Montag, 12. März 2012

Narreteien

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Diesen Text hatte ich am 23. Februar „in Arbeit“, dann ist er liegen geblieben. Zwar war er in seiner ursprünglichen Aussage schon auf diesen engen Zeitrahmen zugeschnitten, seine Aussagen sind aber leider weiterhin brandaktuell, so dass ich mich entschlossen habe, ihn auch mit dieser zeitlichen Verzögerung doch noch zu veröffentlichen. Meine Leser und Leserinnen mögen selbst beurteilen, ob das angemessen ist …


Aschermittwoch war gestern: Die offiziellen „närrischen Tage“ sind zu Ende, die Zeit, in der es erlaubt und vorgesehen ist, dass die Narren und Jecken etwas über die Stränge schlagen dürfen, Spaß, Ärger und Kritik an „denen da oben“ in derber bis ironischer Weise ausgelassen ausgesprochen werden können, bis dann alle wieder (brav ?!) zur Tagesordnung übergehen.

Mit uralten Narren beschäftigt sich hingegen z. Zt. mein kleiner Sohn, dem ich abends die Geschichten vom Wortverdreher (eigentlich in Wirklichkeit „…Versteher“!) Till Eulenspiegel vorlese.

Allen diesen Narren gemeinsam ist, dass sie einen Weg gefunden haben, Ärger, Unmut und bissige Scherze über ein Ventil zu entladen, das „den anderen“ einen Spiegel vorhält ohne wahrscheinlich nachhaltig zu verletzen. Halt ein närrisches Treiben …

Die wirklichen Narreteien dieser Welt aber sind aber nicht mehr nur bissig ironisch, sondern Furcht erregend, schrecklich und bittere Wahrheit und gehen auch nicht nach ein paar Tagen wieder vorüber, sondern bedrohen uns, unser Leben und den Frieden dauerhaft. Dabei sind sie, intellektuell betrachtet, wesentlich dämlicher als die derben bis geschliffenen Scherze eines Eulenspiegels, liegen eher auf dem Niveau der einfältigen und dummen Schildbürger, nur dass sie konkret eine massive Bedrohung darstellen, denn in unser Welt regiert die MACHT, nicht der Verstand, und strebt danach, um jeden Preis an der Macht zu bleiben, und sei’s um den Preis, dass wir alle vor die Hunde gehen.

Ich will dafür den Beweis antreten. Dafür benötige ich nur eine Ausgabe der MOZ, nämlich die vom 21.2.2012 und die Schlagzeilen ihrer Titelseite. Ich stelle vor:

1. „Putin verspricht starkes Russland. 600 Milliarden Euro für Rüstung geplant“

Ob Putin sich nach seiner Wiederwahl etwas beruhigt hat? Diese im Artikel angekündigten Schritte sind sicherlich auch dem Wahlkampf geschuldet; wie auch immer, sind sie „starker Tobak“, dem Gestrigen verpflichtet, ein Nachwehen des Kalten Krieges und bedrohlich, denn Militär wird ja nicht nur für Maßnahmen des Katastrophenschutzes bereitgehalten…

Ich zitiere aus dem Artikel, enthalte mich allerdings der Aufzählung der geplanten neuen Waffen:

„Russland reagiere damit auch auf den von USA und NATO geplanten Raketenabwehrschirm, den er als Bedrohung ansieht. „Unsere Sicherheit kann nur garantiert sein, wenn das Land wirklich stark wird“, betonte Putin. Er zog eine Parallele zum Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion: Russland werde eine „Wiederholung der Tragödie von 1941“ nicht zulassen, als das Land „mangelnde Bereitschaft mit riesigen menschlichen Verlusten“ habe bezahlen müssen. Putin schloss auch den Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung von Rohstoffen nicht aus.“

