Mittwoch, 23. Juni 2010

Überstunden ...

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Eine Bekannte berichtete von ihren neuesten Erlebnissen auf dem Arbeitsmarkt: Sie hatte jetzt mit ihrem neuen Chef eine Besprechung, weil sie kurz vor dem Abschluss ihrer Probezeit steht und auf eine feste Übernahme in die Firma hoffte.

Sie war davon überzeugt, gute Arbeit geleistet zu haben einschl. mehrerer erfolgreicher Dienstreisen ins Ausland. Niemand hat bisher an ihrer Arbeit etwas auszusetzen gehabt, ihre Leistungen wurden von den Kollegen akzeptiert. Um so überraschter war sie, dass ihr Chef, mit dem sie in der alltäglichen Arbeit keine Berührung hat, sich über ihre Leistungen überhaupt nicht informiert hatte, sondern als einziges Thema auf ihre in seinen Augen fehlenden Überstunden einging. "Wir können keine Mitarbeiterinnen gebrauchen, die so wenige Überstunden machen wie Sie!" Zwar war mit der Personalabteilung geklärt worden, dass sie als alleinerziehende Mutter mit einem Kleinkind zeitlich enge Grenzen hat, aber das war dem "großen Boss" offensichtlich völlig wurscht, eine derartige soziale Einstellung stört den Geschäftsbetrieb und nur solche Arbeitnehmer sind attraktiv, die sich weit über tarifliche Grenzen hinaus noch benutzen und ausbeuten lassen. Hauptsache, der Profit stimmt! [Es ist leider so, aber bei ähnlichen Themen erlebe ich immer wieder, wie Wut in mir aufsteigt. Schädlich bei meiner Neigung zu "erhöhtem Blutdruck" ...]


Arbeitskraft wird auf dem Markt überreichlich angeboten, so sieht es in Deutschland seit den Jahren höherer Arbeitslosigkeit aus. Und Arbeit ist nach dem Marktverständnis auch nichts anderes als eine Ware. Alle Arbeitssuchenden sind zudem durch verschärfte Gesetze (HARTZ IV) gezwungen, notfalls minderwertig bezahlte Arbeitsplätze anzunehmen. Es ist eine alte Marktregel, dass im Überfluss angebotene Waren im Preis absacken. So haben Arbeitnehmer in Deutschland seit Jahren schlechte Karten und wurden bei der Aufteilung des gesamtgesellschaftlich erwirtschafteten "Kuchens" weit abgehängt. EU-weit gab es kaum andere Länder mit ähnlich geringen Lohnsteigerungen wie bei uns. Wer da etwas fordert, sieht natürlich schlecht aus, wenn er nicht eine starke Gewerkschaft hinter sich weiß. Die wenigsten Arbeitgeber sind aus freien Stücken "edel" und nutzen die Situation für ihre Zwecke. Das Risiko war bislang gering bei den vielen Arbeitssuchenden. "Wenn du es nicht machst, warten schon viele andere auf deinen Job." Vielleicht gibt es allmählich eine Trendwende, weil manche Fachkräfte angesichts des demographischen Wandels allmählich knapp werden. Aber in der breiten Masse können sich die Chefs offenbar immer noch ihre alten Allüren leisten, siehe das obige Beispiel!

"Systemimmanent" ist das alles sehr logisch und folgerichtig. Der "Markt" nach kapitalistischen Regeln funktioniert nun einmal so. Allerdings hat so etwas natürlich mit den Bedürfnissen der meisten Menschen nichts mehr zu tun. Wie lange werden sie sich das noch gefallen lassen? Oder sind alle schon über lange Zeit an derartige Zustände so gewöhnt, dass sie sie für selbstverständlich halten und deshalb nicht mehr aufbegehren? Ohne starke Gewerkschaften wird da wahrscheinlich auch nur wenig zu machen sein. Sie zu stärken, ist meiner Ansicht nach ein Gebot der Stunde!

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