Sonntag, 15. Januar 2017

postfaktisch

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"Postfaktisch", diese eigenartige Wortneubildung, ist das "Wort des Jahres 2016"! Meine hiesige Tageszeitung, die MOZ, berichtete darüber am 10.12.2016:

Der Begriff  "postfaktisch" ist zum "Wort des Jahres" 2016 gekürt worden. In politischen und gesellschaftlichen Diskussionen gehe es zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten, erklärte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) am Freitag in Wiesbaden. Insofern stehe das Wort für einen tiefgreifenden politischen Wandel. Immer größere Bevölkerungsschichten seien aus Widerwillen gegen "die da oben" bereit, Tatsachen zu ignorieren und sogar offensichtliche Lügen zu akzeptieren.

Die Gesellschaft wählte das "Wort des Jahres" erstmalig 1971 aus, seit 1977 sucht die Jury alljährlich aus Tausenden Vorschlägen Wörter und Wendungen heraus, die das politische, wirtschaftliche  und gesellschaftliche Leben sprachlich besonders bestimmt haben. 2015 lag der Begriff "Flüchtlinge" ganz vorn. "Postfaktisch" hatte es vor kurzem in der englischen Übersetzung "post-truth" schon zum "International Word of the Year" 2016 gebracht.        [...]

Was soll man dazu als "alter Dinosaurier" sagen? Der Zeitgeist spielt verrückt; was ich als später Nachfahre der Aufklärung als zwar immer wieder gefährdeten, schließlich aber unaufhaltsamen Siegeslauf der Vernunft gegen Aberglauben und Unwissenheit  aufgefasst habe, kommt zur Zeit ins Stolpern oder droht sogar abzustürzen. Vielleicht trotzig, halte ich dennoch daran fest, dass es unverrückbare geistige Errungenschaften in der Menschheitsgeschichte gibt,  wie z.B. die Aufklärung, die Immanuel Kant definierte als "Ausgang des Menschen aus einer selbst verschuldeten Unmündigkeit". (vgl. Anmerkung)

Anmerkung: Ich als alter "Zitatenhansel" will auch diese Äußerung belegen. Sie steht in dem Text "Immanuel Kant - Was ist Aufklärung" auf S. 106 in dem schönen Tb. "Glaser, Lehmann, Lubos: Wege der deutschen Literatur. Ein Lesebuch. 8. Aufl. - Frankfurt/M. und Berlin: Ullstein 1969.        (= Ullstein-Tb. 372/373)." Dieses Buch hat eine Geschichte in meinem Leben. Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir es in meinen beiden letzten Jahren in der Schule  vor dem Abitur entweder selbst besessen (und evtl. später weggegeben) oder als Leihgabe zur Verfügung gehabt. Es war so eine Art von "geistigem Curriculum" für mich. Als ich es dann Jahre später in einem Antiquariat wiederentdeckte, habe ich es sofort erworben und es tut immer noch gute Dienste für mich.

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