Freitag, 22. Oktober 2010

Unsere "christlich-jüdische Tradition"

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In der letzten Zeit habe ich häufiger mit großem Gewinn Kolumnen von Harald Martenstein gelesen, die witzig und blitzgescheit gesellschaftliche Probleme "auf den Punkt bringen".

Vor mir liegt hier sein Statement "Länder verändern sich" aus dem Tagesspiegel vom 17.10.10. Er mokiert sich darin über eigentümliche Argumentationsweisen, die insbesondere nach der Rede unseres neuen Bundespräsidenten zur "Abwehr" der islamischen Gefahr für Deutschland entwickelt worden sind, darunter die neuerdings so beliebte "Beschwörung" des christlich-jüdischen Abendlandes und der "Aufschrei" angesichts der von Wulff gewählten Beschreibung, der Islam gehöre heutzutage zu Deutschland.

Im Gegensatz zu den folgenden Zitaten von Martenstein muss ich die Prügel für die "..." im obigen Absatz selbst einstecken, denn diese Kennzeichnungen stammen von mir.

Doch jetzt die versprochenen Auszüge aus Martensteins Kolumne:

Die Formulierung, über die ich mich in den vergangenen Wochen am meisten gewundert habe, hieß "christlich-jüdische Tradition". Angeblich haben wir in Deutschland eine "christlich-jüdische Tradition", die ist prima, pumperlgesund und steht auf Platz eins der Sonntagsreden-Hitparade. Unsere christlich-jüdische Tradition lassen wir uns von den Muslimen nicht kaputt machen. He, Leute, seid ihr meschugge? Die christlich-jüdische Tradition in Deutschland bestand bis vor ein paar Jahrzehnten aus Diskriminierung, Mord und Totschlag. Die erfreuliche christlich-jüdische Tradition in Deutschland ist rekordverdächtig, es ist eine der jüngsten Traditionen, die weltweit bekannt sind.

Vor, sagen wir, 100 Jahren hat man den Juden gern vorgeworfen, dass sie Deutschland unterwandern und heimlich alle miteinander verbündet sind und, halten Sie sich fest, man hat ihnen auch vorgeworfen, dass sie terroristische Anschläge planen, alle miteinander. Klingt recht vertraut.

Und an späterer Stelle:

Dass der Islam heute zu Deutschland gehört, ist eine banale Tatsachenfeststellung, weiter nichts. Wenn jemand "dazugehört", kann dieser Jemand übrigens durchaus Probleme bereiten. [...] Will allen Ernstes irgendwer Leute mit deutschem Pass zu Deutschen zweiter Klasse erklären, nur, weil sie die falsche Religion haben?

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