Montag, 3. Mai 2010

Die armen Griechen ...

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Die Nachrichten überschlagen sich. Eines steht für mich fest: Es wird über die wahren Hintergründe bestimmt wieder viel gelogen - und: ich möchte nicht in der Haut eines durchschnittlichen Griechens stecken. Denn die Einsparungen, von denen in den Zeitungen steht, betreffen mal wieder die "kleinen Leute": Sparen bei den Staatsbediensteten, Sparen bei Rentenansprüchen, eine kräftige Anhebung der Mehrwertsteuer, die vor allem die Ärmeren trifft, die ihr Einkommen im Wesentlichen für den täglichen Konsum ausgeben müssen. Und wo spart die Finanzelite des Landes, Banken, Konzerne, Unternehmer und Reiche? Davon habe ich noch nichts gelesen.


Für mich "riecht es danach", als wäre diese dramatische Zuspitzung wieder das Produkt der Finanzspekulanten, die sich jetzt ein neues Betätigungsfeld für einen "schönen Reibach" ausgesucht haben: den Euro, und zunächst seine größte Schwachstelle, Griechenland. Kaum vorstellbar, dass die anderen Euro-Länder Griechenland "hängen lassen" und noch weitere kranke Kandidaten dem Scharmützel auf den Anleihe-Märkten aussetzen wollen. Die Gemeinschaft wird sich das schon etwas kosten lassen ... D.h. die Bevölkerungen der anderen Länder werden es durch ihre Steuerzahlungen irgendwie finanzieren, dass die Finanzspekulation kräftig absahnt. (Oder es gilt der 2. Absatz der unteren Ausführungen, dann bezahlt nur die Bevölkerung Griechenlands, auch nicht besser.)

Sehr erhellend für mich fand ich ich den folgenden Artikel in der Berliner Zeitung v. 27.4.2010: "Sieben Mythen über Griechenland - und was dran ist" von Stephan Kaufmann und Anna Sleegers. Ich zitiere daraus einige Teile:

1. Griechenland ist pleite.

[...] Griechenland bedient - wie auch Deutschland - seine alten Kredite mit neuen Krediten. Noch kann sich Athen an den Märkten verschulden. Das Problem ist nur: Die Spekulation auf eine Pleite des Landes hat die Zinsen so hochgetrieben, dass die Verschuldung prohibitiv teuer geworden ist. [...]

2. Deutschland zahlt für die Griechen

Durch die Kredite für Griechenland wird Deutschland nicht ärmer. Sondern reicher. Denn die Bundesregierung müsste die rund acht Milliarden Euro nicht aus dem Bundeshaushalt holen, sondern ihrerseits als Kredit aufnehmen. Dafür müssen zwar Zinsen gezahlt werden, aber deutlich weniger, als Griechenland für die Kredithilfen in Rechnung gestellt wird. Sofern Griechenland den Kredit zurückzahlt - woran es alles setzen wird, um nicht auf den Status eines Entwicklungslandes zurückzufallen - würde Deutschland also einen Zinsgewinn von mehreren hundert Millionen Euro machen.

[...]

5. Griechenland hat in der Währungsunion nichts mehr verloren

Wenn Griechenland die Drachme wieder einführte, wäre eine Entschuldung durch eine drastische Abwertung möglich, die gleichzeitig den Export ankurbeln würde. Zudem könnte das Land wieder eine eigene Geldpolitik betreiben. Besonders Euro-Kritiker machen sich für diese Lösung stark - wohlwissend, dass ein Austritt Griechenlands höchstwahrscheinlich das Ende der Währungsunion bedeuten würde. [...] Damit wäre der Spekulation gegen die restlichen Mitgliedsstaaten Tür und Tor geöffnet, der Euro würde zur Weichwährung. [...]

6. Die Griechen sollen erstmal ihre Hausaufgaben machen.

Sitzen sie schon dran. Und die Hausaufgaben sind schwer. Im laufenden Jahr soll das Haushaltsdefizit um satte vier Prozentpunkte sinken. Das bedeutet harsche Sparmaßnahmen und für die Bevölkerung heftigen Verzicht: Die Netto-Gehälter der Staatsbediensteten werden um etwa zehn Prozent reduziert. Nicht nur die Einkommen sinken, auch das Leben wird für die Griechen kostspieliger: Der Haupt-Mehrwertsteuersatz steigt von 19 auf 21 Prozent, Zigaretten und Benzin werden teurer. Das Sparprogramm ist so rigoros, dass selbst die EU-Kommission befand: Mehr ist erst einmal nicht drin. Denn sonst drohen einerseits Verarmung und soziale Unruhen. Gleichzeitig schrumpft die Wirtschaft aufgrund der Sparmaßnahmen allein im laufenden Jahr um etwa vier Prozent.

7. Der Markt fürchtet einen griechischen Staatsbankrott.

Der Markt ist kein Wesen, sondern die Summe der Anleger, die ihr Geld auf der Basis ihrer Annahmen und Erwartungen anlegen. Wer wirklich einen Staatsbankrott Griechenlands fürchtet, investiert natürlich nicht in griechische Staatspapiere. Alle anderen hoffen darauf, dass Hellas gerettet wird und sie riesige Zinsgewinne einstreichen können.

(Hervorhebungen im Text - außer den Kapitel-Überschriften - von J.L.)

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