Donnerstag, 29. April 2010

Gefährdete Voraussetzungen der Demokratie: "Meinungsmache" IV

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Die Entwicklung unserer deutschen TV-Landschaft gefährdet die Demokratie


Als eines der Hauptmedien, über die in Deutschland "Meinungsmache" geschieht, sieht Albrecht Müller das Fernsehen. Es war nicht immer so! Erst durch die von Helmut Kohl eingeleitete "Wende" nach 1982 in Westdeutschland hat sich die Fernsehlandschaft deutlich verfinstert. Kommerz, Beliebigkeit und fehlende Hintergrundinformationen bestimmen die Inhalte, kritische Berichterstattung wird immer mehr zurückgedrängt. Müller sieht darin eine grundlegende Beschädigung unserer Demokratie, denn immer weniger Menschen können sich so noch ein Bild von den tatsächlichen Beweggründen vieler Entwicklungen machen, die unabdingbare Voraussetzung für ein unabhängiges Urteil. Viel schlimmer: Sie merken es wahrscheinlich nicht einmal mehr - und noch schlimmer: sie vermissen es auch nicht mehr und halten die Zustände - wenn sie sogar noch mit Bildern im Fernsehen unterlegt werden - für "gottgegeben" und nicht weiter hinterfragbar. Armes Deutschland!!


Ein besonders trauriges, aber wichtiges Kapitel aus diesem Buch! Ich zitiere ausführlich:


Deutschland hat die zahlenmäßig größte Vielfalt an Fernsehsendern in Europa. Wer allerdings durch die Programme zappt, merkt schnell, wie er im medialen Einheitsbrei stecken bleibt.


Mit der Einführung des kommerziellen Rundfunks nach 1982 leitete die Regierung Kohl die eigentliche geistig-moralische Wende ein. Erklärtes Ziel der Konservativen und Liberalen war es damals, den Einfluss des angeblich von Linken dominierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks („Rotfunk“) zurückzudrängen. […]


Den politischen Förderern brachte das den millionenschweren Dank der Geförderten ein. Vor allem Leo Kirch bedankte sich später bei Kohl, Schwarz-Schilling und Co. Mit Beraterverträgen. Den Fernsehzuschauern und Radiohörern jedoch bescherte die Wende eine geistige Vermüllung in riesigem Ausmaß. Information und Unterhaltung werden gleichermaßen unter einer Welle von Schund und Kitsch begraben. Unter dem zunehmenden Druck der Quotenmessungen und der daran gebundenen Werbepreise und Werbegelder passen auch die öffentlich-rechtlichen Sender sich den neuen Sehgewohnheiten und den neuen Inhalten an.

[…]

Jungen Menschen das Ausmaß der Veränderung begreiflich zu machen ist nicht einfach. Sie haben sich an so vieles schon gewöhnt, worüber wir Älteren uns noch empören können. Es wäre ein Leichtes, diese Haltung als kulturpessimistisch und moralisierend zu brandmarken. Ginge es nur um Fragen des guten oder schlechten Geschmacks oder um die Frage nach der Verletzung religiöser Gefühle, hätten die Kritiker recht. Es geht aber um nicht weniger als den Bestand der Demokratie, denn mit Informiertheit und der Urteilsfähigkeit verschwinden die Voraussetzungen der Demokratie. Die Entwicklung unserer TV-Landschaft zerstört diese Voraussetzungen. (Müller, Meinungsmache, S. 388 – 389, Hervorhebungen von J.L.)

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