Donnerstag, 28. Juli 2016

Mein Alter und die Zustände der Welt

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Alt im Sinne von "hochbetagt" bin ich nun noch lange nicht, ich fühle mich aber doch zunehmend dem "Senioren-Teil" der Bevölkerung zugehörig, mit körperlichen Zipperlein, Gedächtnisproblemen und einem Denken, das junge Leute vielleicht "altmodisch" nennen werden, obwohl ich gerade das vehement bestreiten möchte, jedenfalls was meine politischen und sozialen Einstellungen betrifft. Dieses als Selbsteinschätzung und Vorspann für meine weiteren Ausführungen.

Hier aber nun mein Anliegen:

Alten Menschen wird nachgesagt, sie verstünden die Welt nicht mehr richtig, könnten Neuerungen nicht mehr vernünftig einordnen und ihr Horizont verenge sich immer mehr auf ihre konkreten Lebensbezüge. Außerdem hätten sie den Hang, frühere Zeiten zu beweihräuchern und im Vergleich zur Gegenwart hoch zu loben, ganz im Gegensatz zu den tatsächlichen Abläufen.

Davon mag ja auch manches auf mich zutreffen, in jedem Fall viel, was technische Entwicklungen betrifft und die neuesten Versionen der Datenverarbeitung: Ich twittere nicht und weiß nicht, wie Facebook funktioniert. Ein neues Betriebsystem von Windows entzückt mich nicht, sondern verstört mich sehr. Warum soll ich dauernd etwas Neues lernen, wo das Alte doch gut funktioniert und ich es mit Mühe gerade halbwegs beherrschen gelernt habe?

Auf diesen Ebenen habe ich eindeutig ein Manko und bin nicht mehr "up to date". Und das Schlimmste: Es reizt mich auch nur wenig und erfüllt mich eher mit Abneigung.

Bei der Fähigkeit zur Einschätzung von politischen und sozialen Ereignissen und Entwicklungen empfinde ich aber eine total gegenläufige Tendenz. Früher bewunderte ich meine Mutter, die in ihrem Leben Kaiserreich, Weimarer Republik, Nazis, BRD und sogar kurz noch das wiedervereinigte Deutschland erlebt hatte. Ganz so vielseitig ist meine Perspektive (glücklicherweise!) als Jahrgängler von 1947 nicht, es ist aber doch schon ein stattliches Panorama von Zeitgeschichte, das an mir vorbeigezogen ist und Spuren in mir hinterlassen hat. Angesichts der wirklich wichtigen Ereignisse und Entwicklungen, die sich in diesem Zeitraum abgespielt haben, können mir manche Moden nur ein Lächeln abgewinnen und mein Kopfschütteln und meine Abwehrgefühle (z.B. gegenüber unserer zunehmend mehr tätowierten und gepiercten Gesellschaft) relativieren. Es wird sich bestimmt wieder verändern ... (Häßlich finde ich es trotzdem, wie manche Menschen sich "verzieren".)

So glaube ich, dass mein Verstehen und Beurteilen in diesem Bereich erheblich angewachsen ist, ich gegenüber vielem dadurch einen neutraleren Standpunkt einnehmen kann, da es mich innerlich nur teilweise tangiert. Das stimmt aber nicht mehr bei den vielen anderen schlimmen Entwicklungen und Katastrophen der Jetztzeit, die mich mit Zorn, Entsetzen, Empörung, leider auch Resignation - im freundlichsten Fall mit "Kümmernis" erfüllen und mir meine Hilflosigkeit spiegeln angesichts einer Welt voller Despoten, Unsinnigkeiten, kapitalistischer habgieriger Auswüchse, aufgeblasenem Nationalismus, quasi-religiösen Fanatikern und intoleranten Fundamentalisten jeder Couleur. Vielleicht ist das ja nur ein Zeichen dafür, wie überfordert von der Komplexität der Welt viele "Führer" sind, und Überforderung gebiert offenbar neue Idiotien.

Beim Schreiben kam mir der Impuls, den folgenden Nachsatz zu verfassen, der ganz gegen mein bisheriges gemäßigtes Leben steht und vielleicht Menschen überraschen könnte, die mich schon länger kennen:  

Ich würde am liebsten aufspringen, einen Berg besteigen und in alle Himmelsrichtungen schreien:
Scheiße, ihr Menschen! Was habt ihr aus unserer schönen Welt gemacht!!!


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