Donnerstag, 11. März 2010

Dekadent: Politiker bekämpfen die Armen

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Mein Lesetipp zum aktuellen Streitthema um die Sozialkosten in Deutschland:

Wolfgang Kessler
hat im Publik-Forum 4/2010 einen einschlägigen Artikel "Politik und Dekadenz" (S. 12/13) veröffentlicht, der den Untertitel trägt:

"Wie das späte Römische Reich wird auch Deutschland nicht von Bedürftigen bedroht. Sondern von jenen, die lieber die Armen bekämpfen als die Armut".

Guido Westerwelles schrille Vorwürfe haben schon ihre Vorläufer, z.B. Peter Sloterdijk (Kessler zitiert dessen Beschreibung unseres Sozialstaats als "Kleptokratie, in der die Unproduktiven auf Kosten der Produktiven leben"). Viele in der Politik reagierten z.Zt. sehr gereizt auf das Thema Armut, denn "die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in diesem Land ist der moralische und soziale Offenbarungseid einer Wirtschaftspolitik, die seit mehr als zwanzig Jahren von der überwiegenden Mehrheit in Politik und Wirtschaft gutgeheißen und betrieben wird."

Ich zitiere weiterhin den sehr aufschlussreichen letzten Teil des Artikels, der sowohl Lösungsvorschläge macht als auch die schiefen historischen Sachverhalte wieder ins rechte Lot rückt:

"In dieser Lage helfen keine kurzatmigen Korrekturen. Stattdessen müssen Gerechtigkeit und Solidarität wieder zu zentralen Zielen der Politik werden. Es braucht keine Polemik gegen die Armen, sondern Schritte, um Kinder aus prekären Familien so zu fördern, dass sie selbst den Weg aus der Armut finden. Wer kritisiert, dass die Hartz-IV-Sätze so hoch sind, dass sich Arbeit nicht mehr lohnt, muss höhere Löhne fordern, vor allem für Geringverdiener. Und es braucht den Mut, die Spitzenverdiener und Vermögenden durch höhere Steuern wieder in die Solidarität einzubinden. Würden Vermögen, höhere Einkommen und hohe Erbschaften so besteuert wie in Frankreich, flössen jedes Jahr 66 Milliarden Euro mehr in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden.

Aber droht dann nicht wirklich die spätrömische Dekadenz? Nun, die Historiker sind sich in einem einig: An den Armen ging das Römische Reich nicht zugrunde, sondern an der Bedrohung durch die Germanen im Norden, die Perser im Osten - und am Verfall der intellektuellen Redlichkeit sowie am korrupten Luxusleben der selbsternannten Elite."

Dieser Artikel ist unter der Überschrift "Dekadent: Politiker bekämpfen die Armen" auch vollständig im Internet aufrufbar, und zwar auf der aktuellen Website des Publik-Forums www.publik-forum.de !

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