Donnerstag, 12. November 2009

Die Über-Fülle

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Gerade habe ich von meinen Privilegien geschrieben. Dazu gehört auch, dass ich jetzt viel mehr Zeit zum Lesen habe. Aber sie reicht nicht!!! Ich komme kaum noch gegen die Flut von Informationen an. Die Zeitungen werden immer umfangreicher (jedenfalls erlebe ich das so, auch wenn objektiv durch die Wirtschaftskrise und die verringerte Zahl von Werbe-Seiten eine gegenläufige Entwicklung stattfinden sollte) und dickleibige Bücher mit hunderten von Seiten entmutigen mich. Alles will gelesen werden und ich schaffe es nicht!


Nehmen wir einmal eine Ausgabe der ZEIT. Glücklicherweise habe ich sie nicht abonniert, denn dann würde ich erschlagen von der Fülle der Artikel, für die ich Tage bräuchte, um sie vernünftig zu lesen, und alles, was ich sonst auch noch gern zur Kenntnis nehmen würde, bliebe liegen. Und dann erschiene bereits die nächste Wochenausgabe! Ein Segen deshalb, dass ich sie nur gelegentlich lese, gleichzeitig ist das aber auch jammerschade, weil ja erst ein Spektrum unterschiedlicher Quellen (in Zeitungen, Zeitschriften, Internet und Büchern) einen halbwegs objektiven Blick auf die aktuell wesentlichen Themen gibt.


Hinzu kommt natürlich, dass ich auch nicht mehr so ganz „up to date“ bin und durch meine Lücken in Kenntnissen – aber auch meine fehlende Bereitschaft, mich auf bestimmte Themen wirklich einzulassen – Schwierigkeiten habe, manche Neuerungen zu verstehen, selbst wenn sie aus meinen eigentlichen „Spezialgebieten“ stammen. Vieles an der heutigen akademischen Psychologie ist mir z.B. fremd geworden, wie von einem anderen Stern. So war in der ZEIT 46/09 eine Aufstellung von Rankings von europäischen Universitäten zu lesen, auf denen man einen „Master in Psychologie“ machen kann. Gut, dass ich das nicht mehr unbedingt verstehen muss! Unbefriedigend finde ich eine solche Situation aber dennoch, gleichzeitig tun mir heutige Studenten leid, wenn ich ihre Studienbedingungen mit meinen vor Jahrzehnten in Hamburg vergleiche.


Bei solchen Themen bin ich dann regelrecht „abgehängt“, „altes Eisen“! Das ist einfach Schicksal und wahrscheinlich ziemlich normal für mein Alter. Sollen es die Jüngeren richten! (Hinzu kommt, dass mir beim Thema „Bachelor und Master“ die ganze Richtung nicht passt; hoffentlich haben Jüngere noch genügend Abstand, um gegebenenfalls auch eine kritische Haltung einnehmen zu können und nicht alles „zu schlucken“!)


Bei den obigen Themen fehlt mir einfach das Wissen, daneben gibt es dann aber auch noch die andere Sorte von Lektüre, bei denen ich immer Zweifel habe, ob auch mein Verstand reicht. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich diese Zweifel aber schon vor Jahren, so dass es sich nicht um eine Alterserscheinung, sondern gegebenenfalls um einen dauerhaften Intelligenzmangel meinerseits oder aber um einen Verständlichkeitsmangel auf Seiten einschlägiger Verfasser handelt (das wäre natürlich für mich die sympathischere Variante). Es gab schon immer Autoren, speziell aus dem philosophischen und soziologischen Spektrum, aber auch Kunstkritiker im Feuilleton, die eine so eigene Sprache mit komplizierten Begriffen und Begriffserfindungen pflegen, dass ich oft über den Sinn grübeln muss und danach nicht weiß, ob ich es richtig verstanden habe. Das macht mich beim Lesen „knirschig“, wer erlebt sich schon gerne als inkompetent, denn ich spüre gleichzeitig, dass es oft um wichtige Themen geht. Vielleicht ist die Materie manchmal wirklich so kompliziert, aber ich werde den Eindruck nicht los, dass es auch Autoren gibt, die ihre Ehre dafür einlegen, kompliziert zu schreiben, weil das als Anzeichen von Tiefgründigkeit und wirklicher Kompetenz gilt. Ich empfehle mein nächstes Zitat von August Strindberg!


Wie auch immer: Lesen ist eine tolle Sache! Ich hoffe, dass meine grauen Zellen und meine Augen dabei noch lange mitmachen!

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