Da läuft es mir schon kalt den Rücken hinunter, der Vergleich von 1941 mit der Jetztzeit ist schon von der Feindseligkeit (und Feindseligkeitserwartung) her kaum noch zu überbieten. Herr Putin beschwört ein Pulverfass wie in den schlimmsten Zeiten atomarer Bedrohung. Und ich war bisher so naiv, diese Zeit hätten wir nach Gorbatschow hinter uns gelassen …

2. „Benzinpreise klettern auf Rekordhoch“

Die aktuellen Muskelspiele in der Golfregion (der Iran drohte damals mit dem Stopp der Öllieferungen und mit der Schließung der Straße von Hormuz) sind nicht mehr in den Schlagzeilen (aber sicherlich weiterhin eine Bombe, die jeden Augenblick explodieren könnte), ich glaube aber nicht, dass die „Angstprämie“ auf den Ölpreis seither maßgeblich zurückgegangen ist. Wenn die Menschen dadurch abgehalten würden, überflüssige Touren mit dem Auto einzuschränken, hätte alles fast noch etwas Gutes. So aber bleibt der Eindruck der großen Abzocke.

3. „Berlin lehnt polnische Atompläne ab“

Die Polen scheinen aber weiterhin wild entschlossen, trotz Fukushima ihr eigenes Atomkraftwerk zu errichten. Irgendwo habe ich gelesen, sein Standort wäre so gewählt, dass es zu Berlin einen eher geringeren Abstand hat als Fukushima zu Tokio. (Und noch geringer zu Fürstenwalde, meiner Heimatstadt …) Kommentar überflüssig. Die Gestrigen haben eine sehr große Macht auf unserem Planeten, und notfalls erschlägt „die Ökonomie“ alle Vernunft und eine Lebensperspektive jenseits der Lebenserwartung der handelnden Ökonomen (nach mir die Sintflut) …

4. „Hilfspaket für Athen in greifbarer Nähe“

Dieses Thema wird noch lange nicht ausgestanden sein. Banken und Investoren haben zwar mittlerweile arg Federn lassen müssen, werden aber wahrscheinlich weiterhin schlimmstenfalls „gerettet“ von diversen Schutzschirmen, ebenso die Oberschicht in Griechenland. Die „kleinen Leute“ dort allerdings haben kaum eine Perspektive und dürfen das ausbaden, was die Geldeliten angerichtet haben.

5. „Linke attackiert Joachim Gauck“

Dies ist ein Thema, das ich sehr zwiespältig betrachte. Zwar ist es befreiend, dass die unendlichen Querelen um Christian Wulff beendet sind, aber was kommt jetzt? Nach der Meinung der anderen Parteien und vieler Kommentatoren sind es jetzt die Linken, die als „Narren“ in der Schmollecke stehen, sich bei der Kandidaten-Kür übergangen fühlen und jetzt zur Rache nicht mitmachen wollen und wieder einmal zu beweisen scheinen, dass man mit ihnen keine tragfähigen Koalitionen bilden könne …

Aber stimmt das wirklich? Die Bedenken, die ich gegenüber Joachim Gauck gelesen habe, leuchten mir ein, ich kann sie unterstützen:

Gauck habe seinerzeit die Hartz-IV-Gesetzgebung unterstützt und auch den Militäreinsatz in Afghanistan befürwortet. Mehr in der Jetztzeit spiele seine Unterstützung für Tilo Sarrazin („mutig“!) und die Abqualifizierung der Occupy-Bewegung, die gegen die Macht der Finanzmärkte kämpft („unsäglich albern“).

Das spricht alles nicht für wirkliche Größe und einen Abstand zum Ansinnen der Mächtigen und zu Auswüchsen von „Volkes Stimme“. Dabei könnten wir einen standfesten Bundespräsidenten, mit intellektuellem Niveau und einer Integrationskraft für unsere auseinanderstrebende Gesellschaft mit ihren verschiedenen „Problemgruppen“ nur zu gut gebrauchen …

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