Montag, 27. April 2009

Reminiszenzen an meinen Unterricht: Spuren der Kindheit

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Beim Aufräumen meiner alten Schulunterlagen habe ich Manuskripte von mir gefunden, die mir immer noch gefallen und die ich deshalb hier auf meinem Blog aufbewahren möchte. Der folgende Text stammt aus dem Januar 1999.


Wie unsere Kindheit in uns weiterwirkt bzw. welche Spuren unsere Eltern in uns hinterlassen


Im positivsten Falle

haben wir von unseren Eltern viel mitbekommen (Liebe, Bestätigung, Ermutigung, Ermöglichung von Lebensperspektiven); dann sind wir ihnen weiterhin verbunden, aber frei in unserer Persönlichkeit und Lebensführung.


Wir fühlen uns tüchtig und kompetent, sind innerlich stabil und können auf uns selbst zählen und einen eigenen Weg gehen. Das macht die innere Freiheit aus, d.h. unsere Wahlmöglichkeit in jeder Lebenssituation, die Verhaltensalternative zu ergreifen, die uns selbst – aus eigener Entscheidung – für die richtige dünkt.


Im negativen / negativeren Fall

bleiben wir an unsere Eltern gebunden, im Sinne von: wir behalten einen hohen Grad an Kindlichkeit und werden nicht richtig erwachsen.


Dafür ein erstes Bespiel: Wir leben weiterhin im Blick auf die Eltern, die u.E. uns entweder zu sehr eingeengt haben oder uns bitte (der Wunsch kann auch eindrücklicher ausgedrückt werden) endlich die Zuneigung und Liebe geben sollten, die uns so bitter in der Kindheit gefehlt haben. „Wenn ihr anders gewesen wärt, dann könnte ich …“ (weniger Ängste haben, weniger Hemmungen haben, mutiger sein, weniger Unsicherheiten zeigen …). Viele Menschen laufen ihr ganzes Leben mit solchen Haltungen herum, die ihnen als Begründung dienen, dass sie für ihr eigenes Verhalten oder ihre Versäumnisse ihrer Meinung nach nur bedingt oder gar nicht verantwortlich sind. Und hoffen – manchmal trotz vieler „Backpfeifen“ – immer noch, dass ihre greisen Eltern dies vielleicht eines Tages doch noch tun und sich für ihre Versäumnisse entschuldigen … (auch wenn sie vielleicht schon längst gestorben sind …). Damit bleiben die Betroffenen irgendwie immer auf einer kindlichen Entwicklungsstufe stehen und verweigern sich selbst eine selbstverantwortliche erwachsene Lebensführung.


Das andere Beispiel: Andere Menschen bewahren sich den Trotz ihrer frühen und späteren Kindheit, den sie damals vielleicht gegen die übermäßige Strenge und die fehlende Einfühlsamkeit der Eltern gegenüber kindlichen Bedürfnissen entwickelt hatten.


Das führt dann zu einer generellen Anti-Haltung gegenüber den Eltern. Alles, was diese jemals gesagt haben, muss von mir gegenteilig beantwortet werden; ich mache immer etwas, was mich von ihnen abhebt.

Auch das ist kein Zustand von Freiheit! Denn nicht mehr die Situation gibt mir vor, die für mich angemessenste Reaktion zu wählen (die erwachsene Variante in Eigenverantwortlichkeit), sondern der Blick auf das (jetzige oder frühere) Verhalten der Eltern, von dem ich mich abheben will, um mir „meine Freiheit“ von ihrem Zwang zu beweisen. Auch so bleibe ich dauerhaft gebunden und finde zu keiner eigenständigen Lebensführung.


Es ist wie bei Ehepartnern oder getrennten Partnern im Clinch: Solange ich mit dem anderen kämpfe, bin ich nicht wirklich frei. Denn Kampf setzt im gewissen Sinne Nähe voraus, auch wenn diese alles andere als angenehm und befriedigend sein dürfte.

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