Mittwoch, 22. Juli 2009

Dinosauria VI: "Qualität" und "Qualitätsmanagement"

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Seit den 90er Jahren hat sich das „Qualitäts(un)wesen“ im sozialen Bereich breit gemacht. Qualitätsmanagement, Qualitätszirkel, Qualitätshandbücher, Zertifizierungssysteme … Jede Einrichtung, die etwas auf sich hält, macht mittlerweile bei diesem Zirkus mit. Z.T. spielt wohl auch die Sozialgesetzgebung mit hinein, die für die Abrechnung von Leistungen eine derartige Grundlage fordert.


Grundsätzlich also vielleicht sogar eine positive Idee, die es ermöglichen könnte, a´ la´ Aschenputtel gute von schlechten Einrichtungen zu trennen. Das aber über ein Qualitätsdenken, das aus technischen Produktionsprozessen abgeleitet wurde und bei der Herstellung normgerechter Schrauben hervorragend funktioniert, nicht aber mehr bei der Bewertung von Beziehungsprozessen sozialer Arbeit.


Was wird dennoch in den Betrieben, die es auf sich genommen haben, ihre „Qualität“ zertifizieren zu lassen, auf sich genommen, um jede Einzelheit des Betreuungsablaufs zu operationalisieren! Möglicherweise kommt man sich dabei wirklich „auf die Schliche“ und kann vereinzelt Abläufe verbessern. Aber eine Kernfrage im Sozialen bleibt unlösbar, jedenfalls aus meinem Blickwinkel: Die Qualität sozialer Arbeit steht und fällt mit der Qualität der eingegangenen Beziehung zwischen Helfer und Hilfsbedürftigem. Wieweit ist der Helfer in der Lage (von seiner Persönlichkeit und von seiner aktuellen Bereitschaft her), sich auf sein Gegenüber einzulassen und diese Beziehung durchzustehen und zu gestalten? Dass es dafür erforderlich ist, die Rahmenbedingungen zu verbessern, Helfer ordentlich zu bezahlen und auszubilden, steht außer Frage. Aber wie soll man diesen Kernbereich „messen“? Und um messbare Prozesse dreht es sich im gesamten Qualitätswesen.


Ich habe überzeugte Vertreter des Qualitätsmanagementwesens kennen gelernt, die für dieses Argument völlig taub waren. Irgendwie war es für mich nicht möglich, mit ihnen in eine tiefer gehende Diskussion einzusteigen. Wie zwei Welten. Es erinnerte mich an frühere Auseinandersetzungen zwischen Tiefenpsychologen und Behavioristen. Auch in diesem Fall haben die Behavioristen „gesiegt“, in dem nämlich die von ihrem Gedankengebäude ausgehende Wirksamkeitsforschung in der Psychotherapie mittlerweile die Standards bestimmt, nach denen Therapieformen bei den Kostenträgern als anerkannt gelten oder nicht. Und da sind dann die aus der behavioristischen Tradition stammenden, gut operationalisierbaren Verfahren der Verhaltenstherapie immer „eine Nasenlänge“ voran …


Ein weiterer Grund, warum Vertreter des Qualitätsmanagements ihre Methode so vehement vertreten, könnte auch – schlicht und ergreifend – ökonomischer Natur sein. Es ist eine neue Welt entstanden (in anderer Terminologie „ein neuer Markt“), in der sich Ausbildungsstätten, Zertifizierungsgesellschaften, Berater und in den Institutionen zugeordnete Bereichsleiter und Fachpersonal „tummeln“, die es vor dem „Qualitätsboom“ so noch gar nicht gab. Und dieser Markt dürfte seine Fachleute gut ernähren! Wenn dies nur eine zusätzliche Sparte im sozialen Bereich wäre, könnte man es als teilweise fragwürdige, teilweise hilfreiche Ergänzung sehen, die aber im gesellschaftlichen Bereich offenbar noch irgendwie gut finanzierbar ist.


Dem ist aber nicht so!! Gleichzeitig mit der Forderung nach nachweisbarer Qualität deckelten die Leistungsträger seinerzeit die Höhe der Leistungen, die sie zu bezahlen bereit waren. Es gibt also nur einen gleich bleibend großen „Kuchen“, aus dem sich das Qualitätswesen ein schönes Stück herausgeschnitten hat. Also neue Jobs nur auf Kosten alter Ressourcen …


Die Entwickler des Qualitätswesens haben dabei gute Vorbilder. Denn es war früher im Bereich psychotherapeutischer Verfahren ganz ähnlich: Erfinde eine neue Methode, begeistere Anhänger dafür, gründe ein Ausbildungsinstitut und bilde die Leute aus. Dann hast du bis zu deinem Lebensabend ausgesorgt … Ein gutes Rezept!!


Ich bin und bleibe ein alter Dinosaurier und mache mich mit meinen Meinungen wahrscheinlich nicht beliebt. Aber vermutlich hört ohnehin kaum jemand darauf. „QM“ ist jedenfalls fest „implementiert“ und erfolgreich, es ist offensichtlich sehr nützlich für alle, die es hauptberuflich betreiben, möge es ebenfalls Nutzen haben für alle, die es nach diesen anwenden müssen …

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