Donnerstag, 25. März 2010

Versöhnlichkeit ist doch möglich!

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Es ist still geworden um Erika Steinbach und ihre Versuche, die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ von ihrem Blickwinkel und dem des Bundes der Vertriebenen her zu dominieren. Dafür sind zwischenzeitlich zu viele „Westerwellen“ über dem Publikum zusammengeschlagen, das auf seiner Suche nach immer neuen Aufregungen von der Presse gut versorgt wird. Das heißt aber nicht, dass tatsächlich Frieden in der Arbeit dieses Gremiums eingekehrt sei und es jetzt seinem Zweck gemäß arbeiten könnte. In den letzten Wochen sind nämlich die Historiker Kristina Kaiserová aus Tschechien und zuvor Tomasz Szarotta aus Polen aus dem wissenschaftlichen Beirat der Stiftung ausgetreten, weil sie in der politisierten Stimmungslage mit ihren Einseitigkeiten nicht mehr mitarbeiten mochten. Der Stiftungszweck ist aber offenkundig verfehlt, wenn nicht Vertreter aller betroffenen Nationen darin mitwirken.

Wie soll so eine tragfähige Arbeit für Frieden und Versöhnung unter den Menschen in Europa zustande kommen? Wie sollen unsere Kinder – in allen Ländern – friedlich miteinander leben können, wenn es nicht gelingt, die Schatten unserer Vergangenheit angemessen zu betrauern und a l l e n, die unsägliches Leid ertragen mussten, ein ehrendes Gedenken zu bewahren?

Es geht aber auch ganz anders!

Neben den „breiten Wegen“ gibt es nämlich Initiativen, die eher in der Stille wirken, sich dafür aber um so mehr um echtes Verständnis zwischen den Menschen und wirkliche Versöhnungsarbeit bemühen und vor allem dabei auch sichtbare Erfolge haben!

So habe ich von einem Projekt der evangelischen Jugendarbeit in meiner Nachbarstadt Frankfurt/O. erfahren, das sich zum Ziel gesetzt hat, dem Schicksal von Zwangsarbeiterinnen aus der Nazi-Zeit nachzugehen, die 1942 nach Frankfurt/O. verschleppt worden waren.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Matthias Dörr und Burkhardt Koller erschienen im August 2008 in einer Broschüre unter dem Titel „Briefe ehemaliger Zwangsarbeiterinnen in Frankfurt (Oder)“. Die Kontakte zu diesen mittlerweile hoch betagten Frauen hatten sie durch Vermittlung der Stiftung „Verständigung und Aussöhnung“ in Kiew/Ukraine hergestellt.

Beim Lesen der Briefe war ich überrascht, mit welcher Freundlichkeit die alten Frauen den Frankfurtern geantwortet haben. Ich hätte Verbitterung erwartet, stattdessen zeigten sie viel stärker ihre Freude darüber, noch nicht vergessen zu sein und fühlten sich offensichtlich durch das Interesse an ihrer Person gewürdigt. Diese alten Frauen, vom Schicksal hart geprüft, beweisen so, dass so etwas wie Versöhnlichkeit möglich ist!

Ohne Hass, eher sehr sachlich schildern sie die unmenschlichen Zustände, unter denen sie in Frankfurt/O. arbeiten mussten. Dabei werfen sie „die Deutschen“ nicht in „einen Topf“, was ja nicht verwunderlich wäre nach diesen Erlebnissen, sondern unterscheiden sehr wohl zwischen „Faschisten“, dem unmenschlichen Meister, der offenbar seine sadistischen Züge durch Prügeln auslebte, und anderen Menschen, die es auch noch gab, die nämlich zu helfen versuchten! (Mich erinnert das an Erlebnisse auf Polenreisen in meiner Studentenzeit, als unser Bekannter in Warschau uns die Schandtaten der „Hitlerowski“ anhand der Gedenktafeln überall im Stadtbild zeigte, uns „Nachgeborenen“ aber freundschaftlich zugewandt war. Auch dies habe ich damals schon als Akt der Versöhnlichkeit erlebt!)

So haben diese Frauen drei Jahre lang Sklavenarbeit leisten müssen unter KZ-ähnlichen Bedingungen, geführt als „Nummern“, mit miserablem Essen, ohne Lohn und in ständiger Sorge um ihre Existenz. Diejenigen, die dieses Martyrium lebend überstanden haben, kehrten, oft gesundheitlich dauerhaft geschädigt, in eine Heimat zurück, die sie nicht mit offenen Armen empfing. Denn in der Sowjetunion unter Stalin wurde ihnen mit großer Skepsis begegnet, ob sie nicht mit den Deutschen kollaboriert hätten… Ein mühevolles Leben!

Inzwischen sind die Frankfurter von zwei der betroffenen Frauen in die Ukraine eingeladen worden und haben diese 2009 auf einer einwöchigen Reise besucht.

Matthias Dörr, einer der Initiatoren des Projekts, bewertete die bisherigen Bemühungen in einem Rundbrief zum Jahresende 2009 mit den folgenden Worten:

Ich hatte vor drei Jahren den großen Wunsch, einem Menschen, der als Zwangsarbeiter in meiner Stadt sein musste, die Hand zu reichen. Dies habe ich geschafft. Was bleibt? Ist dies alles nur Geschichte? Ich merke, dass nur über diese Handreichung heute Frieden in der Zukunft möglich sein wird.

Ich selbst möchte diesen kleinen Bericht mit dem Gruß von Antonia M. aus der Briefe -Dokumentation beschließen. Er hat mich sehr beeindruckt, denn sie hat ein so großes Herz!!

Ich danke Ihnen, Matthias, dass sie uns, die ehemaligen Zwangsarbeiter, nicht vergessen haben. Sie möchten der Jugend die Wahrheit erzählen über das Leid, das die Faschisten uns gebracht haben, uns 3 Jahre unserer Jugend gestohlen haben und unsere Gesundheit. Gebe Gott Ihnen Gesundheit und Glück. Möge Frieden sein, niemals mehr sollen unsere und Eure Leute den Krieg erleben müssen.

Mit den besten Wünschen Ihnen A.M.



Hinweise:
Evangelische Jugendarbeit im Kirchenkreis An Oder und Spree, Steingasse 1a, 15230 Frankfurt/O. , Tel. 0335-5563135.

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