Mittwoch, 12. Mai 2010

Dinos Diakonische Realsatire

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Wahrscheinlich habe ich die Überschrift falsch gewählt und sollte realistischer so formulieren: Du bist wirklich ein Dinosaurier und hast keinen Zugang mehr zur Wirklichkeit, wie sie sich jetzt darstellt. Deine alten Wertvorstellungen und Einstellungen sind eben von Vor - Vorgestern und locken wirklich niemand mehr hinter dem Ofen hervor. Sieh es ein, sei still und begib dich in dein Schicksal. Jetzt sind andere dran, und die machen es eben ganz anders als du …


Anlass für diese sauertöpfischen Reflexionen ist meine Lektüre eines unserer einheimischen Reklameblättchens, des „Spreeboten“ v. 8.5.2010. In sehr ausführlicher Form widmet er sich der Verabschiedung unseres bisherigen Fürstenwalder Bürgermeisters Manfred Reim, der nach 20 Jahren (eine echte Leistung!) in den Ruhestand getreten ist und von Ulrich Hengst abgelöst wurde, der über viele Jahre sein Kämmerer war. (Über die Umstände der Wahl und die beschämend geringe Wahlbeteiligung habe ich mich auf dem blog schon vor einiger Zeit geäußert.)


Eine Reklamezeitung lebt von Werbung, und so sind die mehrseitigen Berichte über die Abschiedsveranstaltungen eingerahmt von Grußadressen ortsansässiger Firmen. In einer derartigen Spalte, unter Fleischereien, einem Optiker, der Kreishandwerkerschaft, Gabelstaplern, Ferienwohnungen, einer Autolackiererei und einem privaten Pflegedienst u. a. findet sich dann eine etwas größere Anzeige, deren Text ich hier vollständig zitieren möchte:



SAMARITERANSTALTEN


Ein frisches, junges Unternehmen: in dem Morgen nicht wie Heute ist – und in dem doch auch vom Gestern gelernt wird: Ein Unternehmen, in dem Arbeit und Engagement zusammenkommen, in dem Menschen auf sehr vielfältige Weise miteinander arbeiten:


Dieses frische, junge Unternehmen bedankt sich herzlich für 20 Jahre aufmerksame Begleitung bei Ihnen, Herr Bürgermeister Reim!


Dieses frische, junge Unternehmen ist gespannt auf engagierte Jahre mit Ihnen, Herr Bürgermeister Hengst!


Die Samariteranstalten. Frisch und jung seit 1892.


www.samariteranstalten.de . Tel. 03361/567-101


dazu das Logo der Samariteranstalten (mit dem winzigen Symbol der Diakonie, das aber nur von einem „Insider“ richtig gedeutet werden dürfte).



Für welche Branche steht nun dieses frische Unternehmen? Was wird in ihm hergestellt? Fotos, Frisuren, gute Laune? Oder anderes an Dienstleistungen? Darüber geben drei kleine Bildchen (nur dem Eingeweihten) Auskunft, recht unscharf, eines mit einem Gruppenfoto junger Leute, eines mit einer älteren Dame, evtl. im Rollstuhl, der eine freundliche jüngere Frau eine Pflanze reicht, das letzte mit einem Jungen und einer Betreuerin, die ihn vor einem Laptop zu irgendeiner Tätigkeit anleitet.


Jedenfalls ein Unternehmen mit Pep und Charme, funktionierender Öffentlichkeitsarbeit und einem neuen Werbetexter, der so alles in den richtigen Schwung bringt, denn am Markt muss man ein gutes Bild abgeben! Nach meinem Weggang als Dinosaurier ist wohl meine freigewordene Stelle mit einem echten Marketing-Experten besetzt worden, der sein Handwerk versteht!


Ganz im Ernst: Das Wort „Diakonie“ oder „diakonisch“ hätte dem Text wohl nicht geschadet. Immerhin haben frühere Generationen eine Menge Herzblut darin investiert. So ist der Text nur glatt und nichtssagend.


Und: Wenn sich diakonische Einrichtungen schon so marktkonform als „Unternehmen“ darstellen (und der Zweck eines Unternehmens war schon immer Effizienz auf wirtschaftlicher Ebene), dann fällt es mir sehr schwer einzusehen, warum Betriebe dieser Art eigentlich arbeitsrechtlich noch immer Sonderwege beanspruchen, durch die sie sich Gewerkschaften und Tarifversträge im üblichen Sinne weitgehend vom Halse halten können, das Streikrecht ihrer Mitarbeiter aushebeln und im Schnitt niedrigere Löhne zahlen als die soziale Landschaft drum herum. Wenn schon, denn schon …


Auf, auf, mit Frische und jungem Mut!

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