Freitag, 10. Juli 2009

Die Kunst des Zuhörens

.

Jahrelang habe ich an meiner früheren Fachschule „Kommunikation“ und „Gesprächsführung“ unterrichtet. Davon ist mir vermutlich vieles an Grundgedanken, aber auch an Techniken „in Fleisch und Blut“ übergegangen, ohne dass ich es noch merke. Ob meine Mitmenschen es dadurch im Umgang mit mir leichter haben, weil ich – zumindest theoretisch – ein geschulter Zuhörer bin, müssen diese beurteilen. Auf jeden Fall habe ich aber einen geschärften Blick – oder besser: ein geschärftes Ohr – für das, was ich im Umgang mit meinen Mitmenschen beobachten kann (und manchmal leider muss).


Ich erlebe an mir selbst, dass mir persönlich das Zuhören nur dann gelingt, wenn ich innerlich einigermaßen frei bin, mit keinen drängenden eigenen Problemen kämpfe und wenigstens ein halbwegs freundliches Interesse an meinem Gegenüber habe. Fehlt davon etwas, fühle ich mich z.B. bei bestimmten Menschen von der ewigen Wiederkehr bestimmter Themen genervt, bleibt von mir höchstens eine freundliche Fassade (ich bin schließlich als höflicher Mensch erzogen worden) ohne wirkliche Anteilnahme. Ich bin dann innerlich auf dem Sprung, einen Ausstieg aus dieser Situation zu suchen, ohne mein Gegenüber gar zu sehr zu verletzen. Es scheint aber Menschen zu geben, die sogar den Monolog gegenüber einer solchen Fassade der Einsamkeit mit sich selbst vorziehen…


Wie schwer es allerdings ist, selbst einen zuhörenden Gesprächspartner für eigene Probleme zu finden, der nicht gleich ein Profi ist (und gerade die können es auch nicht immer …), habe ich am eigenen Leib schon häufiger erlebt. Vielleicht ist es bei mir aber auch besonders hinderlich, dass ich durch mein Vorwissen zu anspruchsvoll bin?


Jedenfalls werde ich mittlerweile stumm oder wechsele das Thema, wenn meine Versuche, ganz schlicht meine Situation und meine Erlebnisse aus meiner Sicht zu schildern, bei meinem Gegenüber nur ständige „ja, aber“ und „du siehst das ganz falsch“ und „ich verstehe deine Gefühle nicht“ hervorrufen. Früher hätte ich dann diskutiert, dafür bin ich mir jetzt zu schade und beende lieber das „Gespräch“. Gemein gegenüber meinem Gesprächspartner, dem ich so die Gelegenheit raube, sich mir überlegen fühlen zu können! Aber so etwas mag ich mir nicht mehr antun, wo mich das Thema doch schon inhaltlich genug quält. (In meinem Unterricht haben wir übrigens diesen Typ von „Zuhör-Strategie“ als „Gesprächs-Killer“ bezeichnet.)


Noch ein anderes Erlebnis, das ich häufiger im Zusammenhang mit meinem kleinen behinderten Sohn hatte und manchmal immer noch habe: Mein Gegenüber versucht mich zu trösten (auch wenn ich um keinen Trost nachgesucht habe), gibt mir Ratschläge (die ich oft schon kenne oder sogar schon ausprobiert habe) oder bagatellisiert das Geschehen („habe doch Geduld, es wird schon noch werden“, wo ich selbst ganz sachlich sehe, wie der Stand der Dinge dagegen spricht und ich mich längst schon darauf eingestellt habe). Nur eines tut mein Gegenüber nicht: mir einfach zuhören! Mehr will ich ja gar nicht. Tut es jemand, fühle ich mich ernst genommen und kann vielleicht durch sein hilfreiches Zuhören über mich besser nachdenken und bestenfalls neue Ideen entwickeln und mich besser fühlen. (So zumindest in der Theorie zu derartigen Gesprächsformen …) Für sehr viele Menschen muss es aber schier unerträglich sein, ein Gegenüber auszuhalten, das vielleicht Kummer hat und sich hilflos fühlt. Die Tapferkeit, diese Gefühle beim Anderen zu belassen und ihm dadurch auch eine Berechtigung für solche Empfindungen zuzusprechen, bringen nur wenige auf. Der Traurige scheint wie ein Spiegel zu sein, in dem ich mich selbst wiedererkennen könnte, kaum auszuhalten! Besser schnell übertünchen!


