Mittwoch, 3. Februar 2010

Hans-Jochen Jaschke schreibt über Erika Steinbach

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In meinem letzten blog habe ich mich zu Erika Steinbach und ihren m. E. peinlichen Bemühungen geäußert, in ungebührlicher Weise Einfluss auf die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" zu nehmen. Ich möchte meine Argumentation untermauern durch Aussagen des Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke, selbst Mitglied im Stiftungsrat, der in der ZEIT 3/2010 v. 14.1.2010 eine Stellungnahme zu den aktuellen Vorkommnissen veröffentlicht hat. Ich zitiere Auszüge aus seinem Artikel:

Nicht in meinem Namen

Erika Steinbach schadet der Idee der Versöhnung - dabei hat sie kein Recht, für alle Vertriebenen zu sprechen

Ich protestiere. Die junge Idee einer Versöhnung der Erinnerung an Flucht und Vertreibung, einer Heilung des Gedächtnisses im Herzen Europas hat keine Entwicklungschancen, wenn Macht und Interessen nach ihr greifen wollen, wenn sie dem Wind von Stimmungen und Misstrauen ausgesetzt bleibt. Ich protestiere: als Bürger, als Schlesier, als Mensch in kirchlicher Verantwortung. Diese Idee, verkörpert in der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" braucht Schutz. Wir müssen Schaden von ihr abwenden. [...] Was sollen wir von politisch handelnden Personen halten, wenn sie öffentlich Bedingungen stellen, wie es Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, kürzlich getan hat? Wenn sie Druck aufbauen um die Idee der Versöhnung herum und im eigenen Sinne Einfluss nehmen wollen auf ihre Verwirklichung? [...]

Ich war ein vierjähriger Junge, als meine Mutter, 32-jährig, mich in Beuthen, Oberschlesien, an die Hand nahm, weg von der nahenden Front, auf der Flucht vor den Russen. [...] Bis heute bin ich natürlich Schlesier. Die alte Heimat habe ich wiederholt besucht. Ich sehe, wie die Menschen dort leben. Ich freue mich über das wachsende Europa mit vielen unterschiedlichen Heimaten. Vertriebenenverbände haben für uns nie eine größere Rolle gespielt. Sie haben ihre Verdienste. [...] Aber ihre Politik muss ich als Vertriebener nicht unbedingt teilen. Verbände sind nicht die gewählten Volksvertreter, auch nicht die Interessenvertreter der Vertriebenen als solche, auch nicht all ihrer Mitglieder. [...]

Die vielen Millionen Opfer von "Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen" (so die Satzung der Stiftung) haben ein Recht auf Erinnerung. Über die Opfer des Naziterrors in deutschem Namen, über die Opfer des menschenmordenden Kommunismus darf nicht eine brutale Walze der Entwicklung hinwegrollen. Jeder, jede Einzelne, alle gemeinsam - wir dürfen unsere Geschichte nicht verlieren. Sie gibt uns Würde und Wert: unserem Lieben und Leiden, unserem verantwortlichen Handeln, unserem beschämenden Versagen. Heilung muss heißen: das Schweigen, alle Redeverbote brechen. Heilung heißt: der Wahrheit die Ehre geben, und zwar auf allen Seiten. [...]

Keine Seite darf in Verdacht stehen, der anderen ihre Geschichte nehmen zu wollen. [...] Aber auch die anderen mögen begreifen: Das bittere Unrecht an Millionen von Deutschen - einmalig in der Geschichte - wird nicht dadurch zu Recht, dass es eine Folge deutscher Untaten war, dass es nach ihnen geschehen ist. Ein Raum des Respekts und des Vertrauens braucht den Geist der Freiheit und Unabhängigkeit. Trauen wir der Wahrheit, die sich durchsetzen wird, wenn sich wahrhaftige, kluge, sachkundige Persönlichkeiten auf allen Seiten ihrer annehmen.

Und die Politik?

Kluge Politik mit Diskretion und Augenmaß ist gefragt. Schrille Töne, versuchter Druck, Rechthaberei können nur weiteren Schaden anrichten. [...] Frau Steinbach muss wissen, dass ihr Name, warum auch immer, Anlass zu Verhärtungen und Frontbildungen gibt. Er macht die Akzeptanz der jungen Idee unerträglich schwer. Frau Steinbach möge Größe zeigen und sich zurücknehmen. So gibt sie den Weg für neues Leben frei. [farbliche Hervorhebung durch J.L.]

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