Dienstag, 7. Juli 2009

Mein Probeabonnement der "jungen Welt"

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Bis zum 27.6. hatte ich ein Probe-Abonnement der „jungen Welt“, nachdem ich einen Sonderdruck dieser Zeitung auf der großen DGB-Demo in Berlin am 16. Mai zugesteckt bekommen und mit großem Interesse gelesen hatte und der darin enthaltenen Einladung zu einem dreiwöchigen Probelesen gefolgt war.


Die Zeitung hat mich um eine Stellungnahme daüber gebeten, was mir gefallen hat und ob ich sie weiter abonnieren möchte. Meine gekürzte Antwort-Email setze ich hier in den blog:



Meine inhaltliche Stellungnahme an die „junge Welt“:


Mir hat an Ihrer Zeitung besonders die Berichterstattung und Kommentierung von Politik in Deutschland unter „linkem Blickwinkel“ gefallen, speziell zu sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen, ebenso Ihre Berichterstattung zum „Bildungsstreik“, der in meinen Bezugs-Zeitraum fiel. Ich habe einiges dazugelernt, z.B. von einem Ihrer Kommentatoren den wichtigen Hinweis, dass jetzt alle von der „Gier“ der Verantwortlichen in der Finanzwirtschaft reden würden und damit ein strukturelles Problem der kapitalistischen Wirtschaftsführung zu einem individuellen Charakterproblem einzelner Menschen umdeuten und damit verharmlosen!


Schwieriger für mein Verständnis (bei meinem „bürgerlichen“ Vorleben) war Ihre Berichterstattung über Ereignisse im Ausland, hier speziell die Unruhen im Iran. Sicherlich wohltuend – und mich zum Nachdenken anregend -, dass Sie nicht in die sonst weit verbreiteten „Hurra-Rufe“ ob des Widerstands gegen die uns hier im Westen fremde Herrschaft der Mullahs eingestimmt haben. So wurde mir dadurch erst klar, dass in diesen Unruhen auch Gruppierungen „ihr Süppchen kochen“, deren politische Ausrichtung sehr fragwürdig sein dürfte – bis hin zu alten Schah-Anhängern, ein buntes Gemisch. Aber eine brutale Staatsgewalt ist brutal und offensichtliche Wahlmanipulationen sind eine Manipulation und das Zusammenknüppeln von Gegnern war und ist für mich immer reaktionär und ein Zeichen für ideologische „Hohlheit“, wenn die Argumente ausgehen und nur noch Machtmissbrauch übrig bleibt.


Als sich die Ereignisse so zuspitzten, wurde Ihre Zeitung immer stiller und druckte fast nur noch die Verlautbarungen der staatlichen Stellen ab. Mangels anderer Bekundungen wirkte das für mich dann ähnlich wie eine Unterstützung für Chamenei und den Judenfeind und bekennenden Leugners des Holocaust Mahmud Ahmadineschad. Hier bleibt mir ein zwiespältiger Eindruck; zugegebenermaßen weiß ich zuwenig von allen Zusammenhängen …


Aber die „junge Welt“ wird in diesem Zusammenhang stellenweise zu einem „Kampfblatt“ einer Ausrichtung, die ich mit meiner Vergangenheit nicht in Deckung bringen kann und die mich, weil sie so ungeheuer ideologisch klingt, sehr reserviert macht: Werner Pirker schreibt am 20.6.09 über die „Asoziale Revolution“: „Was sich im Iran abzeichnet, ist die konterrevolutionäre Revanche an der Islamischen Revolution als Emanzipationsprozess der Volksklassen…“ Entschuldigung, ich möchte Herrn Pirker nicht zu nahe treten, aber von meinem Sprachempfinden her klingt dies wie die Aneinanderreihung von “Worthülsen“, nur diesmal von der anderen Richtung …


Ich war in meinem Leben immer irgendwie „ein Linker“, wenn auch nicht eindeutig nach einschlägigen Kategorien „einsortierbar“; je älter ich dabei werde (62 Jahre), um so offener werde ich auch für andere Positionen, die ich zumindest kennen lernen möchte, auch marxistische. Nur: ist Werner Pirkers Redeweise wirklich marxistisch? Der Marxismus ist doch auch eine lebendige Denkrichtung und Wissenschaft. Für mich klingt dies hier aber eher wie eine Predigt in reiner Orthodoxie. Das war noch nie meine Welt … Und ob ein fundamentalistischer Gottesstaat nicht auch noch aus anderen Blickwinkeln gedeutet werden müsste? (Ist er wirklich so emanzipatorisch, speziell bei der Behandlung von Frauen? Wie war das noch mit der Religion als „Opium für das Volk“?)


In ähnlicher Weise waren zwei Ihrer Vertiefungs-Beiträge für mich sehr fremd, in denen es in einem Fall um Entwicklungen in China in Form von aneinander gereihten Beschlüssen des Volkskongresses, also von Parteitagsbeschlüssen, im anderen Fall um Russland und dortige politische Entschlüsse ging.


Wie auch immer, an diesen Punkten ist mir deutlich, dass für mich die „junge Welt“ eine zusätzliche Informationsquelle sein könnte, aber keine ausschließliche. Wenn ich es mir finanziell leisten könnte, würde ich ein Abo der „jungen Welt“ kombinieren mit dem von 1 – 2 anderen Zeitungen. Aber das ist leider Utopie. So bleibt es bei Gelegenheitskäufen.


Aber insgesamt hat mir vieles sehr gefallen, auch Ihre Spezialseiten mit Sonderthemen. Ich wünsche Ihnen, Ihrer Zeitung und Ihrem Genossenschaftsmodell Kraft für ein Bestehen in dieser für Printmedien doch so schwierigen Zeit!


Mit freundlichen Grüßen JÜRGEN LÜDER

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