Mittwoch, 15. Dezember 2010

"Euroland wird abgebrannt"

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Unter diesem treffenden Titel fand ich in der neuesten Ausgabe von Ver.di Publik (Nr. 12/2010 v. Dez. 2010) eine kämpferische Analyse des Ver.di-Wirtschaftsexperten Dierk Hirschel. Einiges habe ich durch ihn besser verstanden.

Ich füge ein ausführliches Zitat an:

Untertitel 1: Die Staatsfinanzierung muss von den Kapitalmärkten entkoppelt werden

Untertitel 2: Mit Steuergeld gerettete Banken bestimmen den Preis, zu dem sich Staaten frisches Kapital leihen können

[...]

Kein Wunder also, dass Merkel, Sarkozy und Währungshüter Trichet den Iren das 85 Milliarden schwere Rettungspaket geradezu aufdrängten. Es geht um viel. Die Zukunft der gemeinsamen Währung steht auf dem Spiel. Wenn ein Mitgliedsstaat Pleite geht, wird sehr schnell auch den anderen Schuldenstaaten der Geldhahn abgedreht. Darin ist der Euro Geschichte. Die jüngsten Hilfen für Griechenland und Irland kaufen aber nur Zeit. Die wirklichen Ursachen der Krise des Eurolandes werden nicht angegangen.

Die Staatsfinanzen hängen weiter am Tropf der Kapitalmärkte. Deswegen werben die Staatenlenker verzweifelt um das Vertrauen der Märkte. Ein Stück aus dem Tollhaus. Mit Steuergeld gerettete Banken und Versicherungen bestimmen den Preis, zu dem sich Staaten frisches Kapital leihen können. Rating-Agenturen, die vor der Krise für Schrottpapiere Bestnoten vergaben, urteilen heute über die Kreditwürdigkeit Madrids, Dublins oder Athens. Finanzinvestoren, die noch kürzlich Spareinlagen in den Geisterstädten der Costa del Sol versenkten, sollen jetzt die europäischen Kassenwarte disziplinieren. Die Politik befindet sich noch immer in Geiselhaft der Finanzmärkte. Soll die griechisch-irische Tragödie nicht schon bald in Lissabon und Madrid neu aufgeführt werden, dann muss die Staatsfinanzierung von den Kapitalmärkten entkoppelt werden. Wie in den USA, Großbritannien und Japan sollten sich die Euroländer zukünftig direkt über die Zentralbank finanzieren können. Dann würden sie zum EZB-Leitzins Staatsanleihen ausgeben, die von einer neu zu gründenden Bank für öffentliche Anleihen angekauft und bei der Zentralbank hinterlegt würden. Wenn die Spekulanten nicht mehr mit den öffentlichen Finanzen spielen könnten, macht es auch Sinn, über Umschuldung zu reden.

Damit aber nicht genug. Die Eurokrise hat auch realwirtschaftliche Wurzeln. Der Euroclub ist tief gespalten. In der Belle Etage wohnen hoch wettbewerbsfähige Deutsche, Holländer und Österreicher. Im Keller hausen Spanier, Griechen, Italiener und Portugiesen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Euroländer driftet immer weiter auseinander. Die Starken exportieren Waren und Kapital, die Schwachen versinken im Schuldenmeer. Um aus den Schulden herauszuwachsen, braucht es in den Überschussländern -insbesondere in Deutschland - höhere Löhne und mehr öffentliche Investitionen. Gleichzeitig dürfen die Schuldnerländer nicht weiter ihren Gürtel enger schnallen. Ohne einen solchen politischen Kurswechsel ist das Euroland bald abgebrannt.

[Hervorhebungen von J. L. ]

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