Mittwoch, 25. März 2009

Warum ich blogge

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Ein guter Freund von mir reagierte eher skeptisch und reserviert, als er von mir erfuhr, dass ich jetzt im Internet meinen eigenen blog führe, und das auch noch ziemlich unverschlüsselt unter meinem erkennbaren wirklichen Namen. Mehrere Verwandte äußerten sich ähnlich, ob dies nicht viel zu gefährlich sei und ich nicht Missbrauch bzw. anonyme Belästigungen regelrecht herausfordere.

Vielleicht bin ich sehr naiv. Aber ich veröffentliche nichts, was den Verfassungsschutz interessieren könnte (denke ich jedenfalls), gebe meine Kontonummer und meinen Kontostand nicht preis, halte mich zurück mit Angaben über meine frühere Arbeitsstelle, stelle andere Menschen nicht bloß und zitiere nicht aus den Therapieaufzeichnungen meines Psychoanalytikers über mich. Aber ich bin freizügig mit meiner Meinung über viele Ereignisse und Themen, die sich beim Schreiben oft erst richtig herausbildet!

Ich möchte aber noch weiteren Einwänden gegen das Bloggen entgegentreten: Dass meine Äußerungen Nahrung für irgendeinen „Klatsch“ über mich – und meine Familie – sein könnten, kann ich mir am wenigsten vorstellen. Ich bin keine Person irgendeines größeren öffentlichen Interesses, wer sollte daran viel Gefallen finden. Außerdem „chatte“ ich nicht in irgendwelchen Seiten/Räumen, in denen andere Teilnehmer pöbelhafte Kommentare schreiben, wie es über Jugendliche in der letzten Zeit ruchbar wurde. (Z.Zt. gibt es wohl Bemühungen, die Seitenbetreiber dazu zu verpflichten, dies zu unterbinden.)

Ich möchte mich jetzt aber auch inhaltlich mit dem Bloggen auseinandersetzten. Mein Freund lieferte mir dabei intellektuelles Rüstzeug für unsere weitere Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Bloggens. Er hatte für mich nämlich den wertvollen Hinweis auf den folgenden Artikel:

Andrew Sullivan: Warum ich blogge. – In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken. 63. Jahrgang, Heft 2, Februar 2009. S. 103 – 114.

Sullivan hat als Journalist das Bloggen als eine neue Form entdeckt, in der er im „Eigenverlag“ seine Texte unmittelbar und in ständigem Kontakt zu seinen Lesern veröffentlichen kann. Über Chancen und Gefahren äußert er sich ausführlich in diesem Essay. Wobei man pikanter Weise sagen muss, dass ein Essay halt eine ganz traditionelle Schreibform eines Journalisten/Schriftstellers ist. Sullivan sieht aber „neues“ und „altes“ Schreiben (Printmedien und Blogs) nicht als Gegensätze, sondern als Ergänzungen. [Ich möchte diesen Essay noch genauer vorstellen. An dieser Stelle hier würde das aber den Rahmen sprengen, da es heute mehr um meine Vorstellungen des Bloggens geht. Ich vertage dieses Vorhaben deshalb auf meinen Folge-Blog!]

Das sind alles hochinteressante Ideen! Aber sie kommen wohl doch aus einer anderen „Welt“ als meiner. Ich bin kein „Profi“ wie Andrew Sullivan, der ja eindeutig aus der Journalistik stammt, aus ihr seinen speziellen Blickwinkel bezieht und Maßstäbe für das Bloggen entwickelt. Meine Beweggründe fürs Schreiben sind viel privater, was sich an der entsprechend niedrigeren „Einschaltquote“ bemerkbar macht.

So wirken bei mir hauptsächlich andere Gesetzmäßigkeiten. Nach allem, was ich darüber gehört habe (ohne viel darüber zu lesen), sehe ich eher Verbindungen mit dem „therapeutischen bzw. kreativen Schreiben“. D.h. inneren Gedankengängen einen Ausdruck zu verleihen, konflikthaftes Erleben zu bearbeiten und günstigenfalls sogar abzuschließen, den eigenen Standort zu erkunden, sich auch für schöne sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten zu begeistern, mal mit ihnen zu spielen – und, wenn alles klappt, auch noch andere Menschen zu finden, die bereit sind, das alles zu lesen und vielleicht sogar eine Rückmeldung zu geben.

Besonders der Prozess des Nachdenkens und allmählichen Formulierens ist es, den ich am Bloggen, meiner derzeitigen Form des Schreibens, so schätze. Mir fällt in diesem Zusammenhang der berühmte Aufsatz von Heinrich von Kleist „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ ein, wobei ich mein Bloggen als inneres Reden zu möglichen Adressaten auffasse.

Die „therapeutische“ Seite des Bloggens bei mir kann ich noch verdeutlichen: Vor 25 Jahren schrieb ich für die Zeitung meiner damaligen Therapie- und Ausbildungsgruppe häufiger kleine Artikel über psychologische Themen, bei denen ich erstmals die heilsame Kraft des Schreibens für mich entdeckte. Die Themen faszinierten mich, ich vertiefte mich intensiv in Hintergründe und ging solange mit der Fragestellung „schwanger“, bis die Worte in meinem Kopf endlich geburtsreif waren und ich den Text, manchmal in einem Stück, aufschreiben konnte. Dabei spürte ich mich selbst intensiv (was mir sonst nicht ohne weiteres so gut gelang), fühlte mich identisch mit meinem „Produkt“, auf das ich stolz war (wiederum eher im Gegensatz zu meinen Gefühlen gegenüber sonstigen Leistungen und Erlebnissen) und bekam auch häufiger positive Rückmeldungen, denn meine Texte waren qualitativ meistens gut! Das spürte ich selbst, denn ohne dieses „Gütesiegel“ hätte ich sie gar nicht aus meinem Kopf herausgelassen. Schreiben als mein Medium! Vielleicht ist es ähnlich dem Schaffensprozess eines Künstlers (oder begabten Laien), der Figuren aus Ton modelliert, Bilder malt, in besonderer Weise fotografiert u.a. Alle Betroffenen dürften ein besonderes persönliches Verhältnis zu ihren Werken haben, sich in ihnen widerspiegeln und spüren! Eine ideale Form der Selbstbestätigung, denn ich möchte behaupten, dass diese Enthusiasten für ihr eigenes Werk einen inneren Maßstab haben, der ihnen – unabhängig vom Beifall der Außenwelt – sagt, ob ihnen ihr Werk gelungen ist oder nicht.

An diese alten Erfahrungen mit dem Schreiben von Artikeln kann ich jetzt, wenn mir die Texte gelingen, beim Bloggen anknüpfen. Dazu bin ich völlig unabhängig, muss keinen Redakteur mehr überzeugen, keine Termine und Zeilenvorgaben erfüllen. Ideal! (Ich habe nur meinen eigenen Anspruch im Nacken …)

Natürlich gibt es auch noch andere Texte auf meinem blog, speziell wenn ich mich gewerkschaftlich/politisch engagiere und einfach bestimmte Inhalte mitteilen oder festhalten möchte. Aber selbst diese Texte enthalten „Herzblut“ und sind nicht rein sachlich.

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