Dienstag, 12. Oktober 2010

Dr. Dolittles Weisheit

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Kommentar zum Lesen dieses blogs: Es ist zum "Mäusemelken": Ich habe mehrfach versucht, diesen blog zu korrigieren! In der korrigierten Fassung laufen nicht alle Zeilen von Hugh Lofting zusammen, sondern sind schön lesbar nach Absätzen getrennt! Diese Fassung erhält man leider aber nur dann, wenn man in der Service-Leiste links diesen Artikel aufruft! Beim Normalaufruf des blogs hingegen erscheint immer die zusammengeschobene Variante. Sorry, ich weiß nicht, wie ich das ändern könnte!!


Alten Menschen wird manchmal nachgesagt, dass sie in mancherlei Hinsicht wieder "wie die Kinder" werden, erneut kindlich gefärbte Vorlieben zeigen, sich besonders gern mit Erinnerungen an ihre Kindheit beschäftigen (was Wunder, wenn das Kurzzeitgedächtnis schwach wird, die alten Gedächtnisspuren aber noch vertrefflich haften!), kurz und gut: wieder kindlich oder (die negative Variante) kindisch werden. Vielleicht ist da ja auch etwas bei mir dran, wenn ich mich wieder über Kinderbücher meiner Vergangenheit freuen kann! Eine einfachere Erklärung ist zwar, dass mein Sohn Paul Jakob gern vorgelesen bekommt und mir dabei "meine alten Bücher" am besten gefallen. Und dass es wirklich hervorragende Autoren und Autorinnen gibt, die Kinder nicht mit "kleinem Geist für kleine Geister" abspeisen, sondern all ihre Wärme, klugen Ideen und Weisheit in ihre Kinderbücher hineinpacken, Schätze, die gehoben werden können und "Kleinen und Großen gemeinsam" Gewinn versprechen! Vielleicht stimmen auch beide Erklärungsansätze ...

So lese ich Paul Jakob gerade wieder aus dem Klassiker von Hugh Lofting "Doktor Dolittle und seine Tiere" vor. Darin kommt die tolle Passage vor, wie Dr. Dolittle und seine Getreuen auf einem erbeuteten Piratenschiff einen kleinen Jungen finden, völlig verweint, denn die Piraten haben seinen geliebten Onkel auf einer winzigen Insel weit entfernt ausgesetzt. Selbst die scharfsichtigen Adler können ihn nirgendwo aufspüren. Erst Jip, dem Hund, gelingt es mit seiner phänomenalen Riechfähigkeit, wie mit einem Fernradar den nach Schnupftabak riechenden Onkel aufzuspüren und das Schiff zu seiner Rettung dorthin zu lenken. Und das alles geschrieben in einer schönen Sprache und mit eingewobenen Lebensweisheiten, nicht nur für Kinder!

Ich habe deshalb etwas davon abgeschrieben! In unserer Stadtbibliothek wurden die Dolittle-Bücher mittlerweile aussortiert. Wie schade! Vielleicht gibt es aber doch noch Eltern und Großeltern, die sich an ihre Kindheit erinnern und ihren Kindern bzw. Enkeln so ein Buch schenken. Vielleicht kann ich ja jemand dazu motivieren!

Dann ging Jip ganz nach vorn und schnupperte in den Wind; und er fing an, vor sich hin zu murmeln: „Teer; spanische Zwiebeln; Petroleum; nasse Regenmäntel; zerdrückte Lorbeerblätter; brennender Gummi; Spitzengardinen, die gewaschen werden – nein, stimmt nicht, Spitzengardinen, die zum Trocknen aufgehängt sind, und Füchse – zu Hunderten – junge Füchse, und -“

„Kannst du wirklich all die verschiedenen Dinge aus dem einen Wind herausriechen?“, fragte der Doktor.

„Aber natürlich!“, sagte Jip. „Und das sind nur ein paar von den leichten Gerüchen – den kräftigen. Die könnte doch jeder Straßenköter noch mit Schnupfen erkennen. Warten Sie mal, dann nenn ich Ihnen ein paar von den schwierigeren Gerüchen, die dieser Wind mitbringt – ein paar ganz feine.“

Dann schloss der Hund fest die Augen, reckte die Nase hoch in die Luft und schnüffelte angestrengt mit halb offener Schnauze.

Lange Zeit sagte er gar nichts. Er stand stocksteif da. Er schien kaum zu atmen. Als er endlich zu sprechen anfing, klang es fast, als sänge er traurig im Traum.

„Ziegelsteine“, flüsterte er ganz leise, „alte gelbe Ziegel in einer Gartenmauer, vom Alter schon ganz brüchig; der süße Atem junger Kühe, die in einem Gebirgsbach stehen; das Bleidach auf einem Taubenschlag – oder vielleicht einem Kornspeicher – in der Mittagssonne; schwarze Glacéhandschuhe in einer Schreibtischschublade aus Nussbaum; eine staubige Straße mit einer Pferdetränke unter Platanen; kleine Pilze, die aus morschem Laub ragen …“

„Keine Rüben?“, fragte Göb-Göb.

„Nein“, sagte Jip. „Du denkst immer nur ans Essen. Nirgends Rüben. Und kein Schnupftabak – jede Menge Pfeifen und Zigaretten, und ein paar Zigarren. Aber kein Schnupftabak. Wir müssen warten, bis der Wind von Süden kommt.“

„Also, das ist ja wohl ein armseliger Wind“, sagte Göb-Göb. „Ich glaube, du bist ein Schwindler, Jip. Wer hat je gehört, dass man einen Mann mitten im Ozean allein durch den Geruch finden kann! Ich hab doch gesagt, dass du es nicht kannst.“

„Pass mal auf“, sagte Jip; er wurde wirklich ärgerlich. „Ich beiß dir gleich in die Nase! Bild dir nur nicht ein, dass du so frech sein kannst, wie du willst, bloß weil der Doktor nicht zulässt, dass du von uns kriegst, was du verdient hättest!“

„Hört auf zu zanken!“, sagte der Doktor. „Schluss damit! Das Leben ist zu kurz dafür. Sag mir, Jip, was meinst du, woher diese Gerüche kommen?“

„Aus Devon und Wales – die meisten“, sagte Jip, „der Wind kommt von da.“

„Tja, tja, tja“, sagte der Doktor. „Das ist wirklich bemerkenswert – sehr bemerkenswert. Ich muss das für mein neues Buch aufschreiben. Ich frage mich, ob du mir wohl beibringen könntest, auch so gut zu riechen … Aber nein, vielleicht ist es besser, wenn ich bleibe, wie ich bin. ‚Genug ist genug, mehr wäre weniger’, sagt man. Lasst uns zum Abendessen hinuntergehen. Ich bin sehr hungrig.“

„Ich auch“, sagte Göb-Göb.

[Hervorhebungen von J.L.]

Zitiert nach: Hugh Lofting: Doktor Dolittle und seine Tiere. Aus dem Englischen von Gisbert Haefs. – München: Omnibus 2007. (= omnibus-Tb. 21835). S. 117 - 119.

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