Mittwoch, 29. April 2009

Dinosauria II

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Geschützte und eingetragene Wortmarken des Deutschen Patent- und Markenamts


Waren das noch Zeiten! Aber aus heutiger Sicht offensichtlich ganz hinterwäldlerisch!


Sigmund Freud schenkte der Nachwelt sicherlich nicht den Begriff „Unbewusstes“, denn dabei baute er schon auf Vorläufern auf, aber sein „Ödipus-Komplex“ und die „Übertragung/Gegenübertragung“ dürften seine Schöpfungen sein, so wie Alfred Adler den „Lebensstil“ und das „Gemeinschaftsgefühl“ kreierte. In anderen Wissenschaftsbereichen bin ich nicht so firm, aber „Relativitätstheorie“ dürfte doch auch das sprachliche Werk von Albert Einstein sein. Die Bücher, in denen diese Begriffe erstmalig standen, waren sicherlich schon damals durch „Copyright“ geschützt und dadurch eine Quelle von Tantiemen für ihre Autoren. Die Begriffe aber waren ein Geschenk an die Allgemeinheit, durften zur Diskussion und Weiterentwicklung benutzt werden. Welch eine Bestätigung für die Autoren, wenn viele andere sich ihrer bedienten!!


So etwas ist aber in unserer ökonomisierten Welt nicht mehr „up to date“! Ein Autor, der heute etwas auf sich hält, lässt sich offenbar seine Wort-Neubildungen schützen und behält sich damit jede weitere wirtschaftliche Nutzung vor.


Jedenfalls habe ich das in dem Buch „Psychovampire“ der beiden Autoren Hamid Peseschkian und Connie Voigt (orell füssli Vlg., Zürich 2009) entdeckt, einer von vielen Bänden zum Thema „Lebenshilfe und Selbsterkenntnis mit therapeutischem Hintergrund“.


Dort findet sich im Impressum die folgende

„Anmerkung: Bei dem Begriff „Psychovampir“ handelt es sich um eine geschützte und eingetragene Wortmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 30648124.3/20 und gilt für Veröffentlichungen jeder Art in Deutschland, der Schweiz sowie Großbritannien. Markeninhaber sind die beiden Autoren.“ (a.a.O.S.4)


Ich hoffe sehr, dass ich mit diesen Zitaten, rechtschaffen angefertigt, so wie ich es gelernt habe, diese „Markenrechte“ noch nicht verletzt habe …


Ich habe bereits vor Jahren eine Erfahrung gemacht, die mir im Zusammenhang mit diesem Buch wieder eingefallen ist und die einige Ähnlichkeiten aufweist:


In Fürstenwalde gibt es in jedem Jahr eine wundervolle Ausstellung von Kunstwerken behinderter Menschen, die mittlerweile traditionsreiche „Ermutigung“. Sie wird ausgerichtet von den “Format-Werkstätten“ für Behinderte der hiesigen AWO, eine sehr verdienstvolle und auch ästhetisch anspruchvolle und beeindruckende Veranstaltung! Wer von meinen Lesern/Innen hier aus der Region ist, könnte sie aktuell bis zum 27.5.2009 in der Aula der Erich-Kästner-Schule (Schule mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „Lernen“) besuchen.


Vor vielen Jahren trug sich meine Frau mit der Idee, eine Selbsthilfegruppe aufzubauen als Unterstützung für unseren Umgang mit unserem behinderten Sohn. (Hat leider in unserem Ort damals nicht geklappt.) Und weil sie die Kunstausstellung so aufbauend und bestätigend für behinderte Menschen und ihre Angehörigen fand, wollte sie für ihre zukünftige Gruppe ebenfalls den Namen „Ermutigung“ wählen, vielleicht von der Wortwahl her nicht sehr originell, inhaltlich aber sehr auf die möglichen Themen einer solchen Gruppe zugeschnitten und für die Organisatoren der Ausstellung doch auch eine Bestätigung, wie gut ihr Konzept aufgenommen worden war. Diese Absicht muss bekannt geworden sein, denn wenig später erhielt meine Frau einen Brief vom Geschäftsführer der Trägerorganisation der Ausstellung mit der Aufforderung, diese Namenswahl unter Androhung rechtlicher Schritte fallen zu lassen. Die AWO habe sich den Begriff „Ermutigung“ amtlich schützen lassen.


Mich hat das damals ziemlich erbost, weil ich als alter Anhänger der Individualpsychologie mehr über die Begriffsgeschichte dieses Wortes wusste: „Ermutigung“ ist einer der Kernbegriffe seiner Form von Psychotherapie, die Alfred Adler am Anfang des 20.Jahrhunderts in vielen Veröffentlichungen vorgestellt hat. Sein Schüler Rudolf Dreikurs (Mitverfasser des klassischen Eltern-Beratungsbuches „Kinder fordern uns heraus“) machte ihn geradewegs zum Zentrum seiner Erziehungslehre. Von ihm und seinem Mitarbeiter Dinkmeyer erschien in den 70ger Jahren das Buch „Ermutigung als Lernhilfe“ im Klett-Vlg. Wenn schon jemand „Anspruch“ auf diesen Begriff hätte, dann doch wohl die Dreikurs-Leute! (Sie haben aber damals weise darauf verzichtet – oder waren noch nicht so klug wie wir Heutigen…)


„Abgekupfert“ sind viele Begriffe, aber dann noch Tantiemen daraus ableiten? Da regt sich in mir ein ganz großer Widerwille. Geistige Schöpfungen (und was ist ein Begriff sonst, der sich im Rahmen einer kulturellen Situation allmählich herausgebildet hat) wie „Waren“ zu betrachten, finde ich abartig, da bin ich ein Purist. „Coca Cola“, „Langnese“, „Chiquita“, „Adidas“ und wie alle die unsäglich vielen „Marken“ heißen, habe ich in meinem Weltbild als mittlerweile wohl unvermeidliche kommerzielle Größen gesehen, die sich in unsere Gehirne eingefressen haben (dabei ist ihre Entwicklung noch sehr neuzeitlich, denn vor 100 Jahren war Kaffee im Kolonialladen noch einfach “Kaffee“ und nicht „Tschibo“ oder „Markus GOLD“!). Dass ich jetzt offenbar auch eine Markenbildung im geistigen Bereich ertragen muss, zeigt mir an, wie die allseitige Ökonomisierung unseres Lebens und unserer Gesellschaft voranschreitet. Armes Abendland… (bzw. was davon noch übrig ist …)

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