Montag, 15. Februar 2010

Heiner Geißler und Attac

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Mein nächster blog-Eintrag über Heiner Geißler ist eine unmittelbare Ergänzung des vorvorhergehenden über den Attac-Kongress von 2009. Ich bin dabei immer noch über mich selbst überrascht. Aber auch ich kann offensichtlich noch lernen! Ich hätte früher nämlich niemals gedacht, dass ich so eindeutig die Aussagen eines CDU-Politikers unterstützen und wirklich gut finden könnte, denn ich habe mich Zeit meines Lebens in "linkeren Gefilden" angesiedelt gefühlt. Und dann auch noch Aussagen von einem Heiner Geißler, der in früheren Jahren gegen politische Gegener "kräftig im Austeilen" war und überhaupt nicht zu meinen Freunden zählte. Aber offenbar gehört er zu der Garde älterer CDU-Sozialminister, die, wie auch Norbert Blüm, ihr Amt seinerzeit mit hohen ethischen Ansprüchen verbunden haben und die "Neuerungen" der letzten Jahre nicht mehr gutheißen mögen. Vermutlich, weil sie Anhänger der katholischen Soziallehre sind, eine hohe ethische Messlatte!

So ergreife ich bei derart geäußerten Argumenten die ausgestreckte Hand, schlage ein und nehme die folgenden Äußerungen von Heiner Geißler in den Schatz der Aussagen besonderer Autoren auf, von denen ich lerne und die ich anderen anempfehle!


Weltethos

Für die internationalen politischen und ökonomischen Beziehungen sind wichtige Voraussetzungen vorhanden. Wie schon Hans Küng mit seinem Projekt Weltethos nachgewiesen hat, gibt es in allen Religionen der Welt ethische Grundprinzipien, die auch von den interkulturellen philosophischen Bewegungen geteilt werden. Sie kommen zum Beispiel in der Weltethoserklärung des Parlaments der Weltreligionen und der Erd-Charta zum Ausdruck. Es gibt eine ethische und multikulturelle Weltgesellschaft. Ihre Mitglieder sind Christen, Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten, Animisten, aber auch Atheisten - also die Bürgerinnen und Bürger der fünf Kontinente, die sich unabhängig von ihrer Hautfarbe und ihrer Religion auf ein gemeinsames Programm der Humanität einigen können - zumindest auf die goldene Regel: "Gibt es ein Wort, das ein ganzes Leben lang als Richtschnur des Handelns dienen kann?" wurde Konfuzius gefragt. Seine Antwort war: "Das ist Gegenseitigkeit (chinesisch: shu)." Gegenseitige Rücksichtnahme ist die goldene Regel für das Zusammenleben der Menschen. "Was du selbst nicht wünschest, das tue auch nicht anderen." Jesus hat es positiv gesagt: "Alles was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut auch ihnen."

Allerdings müssen die Völker der Welt, vor allem ihre politischen Führer, noch einen Schritt weitergehen, nämlich die menschliche Würde uneingeschränkt anerkennen und schützen. Nur dann ist ein Fundament vorhanden für gemeinsames politisches Handeln. Es genügt nicht, den Schutz der Menschenwürde und der daraus resultierenden Menschenrechte verbal anzuerkennen, sondern die Menschenrechte müssen in den Gesetzen der Staaten als unmittelbar geltendes Recht verankert werden. Das ist ein großes Ziel, aber was in Europa, dem in der Weltgeschichte am schlimmsten von Hass und Unterdrückung zerrissenen Kontinent, gelungen ist, kann auch auf der ganzen Erde durchgesetzt werden. Jedenfalls darf dieses Postulat nicht weggeworfen werden. Hinzu kommt, dass alle Staaten und ihre Einwohner gegenüber zukünftigen Generationen für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen verantwortlich sind.

Globaler Marshallplan für die Millennium-Entwicklungsziele

Eine neue Weltpolitik ist unausweichlich. Die Folgen der unregulierten Globalisierung sind wachsende Armut, Verteilungskonflikte zwischen Nord und Süd, Flüchtlingsbewegungen, kulturelle Konflikte, eine Zunahme des Terrorismus, Kriege und Umweltkatastrophen. Die negativen Folgen treffen die überwiegende Mehrheit der Menschen, vor allem in der südlichen Erdhälfte mit ihren Megastädten, was aber auf den Norden zurückwirkt. Es gibt daher keine Alternative zu einem verbesserten und für alle Staaten verbindlichen globalen Rahmen für die Weltwirtschaft. In diesem Rahmen müssen die ökonomischen Entwicklungen in Einklang gebracht werden mit den Erfordernissen der Umwelt, der humanen Grundrechte und der kulturellen Vielfalt auf dieser Erde. Die Voraussetzung hierfür ist ein hohes Maß an Toleranz und ein gemeinsamer Lernprozess von Nord und Süd, der in einen fairen globalen Vertrag münden muss.

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(farbliche Hervorhebungen von Jürgen Lüder)

Die mehr praktischen Ausführungen für die Möglichkeiten einer Umsetzung lese man selbst im Attac-Kongress-Bericht nach! Die von mir zitierten Passagen sind entnommen dem Beitrag von Heiner Geißler aus dem Schluss-Forum des Kongresses v. 6. bis 8. März 2009 in Berlin:

Heiner Geißler: Die Utopie einer neuen Weltwirtschaftsordnung. - In: Robert P. Brenner, Daniela Dahn, Friedhelm Hengsbach, Saskia Sassen u.a.: Kapitalismus am Ende? Attac: Analysen und Alternativen. - Hamburg: VSA-Vlg. 2009. S. 231 - 234. Zitat S. 231 - 232.

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