Donnerstag, 11. März 2010

Jeder Furz kommt in die Zeitung

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"Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs gänzlich ungeniert." dichtet Wilhelm Busch in seiner "frommen Helene". [IRRTUM! vgl. meine Anmerkung unten!] Und gleichzeitig sind Zeitungen auf der Pirsch, ihre Leser durch neue Berichte von ihren Publikumslieblingen "bei der Stange zu halten". Wer es da erst einmal zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat, muss sich intellektuell nicht mehr sonderlich anstrengen; alles was von ihm kommt, und sei es ein geistiger Furz, findet Aufmerksamkeit und wird weitergeleitet.

Wie soll ich es anders verstehen, dass mir bei meiner Frühstückslektüre heute in der MOZ auf S.4, geschmückt mit seinem Bild, die neueste Höchstleistung von Thilo Sarrazin in die Augen sprang: Zur Verbesserung der Bildungssituation im Lande schlägt er harte Sanktionen vor, wenn Kinder z.B. nicht ihre Hausaufgaben erledigen. "Zweimal Hausaufgaben nicht gemacht, Kindergeld um 50 % gekürzt." Soll man lachen oder weinen oder auf den Kalender schauen? Aber der hilft auch nicht, denn der 1.April ist erst in 3 Wochen!

(Allerdings eine Frage an mich: Warum regt mich gerade ein Sarrazin so auf, der altersmäßig ja "in meiner Liga spielt"? Immerhin bin ich ein wenig geschult, mich selbst zu beobachten: Bin ich etwa auch neidisch auf ihn, der es mit "kotzbrockenhaften" Äußerungen zu so viel Publizität gebracht hat? Die ich noch verstärke, indem ich ihn selbst jetzt zum wiederholten Male auf meinem kleinen blog nenne? Vielleicht ist von diesen Überlegungen eine Spur wahr, denn ich bin und bleibe im Gegensatz zu ihm nur ein nobody ohne besondere Aufmerksamkeit. Aber Angeber haben mich auch schon in meiner Schulzeit geärgert, die es immer wundervoll schafften, mit breiten Ellenbogen und schmalen Leistungen das Interesse der Anderen auf sich zu lenken und von den Stilleren im Lande abzuziehen. Vielleicht ist das eine Wurzel m e i n e s Übels... - Gefahr erkannt - Gefahr gebannt? Jedenfalls ein Versuch wert, bei der nächsten kolportierten einschlägigen Leistung von Th.S. die Schultern zu zucken, freundlich zu grinsen und zu denken: "Mann, hat der das immer noch so nötig. Armer Kerl!")
Fett
Anmerkung v. 24.3.2010: Da bin ich doch einem echten Irrtum aufgesessen, ich war fest davon überzeugt, dass mich mein Gedächtnis nicht trügt. Aber ich habe die ganze "Fromme Helene" durchgeguckt und diese frappierende Aussage nicht gefunden.

Aber im Internet bin ich fündig geworden, und zwar auf den www.wilhelm-busch-seiten.de , verfasst von Jochen Schöpflin. Ich zitiere ihn, diesmal stichhaltiger:

Ist der Ruf erst ruiniert,
Lebt es sich ganz ungeniert.

Dieses Zitat wird neben Wilhelm Busch u.a. auch Bert Brecht zugeschrieben. Tatsächlich soll das Zitat vom Kabarettisten Werner Kroll um 1945 erstmals öffentlich vorgetragen worden sein. Es ist allerdings nie in gedruckter Form erschienen, so dass der Ursprung im Laufe der Zeit im Dunkel verschwunden ist.

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