Dienstag, 30. November 2010

Die nächste Eiszeit kommt bestimmt

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Z. Zt. besuche ich einen Kurs, der sich mit der Stadtgeschichte Fürstenwaldes beschäftigt. Fasst man sie etwas weiter und möchte auch etwas über die Rahmenbedingungen der Region erfahren, so gehört die Entwicklung der Landschaft hinzu, die maßgeblich von der letzten Eiszeit geprägt wurde. So begann meine Ausbildung mit einer geologischen Exkursion.

Fürstenwalde ist musterhaft für alle Phänomene, die man mit der Eiszeit in Verbindung bringen kann. Es gibt hier Endmoränen (bei Rauen), Grundmoränen (bei Trebus) und das Urstromtal der Spree, alles wunderbar vom Aussichtspunkt an einem Hang unterhalb von Trebus gleichzeitig zu sehen! Dazu Beispiele für Seen der Eiszeit (Trebuser See, Petersdorfer See, Scharmützelsee) und die größten Findlinge Deutschlands in den Rauener Bergen. Ich wusste nicht, in was für einer hochinteressanten Gegend ich hier lebe!

Dieses Wissen verdanke ich dem Geologen Dr. Hess, der uns gleichzeitig etwas "geologische Bescheidenheit" lehrte: Vor 10.000 Jahren herrschte in unserer Region noch das Eis, das als Gletscher in einer Höhe von 1000 m über Brandenburg die Gegend auf der Erdoberfläche völlig verwüstete und umgestaltete. Dann zog es sich zurück, aber nur vorübergehend. Denn: Die nächste Eiszeit kommt bestimmt und folgt ausschließlich Naturgesetzlichkeiten, die von Änderungen in der Umlaufbahn der Erde um die Sonne bestimmt werden und völlig außer Reichweite menschlicher Einflussmöglichkeiten liegen.

"Zivilisation ist nur dann möglich, wenn die Erdgeschichte es erlaubt." sagte Dr. Hess, ebenso: "Wir leben in einer glücklichen Zeit." Das wird nicht so bleiben. Wer weiß, wie es bereits in 150 Jahren aussehen wird. Jedenfalls ist es eine Illusion, von länger konstant bleibenden klimatischen Bedingungen auszugehen. Es gibt einen beständigen Klimawandel!

So ist die Aufregung über die CO2-Belastung der Atmosphäre geologisch gesehen etwas künstlich, wenn auch vorübergehend durchaus berechtigt! In 30 Jahren werden die fossilen Brennstoffe in Brandenburg ausgehen, in anderen Teilen der Erde vielleicht etwas später, aber in absehbarer Zeit. Die Natur wird dann den erhöhten CO2-Gehalt der Luft allmählich wieder "verdauen" und dann "zur Sache übergehen". In den Zeiträumen, in denen die Geologie denkt, sind das eher periphäre Ereignisse. In der Zeit, in der wir Jetzt-Menschen leben, haben wir allerdings begonnen, die Lebensbedingungen für uns selbst und die direkt folgenden Generationen zu verschlechtern. Und dafür haben wir die Verantwortung! Die großen langfristigen Abläufe auf der Erde allerdings wird dies nicht sonderlich beeinflussen, alles ist nur ein in der Jetzt-Zeit von Menschenhand zusätzlich aufgepfropftes Problem.

So lehrt die Geologie vor allem Bescheidenheit! Die 10.000 Jahre seit dem Ende der letzten Eiszeit in unserer Region sind erdgeschichtlich vielleicht nur Bruchteile einer "Erdsekunde" der Lebensdauer unseres Planeten. Gleichzeitig umfassen sie aber alle wirklich bedeutsamen kulturellen und geschichtlichen Ereignisse des "Homo Sapiens". Wieviele Jahre werden unserer Spezies darüber hinaus noch vergönnt sein? Bei den atemberaubenden Veränderungen allein der letzten 100 Jahre, kaum mehr als drei Generationen übergreifend, ist im Vergleich dazu die Perspektive der Geologie unglaublich behäbig und zeitraubend - aber nachhaltig und unbeirrbar!

Nicht von ungefähr ist mir heute zufällig (!?) in der Bibliothek ein Buch in die Hände geraten, dessen Fragestellung genau hier anschließt. Wie könnte die Erde den Verlust der Menschheit "verkraften"? In seinem preisgekrönten Sachbuch "Die Welt ohne uns" stellt der Amerikaner Alan Weisman Hypothesen auf, wie die Natur sich ihr Terrain zurückholen würde:

nach 2 Tagen: Ohne Pumpen werden New Yorks U-Bahn-Schächte überflutet

nach 1 Jahr: Auf den Straßen wachsen Blumen, der Asphalt bricht auf. Kletterpflanzen und Tiere erobern die Städte

nach 10 Jahren: Holzbauten stürzen ein. In Hausdächern entstehen Löcher. Ein Wohnhaus hält 50, bestenfalls 100 Jahre.

nach 100 Jahren: Ohne den Elfenbeinhandel wächst die Zahl der verbliebenen 500 000 Elefanten auf das Zwanzigfache an. Die Populationen kleiner Raubtiere - Marder, Wiesel und Füchse - verringern sich infolge der Konkurrenz verwildeter Hauskatzen.

nach 300 Jahren: Brücken stürzen ein. Weltweit sind Deiche und Dämme durchweicht, überflutet oder gebrochen. Großstädte in Flussdeltas und Küstennähe, wie Hamburg, Amsterdam, Venedig, Houston oder Buenos Aires werden weggewaschen.

nach 500 Jahren: Wo früher Vorstädte standen, wachsen Wälder. Zwischen den Bäumen, halb verborgen vom sprießenden Unterholz, liegen die Aluminiumteile von Geschirrspülern und Edelstahltöpfe.

nach mehreren 1 000 Jahren: Die Mauern, die in New York City und anderen Städten noch stehen, werden von Gletscherzungen überdeckt. Intakt sind nur noch die Bauwerke, die tief unter der Erde angelegt wurden, beispielweise der Eurotunnel zwischen Calais und Dover.

nach 100 000 Jahren: CO2 erreicht wieder die gleiche Konzentration wie in frühgeschichtlichen Zeiten.

(Zitierte Auswahl aus der Zeitleiste "Was passiert, wenn die Menschen von der Erde verschwinden" am Ende des Buches von Alan Weisman: Die Welt ohne uns. Reise über eine unbevölkerte Erde. - München: Piper 2009. [= Serie Piper Bd. 5305].)

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