Mittwoch, 14. Oktober 2009

Ich gieße meinen Bonsai

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Was mache ich hier eigentlich? Darüber nachzudenken, ist immer wieder einen neuen Beitrag wert! Ein Anlass bot sich mir gestern, als mir ein sehr launiger und damit nicht gerade schmeichelhafter Artikel über das Bloggen eines Zeitungsredakteurs "aus der alten Zunft“ in die Hände fiel. In der Programmzeitschrift „prisma“, 17. – 23. Oktober 2009, schrieb Detlef Hartlap den folgenden Beitrag:


Blogs und Beuys


Das oft zitierte Beuys-Wort, wonach jeder ein Künstler sei, hat sich auf eine andere als von Beuys gedachte Art bewahrheitet. Heute ist jeder, fast jeder, ein Schreiber. Es wird getwittert und gesimst, es werden täglich Millionen Blogs verfasst, die Mailboxen quellen über, und dass die Bücherproduktion zurückginge, lässt sich nicht feststellen.


Wenn aber alle schreiben, wer liest dann noch? Was sagt uns das Phänomen der Vielschreiberei über uns selbst? Natürlich existieren Zufluchtspunkte vor der Schreibflut. Deren sicherster heißt Ignoranz. Augen zu vor allem Druckwerk. Fernsehen genügt doch. Doch ob das ein lebenswerter Ort ist?


Andere Möglichkeiten heißen Konzentration und Redaktion. Wissenschaftler, die sich in ihr Sujet verbeißen, wurden früher als Fachidioten belächelt. Heute bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Wer zu weit über den Tellerrand schaut, wird leicht zur Kippfigur.


Redaktion ist das, was eine gut gemachte Zeitung immer schon ausmachte: Das Wichtigste vom Tage, plus Hintergrund. Die Blogger und Twitterer ficht das nicht an. Wie besessen schreiben sie drauflos. Alles Private muss raus! Jeder Gedanke ist schreibens-, wenn auch nicht lesenswert. Der eigene Horizont ist das Maß. Gesellschaft? Zusammenhalt? Zustände von gestern.


Beuys hatte recht. Jeder ist sein eigener Künstler. Im Bonsai-Format.


Danke, Detlef Hartlap, für diese anregenden Zeilen, auch wenn ich mich als „Blogger“ nicht gerade gestreichelt fühle! Damit es aber nicht noch schlimmer wird, will ich auch zukünftig meinen Bonsai mit Geist gießen (jedenfalls was ich darunter verstehe) und mit klugen Gedanken anderer Zeitgenossen düngen und hoffe, dass sich dabei nicht allzu viel Triviales mit hineinmogelt (ohne Werksgarantie). Lesen ist ja ohnehin – wenn es denn nach den Worten von D. Hartlap überhaupt noch stattfindet – „auf eigene Gefahr“ ohne Umtauschrecht, aber mit „Entf“-Taste am Computer.

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