Samstag, 17. April 2010

Die richtige Form der Anpassung

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Wer sollte angepasst werden – das Kind oder die Situation?

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Vielleicht ist dies ein ungewöhnlicher Beitrag für meinen blog. Aber er hat einen sehr persönlichen Bezug und hat mich zusätzlich noch einmal auf „mein früheres Leben“ als Dozent an einer heilpädagogisch ausgerichteten Fachschule verwiesen.


Mein kleiner Sohn, der mit mir zusammen die Startseite meines blogs ziert, ist behindert. Daran besteht kein Zweifel. Mittlerweile wissen wir auch, dass Eltern meistens die besten Experten für ihre Kinder sind, denn alle (zahlreichen) Ärzte, die wir im Laufe der Lebensgeschichte unseres mittlerweile 9jährigen Sohnes aufgesucht haben, mochten sich nicht festlegen und haben sich bisher bei einer eindeutigen Diagnose „gedrückt“. Wir sagen deshalb mittlerweile scherzhaft, er habe das „Paul-Jakob-Syndrom“, unbestritten vorhanden, aber einmalig. Bei der heute üblichen Aufweichung früherer strengerer Diagnose-Kriterien sind wir allerdings überzeugt, dass er dem Autismus-Spektrum zuzuordnen ist.


Bekanntermaßen brauchen Autisten ihre Ordnungsrituale und pflegen daneben oft Spezialthemen, in denen sie manchmal ungewöhnliches Wissen anhäufen können. So auch Paul Jakob, der Spezialist für Zirkus, Geographie und Geschichte ist. In diesen Bereichen macht ihm kaum ein Gleichaltriger etwas vor! Andererseits hat er noch seine fast kleinkindhaften festen Gewohnheiten, die ihm den Tag strukturieren und übersichtlich machen. Ein Tag, der ohne den „Sandmann“ im KIKA endet, ist ein unglücklicher Tag; es gibt Tränen und Geschrei.


Das war unser großes Drama zu Ostern, als wir Pauls Onkel und seine liebenswerte Tochter besuchten. Paul war zunächst beglückt!! Aber die beiden besitzen keinen Fernseher!! Ungewöhnlich in unserer heutigen Zeit, aber es kommt bei Überzeugungstätern noch vor! Pauls Kummer war groß und wir fürchteten schon Schlimmes für die Stimmung in den nächsten Tagen. Mit sachlichen Erklärungen zur Situation, mit Ankündigungen ungestörter Sandmann-Sendungen nach unserer Rückkehr und mit eher hilflos-autoritären „basta-Kommentaren“ wie „Es gibt nun einmal keinen Sandmann. Das weißt Du doch! Zwei Tage wirst Du das schon aushalten!“ war Paul Jakob nicht zu helfen. Wir hätten ihm auch noch sonst welche Belohnungen versprechen können. Der Abend schien „versaut“. Ein lieber Nachbar aus dem Haus hat sich dann erbarmt und die beiden Kinder an zwei Abenden für jeweils 10 Minuten an seinen Fernseher gelassen …


Schlicht und ergreifend die Frage an uns Eltern und Pädagogen: Sind wir gescheitert, wenn es uns nicht gelingt, Kindern einen „vernünftigen" Umgang in alltäglichen Situationen beizubringen? Oder wäre es nicht manchmal klüger, eine Situation an ein Kind so anzupassen, dass es sie noch aus eigener Kraft mit seinen z. Zt. verfügbaren geistigen Mitteln bewältigen kann? Beneidenswert, wer das Fingerspitzengefühl besitzt, auf „beiden Klaviaturen“ zu spielen und den Alltag so zu gestalten, dass das notwendige Vertrautsein erlebt werden kann, gleichzeitig auch alle noch etwas Spaß miteinander haben, ohne dass die Lernanreize wegfallen...


Das hat mir Paul Jakob durch seinen Sandmann in Erinnerung gebracht.

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