Mittwoch, 9. Juni 2010

Kluge Worte zu Griechenland

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Es ist viel über den derzeit gespielten Akt des umfangreichen Dramas an den Finanzmärkten gesagt worden. Für den Augenblick ist das Thema allerdings aus den ganz großen Schlagzeilen verschwunden, da ist jetzt eher der Spar-Murks der Koalitionäre mit ihrer drohenden sozialen Schieflage das Thema. Aber "Griechenland" ist noch nicht vorbei und die Folgen werden uns noch viel beschäftigen. Deshalb möchte ich - mit etwas zeitlichem Abstand - noch einmal das Euro-Problem in meinem blog aufgreifen: Das Klügste und Beste zum Thema habe ich in einer Kolumne von Klaus Staeck in der Berliner Zeitung v. 14.5.2010 gelesen. Mir hat dieser Text so gut gefallen, dass ich ihn nahezu komplett hier wiedergeben möchte. Möge es mir Klaus Staeck, dessen kritische und satirische Verarbeitung von politischen Wahrheiten ich seit Jahrzehnten verfolgt habe (seine Plakate gehören zu den besten, die ich in diesen Zusammenhängen kennengelernt habe!!) nicht als Verstoß gegen das Copyright anlasten, sondern darin eine besondere Würdigung und Anerkennung seiner Leistung und (kleine) Weiterverbreitung seines Gedankenguts sehen!


Das Milliardenspiel

Die Banken sind wieder einmal fein raus und zocken die Regierungen Europas erneut ab. Vor gut zwei Jahren haben sie die Finanzinstitute vor dem Bankrott gerettet und schon spekulieren sie ungeniert auf den Bankrott ihrer Retter. Des einen Leid ist des anderen Freud, lautet ihr unmoralisches Motto. Sinkt der Kurs des Euro, steigen ihre Gewinne. Und er fällt immer weiter, weil die Devisenhändler nicht daran glauben, dass die Finanzspritze für Griechenland hoch genug dosiert ist. Darum machen IWF und EU für alle Wackelkandidaten der Euro-Zone sicherheitshalber noch viel mehr Geld locker. Von den milden Milliardengaben profitieren jedoch in erster Linie die Banken und nicht die Pleite-Staaten.

Indem die Banker auf den fallenden Euro spekulieren, setzen sie ja zugleich auf dessen Sanierung durch die EU. Nicht umsonst haben sie gezielt in griechische Staatsanleihen investiert, fest darauf vertrauend, dass Europas Staatschefs die Schulden des schwächelnden Partners begleichen werden. Das jetzige Rettungspaket entpuppt sich bei näherem Hinsehen mitunter als riesiges Geschenkpaket für einige Milliardärsfamilien in Griechenland. Allein der griechische Reeder Spiros Latsis, der 40 Prozent an der anleihenhungrigen EFG Euro Bank hält, darf dank der Brüsseler Spenden mit einem zusätzlichen Gewinn von 1,5 Milliarden Euro rechnen. Der griechische Staat hingegen muss bis 2014 eine Summe von 30 Milliarden einsparen, wobei noch nicht einmal geklärt ist, wie das gehen soll.

Mit Schnellschüssen wie diesen ist weder Griechenland noch dem Euro langfristig geholfen. Gewinner dieser kurzsichtigen Politik sind dreiste Banker, die sich auch noch als Retter in der Not präsentieren. Brüsten sich derzeit doch deutsche Banken und Versicherer damit, dass sie acht Milliarden Euro an Krediten verlängern und Staatsanleihen halten wollen, um Griechenland zu helfen. In Wirklichkeit aber helfen sie nur sich selbst. Sie können derzeit ja auch nicht mehr als stillhalten, wenn sie ihre Forderungen an Griechenland irgendwann mit Gewinn einfahren wollen. Garantien für dieses scheinbar selbstlose Angebot wollen die Banken natürlich nicht übernehmen. Die fordern sie lieber von Politikern.

Aber können sich die Bürger auf den Willen von Politikern verlassen, aus sozialer Verantwortung den Primat über die Märkte zurückzugewinnen? Das Verbot hochriskanter Spekulationsgeschäfte, der Zwang zu mehr Eigenkapital der Banken sowie eine Finanztransaktionssteuer sind ebenso dringlich und alternativlos wie die rasche Konsolidierung des Euros und Griechenlands. Warum sind Geschäfte mit Kreditausfallversicherungen immer noch nicht verboten und warum macht Deutschland nicht den Anfang damit und bringt die Zögerer in Zugzwang? Es muss ein Land beginnen, bevor die radikalen Populisten aller Länder die Interpretationshoheit über die riesigen Schuldenberge übernehmen.

Doch in dieser Richtung sind statt entschlossener Taten meist nur wutentbrannte Worte zu vernehmen, wie die von Nicolas Sarkozy, der die „Ratingagenturen moralisieren“ möchte. Vom entschlossenen Eingreifen der Politik hängt nicht nur das Wohl der Wirtschaft, sondern auch die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit von Demokratien ab. Werden die Staaten mehr und mehr vom Geld regiert, haben die Politiker bald abgewirtschaftet.

Zwei Anmerkungen zu diesem Text möchte ich aber doch noch machen:

1. kann ich das Wort "alternativlos" nicht mehr akzeptieren. Uns wurden so viele "Reformen" vom neoliberalen Lager als "alternativlos" eingeredet, dass ich darauf allergisch reagiere, egal von welcher Geistesrichtung es genutzt wird.


2. Werden wir nicht schon längst vom Geld regiert? Ist alles andere nicht schon lange eine Illusion? Ist es nicht ein Euphemismus zu behaupten, die Politiker hätten noch eine letzte Chance, die Verhältnisse zu drehen, bevor sie "bald abgewirtschaftet" hätten? Lieber wäre mir allerdings schon, Herr Staeck hätte mit dieser letzten Fristsetzung Recht...

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