Samstag, 5. März 2011

Lieblingszitate CLIII: Gedichte von Mascha Kaléko

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Eine echte Bereicherung für mich war der Vorschlag meiner Frau, am vergangenen Freitag einen Rezitations-Abend zu besuchen, dessen Schwerpunkt Gedichte von Mascha Kaléko bildeten. Mit Gedichten tue ich mich ohnehin eher schwer und diese jüdische Dichterin, die zu Zeiten der Weimarer Republik in Berlin ihre beste Zeit hatte, dann emigrieren musste und danach wohl weitgehend verstummte, war mir bislang nahezu unbekannt. Umso stärker mein Erlebnis, wie betroffen mich Texte dieser Frau machen. Heute und in den beiden folgenden Einträgen möchte ich deshalb die Gedichte vorstellen, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind.

Das erste dieser Gedichte befasst sich mit einem meiner derzeitigen Hauptthemen, dem Älterwerden und dem Versuch, alles bisherige Erleben irgendwie zu begreifen und den "roten Faden" im eigenen Leben zu suchen.


Die Zeit steht still

Die Zeit steht still. Wir sind es, die vergehen.
Und doch, wenn wir im Zug vorüberwehen,
Scheint Haus und Feld und Herden, die da grasen,
Wie ein Phantom an uns vorbeizurasen.
Da winkt uns wer und schwindet wie im Traum,
Mit Haus und Feld, Laternenpfahl und Baum.

So weht wohl auch die Landschaft unsres Lebens
An uns vorbei zu einem andern Stern
Und ist im Nahekommen uns schon fern.
Sie anzuhalten suchen wir vergebens
Und wissen wohl, dies alles ist nur Trug.

Die Landschaft bleibt, indessen unser Zug
Zurücklegt die ihm zugemessnen Meilen.

Die Zeit steht still. Wir sind es, die enteilen.


MASCHA KALÉKO


Den Text verdanke ich einer Mit-Bloggerin, ich habe ihn unter "http://gabrielastagebuch.blogspot.com" als Beitrag für den 13. Juni 2007 gefunden. Danke!

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