Ich kenne mittlerweile eine Reihe von Eltern Behinderter, die über die Jahre hinweg eine sehr sachliche Haltung zur Behinderung ihrer Kinder entwickelt haben, handfeste Unterstützung wohl zu schätzen wissen (und bei Ämtern auch darum kämpfen!), über eine Trost-Gebärde aber nur noch freundlich lächeln. Sie haben ihr Schicksal akzeptiert (im guten Falle die betroffenen Kinder ebenfalls), jedenfalls erwarten sie keine „Wunder“ mehr, dafür die Möglichkeit, angemessen am Leben der Menschen um sie herum teilnehmen zu können, nicht aber aufgesetztes Trösten. Davon wird nichts besser.


Mit diesem letzten Absatz habe ich mich von meinem ursprünglichen Thema schon ein Stück weg bewegt, aber ich bin jetzt hier ja auch nicht mehr der Psychologie-Dozent, der den Unterrichtsgegenstand didaktisch sauber aufbereitet, sondern ein Betroffener, für den Verschiedenes assoziativ schnell zusammenfließt. Meine Leser mögen mir das verzeihen!


Aber ich will noch einmal zu meinem Anfangsthema zurückkehren:


Es gibt sicherlich „Naturtalente“ im Zuhören, Menschen, die andere geradewegs anziehen, in deren Nähe man sich wohl fühlt und sich öffnen mag, bei denen man einfach das Gefühl haben kann, was ich gesagt habe, ist hier gut aufgehoben! CARL ROGERS hat solche Eigenschaften schön beschrieben. Ich denke, ausschlaggebend für das Gelingen des Zuhörens ist die mitmenschliche Haltung, das Ausmaß an entwickeltem Gemeinschaftsgefühl, um einen anderen „Säulenheiligen meiner Vergangenheit“, ALFRED ADLER, einzubeziehen.


Das macht deutlich, dass es nicht um die „hilflosen Helfer“ (erstmalig beschrieben von WOLFGANG SCHMIDBAUER) gehen kann, die aus einem inneren Drang heraus einen Schwarm von „Klienten“ festhalten, wobei alle Beteiligten sich gegenseitig dringend „brauchen“.


Mein früherer Unterricht hat mir gezeigt, dass jeder, der halbwegs offen dafür ist, einiges an seiner „Kunst“ der Gesprächsführung, speziell beim Zuhören, verbessern kann. Erfolgreich ist das aber nur, wenn man sich seiner eigenen Einstellungen zu diesem Geschehen bewusster wird und dann auch etwas „Technik“ (wie z.B. das Erkennen und Vermeiden solcher „Gesprächskiller“) erwirbt.


Technik allein allerdings macht es sicherlich nicht! So bin ich sehr skeptisch gegenüber allen möglichen „Trainings“, die heutzutage im Bereich von „Manager-Schulungen“ etc. angeboten werden. Menschen haben zumeist ein feines Gespür dafür, ob ihr Gegenüber sich „echt“ verhält oder nur eine angelernte Technik abspult. FRIEDEMANN SCHULZ V. THUN hat in einem seiner Bücher zur Gesprächsführung diese unterschiedlichen „Anwender“ von Gesprächskenntnissen herausgearbeitet: denjenigen, denen es um einen „echten“ Umgang mit ihrem Gegenüber geht, und diejenigen, die auf der Suche nach wirksamen Manipulationstechniken sind, um Menschen in die von ihnen beabsichtigte Richtung hin zu lenken. Psychologische Kenntnisse als Herrschaftswissen!


Wohin ist meine schöne Psychologie, an der ich sehr hänge, entartet, wenn es Vertreter gibt, die sich für Derartiges hergeben! Und damit wahrscheinlich auch noch sehr viel mehr Geld verdienen als diejenigen der anderen Ausrichtung, vermutlich der ausschlaggebende Punkt! - Vielleicht bin ich ein Träumer, der an „ veralteten Idealen“ festhalten will!? Für sie zu kämpfen lohnt sich aber allemal!!!


Keine Kommentare: