Donnerstag, 30. Oktober 2008

Frei sein !

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Ein neues und zugleich altes Lebensgefühl! Alt ist es insofern, als ich schon immer freizügig gedacht habe, jedenfalls was ich darunter verstehe. Eher „linke“ Gedanken, nie „obrigkeitshörig“, gerne „gegen den Strich gebürstet“, misstrauisch gegenüber allen, die mir etwas einreden wollen. Das in Taten umzusetzen ist natürlich eine andere Frage. Und da gehörte (gehöre?) ich doch eher zu den „Braven“.

Wobei ich jetzt bei meinem neuen Lebensgefühl angekommen bin. Ich bin durch die Ruhephase meiner Altersteilzeit in der luxuriösen Lebenssituation, meinen Geist zukünftig ohne die Zensierung durch „Mäntelchen“, die ich mir in Folge meiner beruflichen Rolle umhängen musste, nutzen zu können. Als Lehrer war ich sehr vorsichtig, meine politischen und gewerkschaftlichen Ansätze gegenüber meinen Schülern offen zu vertreten, um mir nicht den Vorwurf der „Indoktrination“ einzuhandeln. Als Lehrer musste ich natürlich auch alle von der Regierung angeordneten „didaktischen Revolutionen“ mitmachen, z.B. die Umkrempelung der bisherigen schulischen Ausbildung von Heilerziehungspflegern durch das „Lernfeldprinzip“, das praktisch den Tod meines Faches Psychologie bedeutete. Immerhin war das für mich als Dipl. Psychologe bis dato meine „Kernkompetenz“, wie es in der neuen Fachsprache so schön heißt. Ich habe das schon als massive „narzistische Kränkung“ erlebt, um einmal einen psychologischen Terminus dagegen zu setzen. Sicherlich sind mit diesem neuen Ansatz auch manche klugen Gedanken verbunden, nur knirscht es leicht bei der eigentlich notwendigen Zusammenarbeit unter den Lehrenden und theoretische Verortungen der Lerninhalte werden z.T. ziemlich beliebig … Vielleicht war ich auch einfach schon zu alt für solche grundlegenden Veränderungen, nachdem ich einmal unter ganz anderen „Spielregeln“ in die Tätigkeit als Dozent eingestiegen war. … Gewurmt hat es mich allerdings immer, nie in die Planung solcher Änderungen einbezogen gewesen zu sein, sie einfach „schlucken“ und natürlich grundlegende Kritik in der Öffentlichkeit für mich behalten zu müssen, denn mein Dienstherr hatte anderes angeordnet.

Was eine solche Rücksicht wider eigene Anschauungen bedeutet, habe ich jetzt - aus einer anderen Position heraus – bei der Einschulung meines kleinen Sohnes Paul Jakob wieder erleben können. Durch seine Behinderung gab es verschiedene Schwierigkeiten und er hat schon das neue Brandenburgische „förderdiagnostische Verfahren“ und den Förderausschuss durchlaufen und mittlerweile doch einen Platz als Erstklässler an einer Allgemeinen Förderschule gefunden. „Eigentlich“ sollte dieser Schuleinstieg in Brandenburg schon abgeschafft sein, die Allgemeine Förderschule steht offenbar auf der „Abschussliste“, nun hat es doch geklappt. Ein Glück. Hinter vorgehaltener Hand haben uns betroffene Lehrkräfte auch gesagt, dass sie die einschlägigen „Reformen“ fragwürdig finden, wenn Kinder mit besonderen Schwierigkeiten alle in normale Grundschulklassen eingeschult werden müssen, um dann nach gelegentlichen sonderpädagogischen Beobachtungen später doch noch eine andere Beschulung zu finden. Von der Grundidee vielleicht wirklich ein fortschrittlicher Ansatz mit integrativem Gedankenhintergrund, aber irre solange, wie die Klassenstärke in den Einführungsklassen weiterhin bei 24 Kindern bleibt, keine weiteren Lehrer eingestellt werden und es auch keine sonstigen Zusatzkräfte gibt, wie es in Vorzeigeländern wie Finnland wohl Gang und Gäbe ist, aus denen solche Modelle stammen. Eine halbherzige Reform in Brandenburg, die schön aussehen soll – das notwendige Geld fürs Personal allerdings gibt es nicht. Beteiligte Eltern, sofern sie die Zusammenhänge durchschauen, können Protest schreien, beteiligte Lehrer müssen in der Öffentlichkeit für ihren Dienstherren eintreten und das Modell erläutern und verteidigen – alles andere wäre disziplinarrechtlich gefährlich … Da lobe ich mir meine jetzige Freiheit, Unfug auch Unfug nennen zu dürfen.

Natürlich bin ich auch einmal in die Schule gegangen, habe kluge Lehrer gehabt und bin von ihnen aufgeklärt worden, dass es unterschiedliche Freiheiten gibt, die Freiheit „wovon“ und die Freiheit „wofür“. Durch mein Psychologiestudium, spätestens seit meiner Beschäftigung mit der Tiefenpsychologie, weiß ich um die Grenzen meiner Gedankenfreiheit und ihrer Determiniertheit in vielen Voraussetzungen. Aber im Rahmen meiner Möglichkeiten möchte ich selbst über meine Überzeugungen und Ziele entscheiden, wofür ich mich einsetze. Das jetzt vermehrt zu können, ist mein neues Lebensgefühl! Wunderbar!!!

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