Montag, 26. April 2010

"Meinungsmache": Albrecht Müllers geharnischte Kritik an deutschen Zuständen


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Ich bin ein Glückspilz! Denn ich habe zum Geburtstag das folgende instruktive Buch geschenkt bekommen, aus dem ich in der nächsten Zeit sicherlich häufiger zitieren werde:


Albrecht Müller: Meinungsmache. Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen. – München: Droemer 2009.


Das Buch ist eine vehemente Kritik an deutschen Zuständen, die einhergehen mit einer Abstumpfung, ja Verdummung (sorry!) der meisten Menschen hinsichtlich der „Spielregeln“, nach denen tatsächlich in Deutschland „die Fäden gezogen werden“, während die breite Öffentlichkeit lediglich noch eine Zuschauerrolle hat. Müller versucht dagegen erneut – wie schon in früheren Büchern -, Aufklärung und kritische Gegenöffentlichkeit zu setzen.


Über seine früheren Publikationen und insbesondere seine www.nachdenkseiten.de, die er gemeinsam mit Wolfgang Lieb als alternative kritische Informationsquelle herausgibt, habe ich bereits in meinem blog v. 2. März 2010 berichtet.


Müller trifft in seiner Vorbemerkung fünf fundamentale Feststellungen hinsichtlich der Bedeutung von Meinungsmache und Meinungsbildung für politische Entscheidungen in unserem Lande und schreckt nicht davor zurück, sie mit den berühmten Beschreibungen von George Orwell aus „1984“ in Zusammenhang zu bringen. Da diese treffend das Anliegen des Buches wiedergeben, zitiere ich ausführlich:


Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen komme ich zu fünf Feststellungen:


Erstens: Meinung macht Politik. Die öffentliche Meinung ist oft maßgeblich für die politischen Entscheidungen.


Zweitens: In vielen Fällen bestimmt allein die veröffentlichte Meinung, also die von den tonangebenden Personen, Gruppen und Medien mehrheitlich vertretene Meinung, die politischen Entscheidungen.


Drittens: Meinung kann man machen. Das wissen auch jene, die zur Durchsetzung ihrer Interessen politische Entscheidungen bestimmen wollen.


Viertens: Wer über viel Geld und/oder publizistische Macht verfügt, kann die politischen Entscheidungen massiv beeinflussen. Die öffentliche Meinungsbildung ist zum Einfallstor für den politischen Einfluss der neoliberalen Ideologie und der damit verbundenen finanziellen und politischen Interessen geworden. In einer von Medien und Geld geprägten Gesellschaft ist das zum Problem der Mehrheit unseres Volkes geworden, zum Problem des sogenannten Mittelstands und vor allem der Arbeitnehmerschaft und der Gewerkschaften, denn diese Mehrheit und ihre Interessen werden zunehmend kaltgestellt. Das erklärt die breite und wachsende Kluft zwischen den Interessen der Mehrheit und den von oben eingeleiteten politischen Entscheidungen.


Fünftens: Die totale Manipulation ist möglich. Die gleichgerichtete Prägung des Denkens vieler Menschen ist möglich.



George Orwell schrieb in seinem Roman „1984“: „Und wenn alle andern die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten –, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“


Wenn Sie diese Beobachtung von George Orwell gelegentlich zu Rate ziehen, werden Sie vieles, was um uns herum vorgeht, um vieles besser verstehen, als wenn Sie nach objektiven, in der Sache liegenden Erklärungen von für Sie rätselhaften Vorgängen suchen. Diese Suche ist in der Regel nämlich müßig, denn das, was wir täglich hören und sehen und was uns als demokratisch gesonnene Staatsbürger häufig das Leben so schwer macht, sind in Wahrheit Mythen, Legenden und Lügen. Sie bestimmen in weitem Maß die öffentliche Debatte und damit auch die politischen Entscheidungen, die sich massiv auf unsere konkrete Lebenssituation am Arbeitsplatz, bei der sozialen Absicherung oder im Alter auswirken. Sie berühren und betreffen ganz unmittelbar unseren Alltag. Wenn Sie die Wirkung perfekter Meinungsmache durchschauen, dann werden Sie auch verstehen, dass wir als Steuerzahler so lautlos die Wettschulden derer bezahlen, die sich auf den internationalen Finanzmärkten verspekuliert haben und das Casino so weiterbetreiben, als wäre nichts geschehen. (S. 8 - 9. Hervorhebungen von J.L.)


Abschließend noch ein weiteres Zitat aus der folgenden Einführung, das die Themen vorzeichnet, die Müller dann ausführlich in den folgenden Kapiteln seines Buches behandelt:


Meinungsmache und Manipulation sind seit Jahrhunderten geläufige Erscheinungen. In jüngster Zeit jedoch entfalten diese Kampagnen eine zerstörerische Wirkung, wie sich an gravierenden Fällen belegen lässt: die Auslieferung unserer öffentlichen Universitäten an die Wirtschaft, die Zerstörung des Vertrauens in die sozialen Sicherheitssysteme, die bewusst betriebene Verarmung des Staates, die Kommerzialisierung und Privatisierung unserer Medien, der Verkehrssysteme und kommunaler Versorgungseinrichtungen. Gespielt, gezockt und geplündert wird aber nicht nur im öffentlichen Bereich, geplündert wird zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer und zu Lasten der Gemeinschaft auch im Bereich der privaten Unternehmen. Deutschland im Ausverkauf. Auch die Unfähigkeit zu einer wirksamen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik folgt aus der systematischen Irreführung des Publikums. Systematisch hat man auch versucht, uns beizubringen, die traumhaften Renditen und Boni der von nahezu allen Regeln befreiten Finanzwirtschaft kämen auf anständige Weise zusammen und seien deshalb erstrebenswert. Jetzt zahlen wir Steuerzahler die Zeche. Die neoliberale Ideologie erweist sich über weite Strecken als Instrument zur Bedienung privater Interessen zu Lasten der Allgemeinheit. (S. 13. Hervorhebungen durch J.L.)

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