Mittwoch, 22. Juli 2009

Aufklärung über Alkohol, ein Leserbrief an die MOZ

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In der Märkischen Oderzeitung (MOZ) erschien am 17.7.2009 unter dem Titel:

Bätzing will Unterricht gegen Alkohol. Drogenbeauftragte schlägt neues Fach vor

der folgende Artikel, den ich hier leicht gekürzt wiedergebe:

Im Kampf gegen das Koma-Trinken bei zehntausenden Jugendlichen hat die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing [SPD] flächendeckenden Schulunterricht für gesundes Leben vorgeschlagen. […] Die Aufklärung über Gefahren von Alkoholmissbrauch müsse schon bei Kindern beginnen und sich „wie ein roter Faden“ durch die Ausbildung ziehen. „In der neunten Klasse im Biounterricht über Alkohol zu sprechen, ist eindeutig zu spät.“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützte die neuerliche Forderung nach einem Schulfach für mehr Lebenskompetenz und Alkoholvorbeugung. „Wenn die Elternhäuser das offenbar nicht mehr leisten können, muss der Staat das teilweise übernehmen“, sagte Geschäftsführer Gerd Landsberg. Mehr als 23 000 Kinder und Jugendlichen kamen nach Koma-Besäufnissen zuletzt ins Krankenhaus. Massiv griff Landsberg die Krankenkassen an. Sie gäben nur 18 Cent pro Jahr und Versicherten für Alkoholprävention aus […].

Auf der 2. Seite folgt unter der Rubrik „Gesagt ist gesagt“ zusätzlich noch das folgende erhellende Zitat von Sabine Bätzing:

„Wenn sie kein Jugendzentrum, keine Freizeiteinrichtung mehr haben, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie mit einem Sixpack zum Bushäuschen gehen.“

Das hat mich veranlasst, der MOZ am 22.7.09 einen kurzen Leserbrief zu schreiben:
[ Dieser Leserbrief wurde tatsächlich in leicht abgewandelter Form am 25.7.09 in der MOZ veröfentlicht, vgl. meinen blog v. 3.9.2009!]

Leserbrief an die Märkische Oderzeitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großem Interesse habe ich am 17.7.09 Ihre Berichterstattung über den Vorschlag der Drogenbeauftragten Sabine Bätzing gelesen, ein neues Schulfach für gesundes Leben und zur Aufklärung über die Gefahren des Alkoholmissbrauchs einzuführen.

Ich finde es begrüßenswert und überfällig, dass nach dem großen Thema „Rauchverbot“ nun auch das von den Auswirkungen her viel schlimmere Thema „Alkohol“ angesprochen wird. Frau Bätzing wird aber noch viel Durchhaltekraft zum Kämpfen brauchen und viele Steine beiseite räumen müssen, die ihr mit Garantie Alkohollobby und Gesellschaft in den Weg legen werden, bevor sie wirkliche Verbesserungen initiieren kann. Denn „Aufklärung“ kann nur ein erster Schritt sein in unserem „vom Alkohol durchtränkten Land“. In diesem Sinne finde ich die im selben Artikel zitierte Stellungnahme von Gerd Landsberg (Deutscher Städte- und Gemeindebund), der die Krankenkassen wegen zu geringer präventiver Maßnahmen angriff, an den falschen Adressaten gerichtet. Es sind andere Mächte, die ein Interesse daran haben, dass weiterhin der Alkohol in Deutschland in Strömen fließt. Aber wahrscheinlich ist es gefährlicher, sich mit denen anzulegen …

Mit freundlichen Grüßen JÜRGEN LÜDER


Ein erster Schritt! Und jetzt auch für die richtige Zielgruppe! Ich fand es nämlich vorher manchmal schon eher komisch, mit welcher Vehemenz für und gegen das Rauchen gekämpft wurde, der Alkoholkonsum aber tabu blieb. Manchmal taten mir fast die Raucher leid, weil viele Regelungen nach dem „Alles-oder-Nichts“-Prinzip gestrickt waren und keinerlei Zwischentöne erlaubten. Mir selbst tat es allerdings nicht weh, denn ich rauche seit 9 Jahren nicht mehr, ohne dass mir etwas fehlt. Beim Alkohol empfinde ich es ähnlich, nur dass der Beginn meiner Abstinenz-Zeit nun schon bald 17 Jahre zurückliegt. Für beide „Abstinenzen“ empfinde ich etwas wie Dankbarkeit, denn ich vermisse nichts mehr von diesen „Volksdrogen“ in meinem Leben und es geht mir unvergleichlich viel besser ohne sie. Ich bin dadurch aber nicht zum Moralisten geworden, möchte eher solche Bewegungen unterstützen, die speziell die Ausbreitung des Alkohols in unserer Gesellschaft eindämmen wollen. Dafür habe ich schon zuviel Elend mitbekommen, der vom Alkohol ausgelöst wurde.

Hoffentlich wird dieser Impuls von den Schulen gut aufgegriffen. Denn allein von der Schulbürokratie steht dem ja einiges entgegen: Die Stundentafel müsste geändert werden, die Lehrbefugnis von Lehrkräften für dieses neue Fach müsste geklärt werden, Stoffverteilungspläne fehlen und, und, und…

Ein Frage ans Gewissen: Konnten Lehrer, denen dieses Thema wichtig war, es nicht auch bisher schon in ihrem Unterricht unterbringen? Wäre das nicht eigentlich „ein Job“ für Klassenleiter in entsprechenden Verfügungsstunden? Allerdings würde das alles natürlich auch ein wenig Selbsterfahrung bei solchen Lehrkräften erfordern und z.B. ein Nachdenken über das Gläschen Rotwein oder den Sekt, den jeder mal so gerne trinkt?

Grundsätzlich glaube ich, dass Kindern und Jugendlichen im schulischen Bereich ohnehin viel mehr an Wissen über pädagogische und psychologische Sachverhalte beigebracht werden könnte im Sinne einer sozialen „Grundausstattung“ für kompetentes Tun und Helfen, mit grundlegenden Kenntnissen über Kindererziehung, Sexualität, Gestaltung einer Partnerschaft, seelische Probleme einschl. süchtiges Verhalten und vieles mehr, eine praktische Ethik gesunder Lebensführung, warum nicht mit einschlägigen Übungen. Zwar gibt es wohl in Gymnasien Leistungskurse im Fach „Psychologie“, aber die dienen wahrscheinlich eher der Vorbereitung auf ein Psychologie-Studium als solchen lebenspraktischen Fragen. Dies ist ein Thema, für das ich mich gerne „stark“ machen würde, wenn es dafür einen Ansatzpunkt gäbe!

Ich habe mich mit dem Thema „Jugend und Alkohol“ übrigens schon vor Jahren ausführlicher beschäftigt und seinerzeit einen Artikel darüber geschrieben. Er findet sich bereits auf meinem blog unter dem Titel „Reminiszenzen: Jugend und Alkohol“ am 30. April 2009!

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