Mittwoch, 25. Juni 2014

Dinosauria XXVII: Was heute alles so im therapeutischen Bereich abgeht ...


Zu meiner Studentenzeit "blühten" ganz viele Therapieformen aus dem Umfeld der Humanistischen Psychologie auf. Wer etwas auf sich hielt in Psychologenkreisen, beschäftigte sich mit Gestalttherapie, Psychodrama, TZI, Encounter, GT sowieso. Alles gefühlsbetont und nicht so dröge wie die reinrassigen VT-Formen und nicht so schwer zugänglich wie alle Verfahren, die sich aus der Psychoanalyse entwickelt hatten. (Meine heutigen Leser, die sich in dieser Nomenklatur vielleicht nicht so auskennen, mögen mir verzeihen, dass ich hier keine Erläuterungen abgebe, sondern so plakativ bleibe!)

Diejenigen Richtungen, die davon die Zeiten überdauert haben - und auch die deutsche Psychotherapie-Gesetzgebung, die außer den tiefenpsychologisch-psychoanalytischen und verhaltenstherapeutischen Verfahren alle anderen vom "Futterkorb" der kassenärztlichen Zulassung abschneidet - , gehören mittlerweile zu den ehrwürdigen alten Standardverfahren. Von manchen habe ich auch nichts mehr gehört, so von der Urschrei-Therapie nach Janov, aber manches sortiert ja auch die Zeit aus, so wie von Bruno Bettelheims Theorie über die Ursachen des Autismus  heute auch niemand mehr redet.

Danach gab es dann noch mehrere Umbrüche, neue Entwicklungen wie besonders alle  systemischen Verfahren einschließlich der Familienaufstellungen und eine immer stärkere Ausdifferenzierung der Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie.  Was davon Bestand haben wird oder nur eine Modeströmung ist, werden vielleicht heutige Psychologiestudenten in ihrem blog in 30 Jahren reflektieren.

Ich für mich kann nur meine dinosaurischen Gefühle aktivieren, wenn ich einen einschlägigen Verlagsprospekt durchsehe oder mir erzählen lasse bzw. selbst erlebe, mit welchen Verfahren  heute in psychosomatischen Kliniken gearbeitet wird. Da sind jetzt offenbar schon wieder ganz andere Verfahren "modern" - aber auch gut? Ich höre vom "inneren Kind", von der Schematherapie, von "Achtsamkeit" und Traumatherapien. Durchaus spannend, aber wirklich immer etwas Neues? Ich habe nicht die Kraft, das zu ergründen.

Weiterentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist eine grundlegende Forderung an alle in diesen Bereichen Tätigen. Daneben kann ich mich aber auch des Eindrucks nicht erwehren, dass ein gewisser "Originalitätsdruck" auf allen lastet, die z.B. heute Psychologie studieren (sicherlich in anderen Fachgebieten ähnlich), ein Thema für ihre Diplomarbeit suchen (sofern es überhaupt noch das Diplom gibt, sonst eben eine entsprechende andere Form) und gerne weiterhin an der Uni oder einer anderen Institution arbeiten wollen, dafür anschließend ein Thema für eine Doktorarbeit benötigen usw. usw. Mit "alten Hüten" wird man da nicht bekannt oder sogar berühmt (es dürfte nur wenige Forscher geben, die sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte der Psychologie befassen ...), da ist eine Neuentwicklung bestimmt hilfreicher, irgendein Gebiet, auf dem ich dann der "führende Experte" sein kann. Ich kann mir da die spitze Bemerkung nicht verkneifen, ob da nicht auch mal "alter Wein in neuen Schläuchen" verkauft wird, natürlich mit einer neuen Terminologie und vielleicht geringfügigen Veränderungen. Mir fällt da ein Prof. aus meiner Studienzeit ein (alles so lange her, dass es nur auf meiner Ebene von Erinnerungen und nicht zitierfähig ist!), der wiederum einen Ahnvater unserer Zunft zitierte (ich weiß leider nicht mehr wen), der seinen Studenten gesagt haben soll: "Wenn ihr mehr gelesen hättet, hättet ihr weniger erforscht!"

Gut, man mag mir entgegenhalten, eine solche Argumentation hätte doch nur etwas mit meinen Dinosaurier-Gefühlen zu tun, glatt  abgehängt worden zu sein und nicht mehr mitreden zu können...

Sei´s drum. Meinetwegen. Ich werde sicherlich kein Spezialist mehr für die jetzigen Neuerungen  werden. Ungemein spannend finde ich den gesamten therapeutischen Bereich weiterhin.

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