Montag, 14. September 2009

S-Bahn Berlin: Ein Fall für den Staatsanwalt?

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Die Berliner sind nicht zu beneiden! War es schon im Sommer eine Katastrophe mit ihrer S-Bahn, so ist jetzt ein neues Schlamassel mit den Bremsen ausgebrochen. Wer weiß, welche Verschleißteile anschließend noch entdeckt werden, die nicht mehr sorgfältig gewartet worden sind, seitdem die S-Bahn spart … So ist es m. E. völlig offen, ob dies die letzte große Aufregung um dieses Verkehrsmittel war.


Die Auswirkungen sind gewaltig: riesige wirtschaftliche Verluste, Verbitterung bei den Fahrgästen, ein ungeheurer Imageverlust und sicherlich auch hohe Umweltschäden, weil durch diese Ereignisse ein vernünftiger Nahverkehr in Verruf gerät und Menschen wieder aufs Auto umsteigen mit allen Konsequenzen …


Entsprechend böse Kommentare gibt es in den Zeitungen und der Ruf nach dem Staatsanwalt wird laut, d.h. die Vorkommnisse werden individuell kriminalisiert. Es laufen wohl schon einige einschlägige Untersuchungen, zumindestens wurde Strafantrag gegen die vier bereits geschassten Hauptmanager der S-Bahn gestellt, weil diese Bosse die S-Bahn „auf Verschleiß“ hätten fahren lassen.


Mein Mitleid haben sie nicht (wie sieht es mit ihren Abfindungen aus?), aber bei ihnen als Schwerpunkt anzusetzen, führt nur zur Individualisierung eines gesellschaftlichen Problems! Das ist aber eindeutig eine strukturelle Angelegenheit unseres Staates, von der Politik verschuldet, die sich dem neoliberalen Privatisierungswahn verschrieben hat!


Dabei hätten wir schon so viel von den Engländern lernen können. Es gab genug Berichte über die dort privatisierten Eisenbahnen, die wegen katastrophaler Zustände wieder vom Staat übernommen werden mussten, nachdem ebenfalls die neuen Besitzer nur noch an Erträgen interessiert gewesen waren und nichts mehr in den Erhalt der Anlagen investiert hatten.


Andere haben darüber schon treffender geschrieben, ich will es nur kurz ins Gedächtnis bringen: Die durch den Anpassungsdruck durch die Globalisierung und die leeren öffentlichen Kassen begründete „Mode“ maßgeblicher Politiker, Versorgungsunternehmen der öffentlichen Hand, die früher immer Zuschussbetriebe waren, dafür aber der Versorgung der breiten Bevölkerung dienten, in profitorientierte Unternehmen zu verwandeln, zu privatisieren und damit bisher öffentliches Eigentum (das Kapital des kleinen Mannes!!) an private Investoren wegzuschenken und der Allgemeinheit die Folgekosten aufzubürden. Neoliberalismus pur! Und die Armut der öffentlichen Haushalte ist selbst erzeugt durch entsprechende Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche.


Das trifft dann auch noch auf die ausgeprägte Renditegier, die sich im wirtschaftlichen Umfeld bei Finanzinvestoren in den letzten Jahren breit gemacht hat. Der viel gescholtene Herr Mehdorn hatte vielleicht wirklich keine andere Wahl, wenn er seine Bahn wie geplant an die Börse bringen wollte: aus früheren 1% Rendite sollten 10% oder 15% werden, um Investoren zu interessieren.


Vor diesen Zeiten hatte die Bahn ganz andere Funktionen: Sie sollte die Bevölkerung mit vernünftigen Fahrmöglichkeiten versorgen und auch Arbeitsplätze in allen Regionen zur Verfügung stellen. (Ich denke, dass der letzte Punkt in früheren Zeiten eine ganz wichtige Bedeutung hatte, ähnlich bei der Post, aber auch in Verwaltungen. Überall wird nur noch Personal „abgespeckt“ und diese gesamtgesellschaftliche Funktion sträflich vernachlässigt!)


Zwar ist die SPD in großen Teilen gerade noch rechtzeitig vor dem Börsengang „umgefallen“, die Bahn jedoch – obwohl im Bundesbesitz – agiert aber de facto wie ein wie üblich geführtes Privatunternehmen. Dessen Ziel ist nur noch Umsatz, Rendite, Wachstum, wie es halt im Kapitalismus so gang und gebe ist.


Wie viel schlimmer wäre es, wenn die Bahn schon an der Börse wäre, denn dann säße den Managern auch noch der „shareholder value“ im Nacken! (Und am Portemonnaie der Allgemeinheit, die dann höhere Preise zahlen müsste.)


So hatten die S-Bahn-Manager wahrscheinlich Druck durch die Anweisungen der Bahnleitung, versüßt durch mögliche Bonuszahlungen, sollten besonders hohe Renditen erwirtschaftet werden, vielleicht auch die Hoffnung auf eine Karriere auf noch höherer Ebene, falls das klappt …


Dass Menschen solche Karrieren anstreben und auch tatsächlich machen können, ist weniger ein individuell-psychologisches als ein politisch-strukturelles Problem: Wenn es solche Anreize gibt, wird es immer auch Menschen geben, die sich daran ausrichten.


Der Staatsanwalt kann nur die individuellen Täter anklagen, nicht aber eine ganze politische Kaste, die durch ihre neoliberale Wirtschaftspolitik solche Entwicklungen erst ermöglicht hat.

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