Montag, 21. Juni 2010

Dinosauria XIX: Wer soll das alles lesen? ... Gedanken zu Erasmus

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In einem Artikel von Cees Nooteboom in der ZEIT (Nr. 4, 2010) stand, dass Erasmus, einer der bedeutendsten Wissenschaftler des 16. Jahrhunderts, eine Bibliothek von 500 Bänden besaß, vermutlich ein ungeheurer Besitz für die damalige Zeit! Heute erscheinen wahrscheinlich allein täglich mehr neue Bücher und eine ungeheure Flut von anderen Druckerzeugnissen hinzu; wenn man dann auch noch alles aus dem Internet hinzunimmt, sitzen wir buchstäblich in einer Arche Noah inmitten eines Meeres von digitalen Informationen. Alle produzieren, was das Zeug hält ... (Ich auch ...).


Wer liest das alles? Wieviel Zeit bleibt da noch zum gründlicheren Lesen und Studieren? Ich will ja nicht schon wieder in so etwas wie Kulturpessimismus verfallen. Aber um heutzutage halbwegs "up to date" zu sein, muss man sich über vieles wenigstens ganz oberflächlich informieren. Wem bleibt da die Zeit zur Vertiefung? Es ist ähnlich wie beim Briefeschreiben: Für die Kreise, in denen Briefe "in" waren, bedeutete diese Ebene vor Jahrzehnten und Jahrhunderten (ich denke z.B. an die Deutsche Romantik) etwas sehr Wichtiges. Denn über Briefe geschah ein wesentlicher Austausch als Ausgleich dafür, dass man weder telefonieren noch mailen konnte noch sich häufiger besuchen. Jeder Brief wurde ausführlich beantwortet, Gedanken aus ihm weiterentwickelt. Nähe zwischen den Schreibern entstand und ein Anreiz, Ideen weiter zu "spinnen". Denn so konnte man über seine eigene Meinung reflektieren und erhielt aufgrund der Reaktion des Partners Impulse für weitere Schritte, so wie auch in einem guten Gespräch. Gegenseitige Entwicklungshilfe!


Heute: unendliche Möglichkeiten, wahrscheinlich viel weniger Nähe zwischen den Kommunikationspartnern, viele Gedanken, die aber nicht aufgegriffen und deshalb wahrscheinlich meistens auch nicht fortentwickelt werden können mangels Rückmeldung. - Die Welt ist rund und dreht sich und alte Zustände kommen nicht noch einmal wieder. Die Oberflächlichkeit aber nimmt zu.

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