Mittwoch, 8. November 2017

Tröstungen

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Es gilt allgemein als gute soziale Eigenschaft, wenn jemand einen anderen trösten will, um ihm zu helfen und ihm damit über eine schwierige Situation hinwegzuhelfen.

Ich erlebe z.Zt. allerdings auch oft ein "Trösten" mit einer anderen Funktion: Mein Gedächtnis ist sehr schlecht geworden, und - um Offenheit bemüht - gebe ich das dann auch offen zu, manchmal ärgere ich mich auch ganz einfach nur über mich selbst, klage und möchte mir dadurch etwas Luft verschaffen. Die häufigste Reaktion von Gleichaltrigen, oft auch von Jüngeren, ist dann: "Mach dir nichts draus, was ist schon dabei, das habe ich auch häufiger." Gelegentlich folgt dann auch noch ein ausführliches  Gegenbeispiel meines Gegenübers. Und ich fühle mich mehr oder weniger "abgebürstet" und "stehe im Regen",  denn meine Botschaft, dass ich böse über mich selbst bin oder verunsichert  über meinen Geisteszustand ("Alzheimer" lässt grüßen!), ist damit ad acta gelegt, mein Gegenüber möchte offensichtlich nichts mehr davon hören und mir bleibt dadurch keine Gelegenheit, im Gespräch etwas über mich nachzudenken und meine negativen Gefühle zu verarbeiten. Ein wirkliches Trösten wäre gewesen, wenn mir mein Gegenüber ein wenig zugehört hätte und ich meine Gefühle und Sorgen hätte darstellen können. Aber das ist wahrscheinlich gar nicht so leicht auszuhalten und die beschriebene Form die einfachere Variante.

Das war das Thema mit meinem Gedächtnis. Es gibt aber noch gute andere Beispiele: Ein häufiges in der Kindheit unseres behinderten Sohnes war, dass auf von uns Eltern geäußerte Ängste und Sorgen hin ganz oft die Reaktion folgte: "Wartet doch ab, der Junge ist doch noch so klein,  vielleicht gibt sich das doch noch, er hat doch noch viel Zeit für seine Entwicklung. Bei manchen Kindern dauert das eben etwas länger." Nach einer solchen Antwort blieben uns dann unsere unglücklichen Gefühle auch im Halse stecken, denn unser Gegenüber hatte gerade signalisiert, dass er so etwas (Anstrengendes!!) nicht hören wollte, schon gar nicht unsere Gefühle aushalten.

"Trost" ist also nicht in jedem Falle Trost, wenn man sich die Situation genauer anguckt.

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