niemand vergessen, dass die größere Hälfte der Amerikaner ihn nicht gewählt hat ...

Noch ein später Gruß zum Neuen Jahr

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Die Themen, über die ich zur Zeit schreibe, sind zumeist eher düster und nicht unbedingt optimistisch. Davon hebt sich der folgende Spruch sympathisch ab, den uns eine liebe Freundin in einem Neujahrsgruß geschickt hat!

Vergangenheit ist Geschichte,
Zukunft ist Geheimnis,
aber jeder Augenblick ist ein Geschenk!

P.S. Neben der Funktion als "mein Sprachrohr" hat dieser blog für mich auch die Bedeutung, dass ich wertvolle Gedanken, Texte und Zitate durch eine Veröffentlichung an diesem Ort archivieren kann und einen guten Zugang zu ihnen habe, wenn ich einmal etwas suche. So habe ich diesen Spruch jetzt in mein  Internet-Archiv aufgenommen!

Mittwoch, 18. Januar 2017

Revolutionen "nebenbei"

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Mein Sohn interessiert sich sehr für religiöse Inhalte, und so ist das Thema "Martin Luther" jetzt sein Spezialgebiet - und damit auch für die ganze Familie. Wir lesen gemeinsam zu diesem Thema und auch ich beschäftige mich dadurch mit Luther, seiner schwierigen Persönlichkeit und den Auswirkungen seiner theologischen Revolution - eine soziale wollte er offenkundig nicht haben und unterstützte keine Bestrebungen wie diejenigen der Bauern. Vielleicht war das sogar im Sinne der Reformation klug. Denn im theologischen Bereich hatte diese Revolution nachhaltige Wirkungen, gekoppelt an eine soziale Bewegung wäre sie vielleicht wie die Bauernbewegung unter Thomas Münzer von den Herrschenden hinweggefegt worden.

Aber ich möchte auf einen ganz anderen Aspekt zu sprechen kommen. Die Reformation wäre undenkbar gewesen ohne die gleichzeitige Kommunikationsrevolution durch den Buchdruck, durch den Neuigkeiten und Texte erstmalig in größerem Umfang und an größere Personenkreise weitergemeldet werden konnten. Eine gewaltige Erfindung, die das geistige Leben umgewälzt hat.

Vielleicht kann man die Kette der Kommunikationsrevolutionen so sehen: erste Schriftzeichen, festgehalten z.B. auf Papyros-Rollen -- Mönche schreiben Bücher ab -- Buchdruck -- Telekommunikation -- Internet.   Denn die Entwicklung des Letzteren ist sicherlich ebenfalls eine große Revolution, die alles bisherige aus den Angeln hebt.

Für mich die spannende Frage, die vielleicht in meiner Lebenszeit nicht mehr beantwortet wird: Was kommt danach? Ist das schon die "Endstation" für den menschlichen Geist und seine technischen Realisationen? Gibt es überhaupt noch etwas, was als "mehr" oder "besser" hinzukommen könnte?

Aber an dieser Stelle wende ich mich von diesen Fragen ab; ich bin zu einer Prognose unfähig und habe schon hinreichend Mühe, das "Jetzt" des Internets zu begreifen und in mein Leben  zu integrieren - und meine Freude an gedruckten Büchern zu bewahren, die ich in die Hand nehmen und etwas hineinschreiben kann, wenn sie mir gehören. Dino lässt grüßen!

Sonntag, 15. Januar 2017

postfaktisch

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"Postfaktisch", diese eigenartige Wortneubildung, ist das "Wort des Jahres 2016"! Meine hiesige Tageszeitung, die MOZ, berichtete darüber am 10.12.2016:

Der Begriff  "postfaktisch" ist zum "Wort des Jahres" 2016 gekürt worden. In politischen und gesellschaftlichen Diskussionen gehe es zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten, erklärte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) am Freitag in Wiesbaden. Insofern stehe das Wort für einen tiefgreifenden politischen Wandel. Immer größere Bevölkerungsschichten seien aus Widerwillen gegen "die da oben" bereit, Tatsachen zu ignorieren und sogar offensichtliche Lügen zu akzeptieren.

Die Gesellschaft wählte das "Wort des Jahres" erstmalig 1971 aus, seit 1977 sucht die Jury alljährlich aus Tausenden Vorschlägen Wörter und Wendungen heraus, die das politische, wirtschaftliche  und gesellschaftliche Leben sprachlich besonders bestimmt haben. 2015 lag der Begriff "Flüchtlinge" ganz vorn. "Postfaktisch" hatte es vor kurzem in der englischen Übersetzung "post-truth" schon zum "International Word of the Year" 2016 gebracht.        [...]

Was soll man dazu als "alter Dinosaurier" sagen? Der Zeitgeist spielt verrückt; was ich als später Nachfahre der Aufklärung als zwar immer wieder gefährdeten, schließlich aber unaufhaltsamen Siegeslauf der Vernunft gegen Aberglauben und Unwissenheit  aufgefasst habe, kommt zur Zeit ins Stolpern oder droht sogar abzustürzen. Vielleicht trotzig, halte ich dennoch daran fest, dass es unverrückbare geistige Errungenschaften in der Menschheitsgeschichte gibt,  wie z.B. die Aufklärung, die Immanuel Kant definierte als "Ausgang des Menschen aus einer selbst verschuldeten Unmündigkeit". (vgl. Anmerkung)

Anmerkung: Ich als alter "Zitatenhansel" will auch diese Äußerung belegen. Sie steht in dem Text "Immanuel Kant - Was ist Aufklärung" auf S. 106 in dem schönen Tb. "Glaser, Lehmann, Lubos: Wege der deutschen Literatur. Ein Lesebuch. 8. Aufl. - Frankfurt/M. und Berlin: Ullstein 1969.        (= Ullstein-Tb. 372/373)." Dieses Buch hat eine Geschichte in meinem Leben. Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir es in meinen beiden letzten Jahren in der Schule  vor dem Abitur entweder selbst besessen (und evtl. später weggegeben) oder als Leihgabe zur Verfügung gehabt. Es war so eine Art von "geistigem Curriculum" für mich. Als ich es dann Jahre später in einem Antiquariat wiederentdeckte, habe ich es sofort erworben und es tut immer noch gute Dienste für mich.

Grüße für 2017

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Ich grüße die Besucherinnen und Besucher meines blogs!

Meine Grüße zum Neuen Jahr kommen dabei etwas spät, sind aber dennoch nicht weniger herzlich gemeint. Schwieriger ist es schon mit ihrem Inhalt. Angesichts der ziemlich tristen Weltenlage ist es schwierig, optimistische und erfreuende Inhalte für meine Wünsche zu formulieren. Aber die Fähigkeit zum Hoffen ist eine so grundlegende menschliche Fähigkeit, dass ich an sie anknüpfen möchte und uns allen Frieden wünsche, den die Welt insgesamt, aber auch jeder von auf ganz persönlicher Ebene bitter nötig hat!  

In dieser Hoffnung verbleibe ich Ihr             Jürgen Lüder